Palästina

Streiks für Palästina

Bei der internationalen Vernetzung der Hafen­arbeiter:innen spielen die Kolleg:innen in Genua eine große Rolle.

Marina Forti

Am Montag kam es in ganz Italien zu einem Generalstreik und rund eine halbe Million Menschen gingen auf die Straße – mithin die umfassendste Mobilisierung in Europa gegen den Krieg im Gazastreifen. Unter dem Motto „Blocchiamo tutto“ („Lasst uns alles blockieren”) fanden in mindestens 75 Orten Aktionen statt, bei denen Schulen geschlossen, Züge gestoppt und Straßen und Häfen blockiert wurden. Am stärksten wurden die Proteste in den Großstädten befolgt – laut Angaben der Organisatoren allein in Rom 100 000 Menschen, wo die Demonstrant:innen den Hauptbahnhof besetzten, bevor sie durch die Straßen marschierten. Der Streik wurde von mehreren Basisgewerkschaften ausgerufen, die von der Regierung die Beendigung der wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit mit Israel forderten. Im Parlament bezeichnete Riccardo Ricciardi von der Fünf-Sterne-Bewegung die Demonstrationen als Versuch, „die Ehre Italiens wiederherzustellen”. Minister der regierenden Partei Fratelli d‘Italia bekundeten unterdessen ihre Unterstützung für die Sicherheitskräfte, die Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfer gegen die Menschenmengen eingesetzt hatten. Premierministerin Giorgia Meloni, die sich zur UN-Generalversammlung in New York aufhielt, verurteilte die Ausschreitungen am Hauptbahnhof in Mailand. Ihre Regierung gehört zu den entschiedensten europäischen Unterstützern Israels, auch wenn es Anzeichen dafür gibt, dass der Druck der Bevölkerung zumindest auf symbolischer Ebene Wirkung zeigt.

Dem landesweiten Streik waren Aktionen der Hafenarbeiter in Genua – einem der wichtigsten Häfen Europas – vorangegangen, aus Solidarität mit der Global Sumud Flotilla, einem zivilen Schiffskonvoi, der letzten Monat von mehreren Mittelmeerhäfen aus in See gestochen war, um die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Die ligurischen Hafenarbeiter haben gedroht, das Auslaufen von Containerschiffen nach Israel zu verhindern, um die Flottille zu unterstützen, die durch mehrere Drohnenangriffe bedroht worden war. Meloni entsandte diese Woche als Reaktion darauf Kriegsschiffe – an Bord befinden sich auch italienische Zivilpersonen, darunter Politiker:innen –, bezeichnete deren Mission jedoch als „unbegründet, gefährlich und unverantwortlich“ und forderte die Aktivist:innen auf, ihre Fracht in Zypern zu übergeben.

„Wenn der Kontakt zu den Booten abbricht, selbst wenn es nur zwanzig Minuten sind, legen wir ganz Europa lahm“, erklärte Riccardo Rudino, ein Vertreter des Autonomen Hafenarbeiterkollektivs von Genua (CALP), vor 40 000 Menschen an einem Samstagabend Ende August vor den Toren des Hafens. Ende Juli übernahm die in Genua ansässige humanitäre Vereinigung Music for Peace die Organisation einer lokalen Schiffsflotte, die Teil der Flottille sein sollte; die CALP gehörte zu den ersten Organisationen, die sich ihnen anschlossen, gefolgt von Gewerkschaften und lokalen Basisinitiativen. Die daraus entstehende Bewegung – inmitten der Sommerferien – übertraf alle Erwartungen. Die Organisatoren wandten sich an die Stadt und baten um 40 Tonnen Lebensmittel, die an die vier Schiffe gespendet werden sollten, die aus Genua auslaufen sollten. Tatsächlich kamen 300 Tonnen an, weit mehr als transportiert werden konnte, und etwa 40 000 Menschen – in einer Stadt mit 560 000 Einwohnern – beteiligten sich an einer Demonstration – der größten seit dem G8-Gipfel hier im Jahr 2001. Auf der Piazza De Ferrari sprach Bürgermeisterin Silvia Salis über die Geschichte des antifaschistischen Widerstands in Genua; ein Vertreter des Vatikans sagte, die Stadt habe gezeigt, dass in ihren Augen „eine andere Welt möglich ist”.

„Als wir ankündigten, alles zu blockieren, waren dies keine leeren Worte, sondern unser Ernst“, sagt Rudino, einige Tage nach der Demonstration. „Jedes Jahr verlassen dreizehn- oder vierzehntausend Container mit verschiedenen Gütern den Hafen von Genua in Richtung Israel. Aber wenn sie die Flottille stoppen, wird nicht einmal ein Nagel von hier wegkommen.“ Die Hafenarbeiter von Genua engagieren sich seit Beginn des Krieges im Oktober 2023 gegen den Krieg in Gaza, als Reaktion auf einen Aufruf palästinensischer Gewerkschaften, Waffenlieferungen nach Israel zu blockieren. Die jüngste Konfrontation ereignete sich im Juli dieses Jahres, als es den Arbeitern gelang, das Anlegen der Cosco Shipping Pisces zu verhindern, die Container mit Material aus Singapur nach Israel transportierte. Das Frachtschiff war bereits von Arbeitern in Piräus abgewiesen worden; es war die griechische Hafenarbeitergewerkschaft, die ihre italienischen Kollegen alarmierte.

„Für uns ist das Blockieren von Häfen nichts Neues“, erklärte Rudino – ebenso wenig wie koordinierte Aktionen der europäischen Hafenarbeiter. Im Jahr 2019 weigerten sich Beschäftigt des Hafens von Le Havre in Nordfrankreich, in Frankreich hergestellte Kanonen auf die Bahri Yanbu zu laden, die nach Saudi-Arabien unterwegs war. Aus Angst, dass die Waffen auf dem Landweg nach Genua umgeleitet werden könnten, wo das saudische Frachtschiff angeblich ankommen sollte, schlugen französische Aktivist:innen Alarm beim italienischen Netzwerk für Abrüstung, woraufhin das Autonome Hafenarbeiterkollektiv von Genua reagierte. Die Caesar-Haubitzen kamen nicht an, aber das saudische Schiff sollte mit Stromgeneratoren der italienischen Firma Teknel beladen werden. Diese waren für den zivilen Gebrauch deklariert worden, aber Kontrollen ergaben, dass das Schiff zur Ausfuhr von Waffen berechtigt war und seine Ladung möglicherweise für die saudische Nationalgarde bestimmt war, die damals in einen Krieg im Jemen verwickelt war. Unter Berufung auf ein italienisches Gesetz aus dem Jahr 1990, das die Lieferung von Waffen an Krieg führende Nationen verbietet, weigerten sich die Hafenarbeiter von Genua, die Generatoren zu verladen; schließlich gab Teknel die Lieferung auf, und die Bahri Yanbu verließ den Hafen ohne sie (die Generatoren gelangten schließlich über Venedig nach Saudi-Arabien). Dieser Fall veranlasste die Arbeiter im ligurischen Hafen, ihre Beziehungen zu Hafenarbeitern in ganz Europa zu intensivieren und ein Anti-Kriegs-Netzwerk zu gründen, um den globalen Waffenhandel zu verfolgen und zu stören.

Die Hafenarbeiter von Genua – so genannte Camalli – blicken auf eine lange Tradition der Selbstorganisation und politischen Aktivität zurück. Die erste moderne Genossenschaft der Hafenarbeiter der Stadt wurde 1889 gegründet, zur Zeit der Entstehung der Arbeiterhilfsvereine. Anfang des 20. Jahrhunderts gelang es durch eine Reihe von Streiks, das ungerechte Tagelohnsystem abzuschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Compagnia unica lavoratori merci varie (CULMV) gegründet, die für die Ausbildung und den Schutz der Hafenarbeiter zuständig war. Entscheidend war, dass die Compagnia die ausschließliche Kontrolle über die Einstellungen und Arbeitsverträge erhielt: Reedereien konnten ihre eigenen Arbeiter nicht direkt beschäftigen – zu Bedingungen, die wahrscheinlich prekärer und schlecht bezahlt waren –, sondern mussten auf Mitglieder der CULMV zurückgreifen.

      
Mehr dazu
Büro der Vierten Internationale: Unsere Aufgaben für die Befreiung Palästinas, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Gilbert Achcar: Eine schmerzhafte Bilanz: zwei Jahre fortgesetzter Katastrophe, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Yuval Abraham: Die „ungesetzliche“ Zivilbevölkerung, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Yuval Abraham: Krieg gegen die Zivilbevölkerung, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Simon Pearson: Die geplante Katastrophe: Gilbert Achcar zur Dialektik von Gaza, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Interview mit Salah Hamouri: Widerstand in Palästina, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Qassam Muaddi: Eine neue israelische Landkarte, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025).
Omar Barghouti: Zwanzig Jahre BDS, die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025). Auch bei intersoz.org.
Büro der Vierten Internationale: Eine weltweite Bewegung gegen den Völkermord in Palästina aufbauen, die internationale Nr. 5/2025 (September/Oktober 2025) (nur online). Auch bei intersoz.org.
 

Obwohl es sich eher um einen Verband, der die Einstellungen vermittelt, als um eine eigentliche Gewerkschaft handelt, ist die Compagnia seit langem eine wichtige Institution für die politische Organisation und Bewusstseinsbildung im weiteren Sinne. In der Nachkriegszeit gehörten ihre Führer und Mitglieder überwiegend der CGIL an, der mehrheitlich kommunistischen Gewerkschaft, und wählten nahezu geschlossen die Kommunistische Partei Italiens. Die Camalli haben nicht nur ihre eigenen Arbeitsbedingungen verbessert, sondern auch eine führende Rolle in den nationalen Widerstandsbewegungen gespielt. Im Juni 1960 beteiligten sie sich an der Besetzung der öffentlichen Plätze, um die neofaschistische MSI (Vorgängerin von Melonis Partei, die im Laufe der Zeit verschiedene Wandlungen durchlief) daran zu hindern, ihren Kongress in Genua abzuhalten. Der Aufstand, bei dem es zu blutigen Zusammenstößen mit der Polizei kam, führte zum Sturz der rechten Koalitionsregierung unter Tambroni. Die Hafenarbeiter von Genua blicken auch auf eine lange Tradition internationaler Solidarität zurück. Im Jahr 1973 entsandten sie ein mit Lebensmitteln und Gütern beladenes Schiff zur Unterstützung der Demokratischen Republik Vietnam – eine Aktion, die noch immer in der Stadt legendär ist. Außerdem blockierten sie Frachtschiffe, die amerikanische Truppen in Indochina und Pinochets Diktatur in Chile versorgten, und boykottierten das Apartheid-Regime in Südafrika.

Wie in vielen anderen Branchen haben technologische und soziale Veränderungen in den letzten Jahrzehnten auch die Arbeit in den Häfen verändert und das Kräfteverhältnis verschoben. Der Aufstieg der Containerschifffahrt revolutionierte die Logistik des internationalen Handels, und die Mechanisierung der Hafenanlagen reduzierte das Arbeitsaufkommen – in den 1970er Jahren gab es in Genua 8000 Hafenarbeiter, zwanzig Jahre später waren es nur noch 1000. In den 1990er Jahren ging eine Privatisierungswelle durch Italien, und die ligurischen Häfen wurden für private Unternehmen geöffnet, an die die Hafenbehörden – nun als eine Art öffentlicher Vermieter – Terminals vermieteten. Die neuen Vorschriften ermöglichten es diesen Unternehmen – in der Fachsprache „Terminalbetreiber“ genannt – eigene Mitarbeiter einzustellen, was den Status der Compagnia gefährdete, obwohl diese auf ihrer Position als Arbeitskräftevermittler beharrte: Wenn die Konjunktur brummt, können private Unternehmen nur auf CULMV-Mitglieder zurückgreifen.

Heute arbeiten im Hafen von Genua etwa 3400 Menschen, darunter 2300 Hafenarbeiter, die mit dem Be- und Entladen von Fracht befasst sind (etwa die Hälfte davon ist Mitglied der Gewerkschaft CULMV). Die Beschäftigung ist stabil und relativ sicher; die CULMV garantiert privaten Unternehmen Flexibilität und verhindert so die Ausbreitung von befristeten und schlecht bezahlten Jobs, die in anderen Branchen weit verbreitet sind. „Wir haben Handheld-Geräte und Computer, aber letztendlich besteht die Arbeit immer noch darin, Schiffe zu be- und entladen“, erklärt Riccardo Rudino: „In einem Hafen dieser Größe zählt nach wie vor die menschliche Arbeitskraft.“ „In der Stadt genießen Hafenarbeiter nach wie vor großes Ansehen“, erzählte mir Riccardo Degl’Innocenti, ein unabhängiger Forscher, der sich mit der Geschichte der Häfen beschäftigt.

Das Autonome Hafenarbeiterkollektiv ist sich seiner organisatorischen und strategischen Macht sehr bewusst, gerade angesichts der globalen Bedeutung seiner Arbeit (das Forschungszentrum Weapon Watch mit Sitz in Genua beschreibt Häfen als „das Herzstück des globalen militärisch-industriellen Systems“). Die Mitglieder sind stolz auf ihre Geschichte des kollektiven Kampfes. „Wie unsere Väter und Großväter wollen wir uns nicht am Waffenhandel (arms trafficking) mitschuldig machen“, sagt Rudino. Er verwendet bewusst das Wort „trafficking“, weil dies gegen italienische und internationale Vorschriften verstößt, ganz zu schweigen von den Prinzipien der Menschlichkeit und Solidarität.

Am Wochenende versammeln sich Hafenarbeiter aus ganz Europa und darüber hinaus – aus Marseille, Athen, Tanger – in Genua zum ersten internationalen Treffen der neu gegründeten Coordinamento Internazionale dei Portuali (Internationale Hafenarbeiterallianz). Die zweitägige Versammlung, die von der italienischen Basisgewerkschaft USB einberufen wurde und an der Delegierte verschiedener europäischer, nordafrikanischer und nahöstlicher Hafenarbeitergewerkschaften teilnehmen, hat zum Ziel, die Aktionen zur Verhinderung von Waffenexporten nach Israel zu koordinieren und eine strategische Reaktion auf die Drohnenangriffe auf die Flottille zu entfalten. Zu den Freiwilligen an Bord gehören auch Hafenarbeiter. Anfang dieses Monats wurde auf einer von CALP und USB organisierten öffentlichen Versammlung im Club der Hafenarbeiter von Genua, bei der der Generalstreik dieser Woche geplant wurde, per Videokonferenz Kontakt zu einem der Schiffe aufgenommen, die sich auf dem Weg nach Gaza befanden. „Hallo zusammen“: Ein lächelnder, müde aussehender junger Mann wurde auf eine große Leinwand projiziert. „Hallo Jose“, antworteten Dutzende Stimmen unter Applaus. Jose Nivoi ist Hafenarbeiter und Mitglied der CALP. „Die Stimmung ist gut. Zu wissen, dass ihr uns unterstützt, hilft uns“, sagte er zu den Anwesenden. Ein Arbeiter im Hafen von Livorno erklärte ins Mikrofon: „Wir mobilisieren nicht nur aus Solidarität mit dem leidenden palästinensischen Volk, sondern auch, weil wir wütend sind.“ Ein anderer Arbeiter fügte hinzu: Möge dies „der Beginn eines heißen Herbstes“ sein

26.9.2025
Mit freundlicher Genehmigung von Sidecar, dem Blog von New Left review
Marina Forti hat über 30 Jahre für die italienische Tageszeitung il manifesto gearbeitet und leitet die Journalismus-Schule der Fondazione Lisli e Lelio Basso-ISSOCCO in Rom.
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 6/2025 (November/Dezember 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz