Nahost

Abschiebung wegen Palästinasolidarität

Es trifft nicht nur pro-palästinensische Student:innen in den USA. Auch wer hierzulande oder in Griechenland gegen den Völkermord in Gaza aktiv wird, ist derzeit von der Abschiebung bedroht – ein beispielloser Schritt, um die Solidarität der Bevölkerung mit Palästina zu unterbinden.

Jodie Jones

Im April 2025 entschieden griechische Verwaltungsrichter, die Anhörungen von mir und acht weiteren europäischen Bürger:innen zu verschieben, denen wegen unserer Solidaritätsaktionen mit Palästina die Abschiebung droht. Wir neun wurden im Mai 2024 zusammen mit 19 griechischen Student:innen wegen der Besetzung der juristischen Fakultät in Athen verhaftet. Als die so genannte „Studentenintifada“ über den Globus schwappte und zu völlig überzogenen staatlichen Reaktionen führte, war Griechenland das erste Land in Europa, das Aktivist:innen ausweisen ließ.

Damals, 2024 wurden wir neun Nicht-Griechen ausgesondert, als „ausländische Agitatoren“ denunziert, in den Medien verleumdet, mit Abschiebungsbefehlen belegt und in einem Abschiebegefängnis festgehalten. Obwohl wir nach einem erfolgreichen Einspruch auf freien Fuß gesetzt und von den verschiedenen Anklagepunkten freigesprochen wurden, gehen die Gerichtsverfahren gegen Griechenland wegen der Repressionsmaßnahmen und der versuchten Abschiebung von uns neunen weiter.

Jetzt, fast ein Jahr später, und während ausländischen Studenten in den USA das gleiche Schicksal droht, kocht in Deutschland dasselbe Thema hoch. Im März erließ das Berliner Ausländeramt Ausreiseaufforderungen gegen vier nichtdeutsche Staatsbürger:innen aus Irland, Polen und den USA.

Wie The Intercept berichtet, zeigen E-Mails zwischen der Berliner Senatsinnenverwaltung und dem Ausländeramt, dass der ebenso hilflose wie rechtswidrige Versuch, die vier abzuschieben, den deutschen Staat bloß der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Da keine (aufenthalts)rechtliche Grundlage für diese Abschiebung gegeben war, wurden die Anordnungen vom Ausländeramt zunächst nicht unterzeichnet, bis Druck „von oben“ ausgeübt wurde. Am Freitag, den 11. April entschied allerdings ein deutsches Gericht gegen die Abschiebung eines irischen Angeklagten, da es dafür keine (verfassungs)rechtliche Grundlage gab.

Giovanni Fassina, Direktor des European Legal Support Centre (ELSC), sagte in einer Erklärung: „Die Dreistigkeit, mit der die deutschen Behörden das Recht beugen und aushöhlen, ist beschämend.“ Das ELSC ist eine in den Niederlanden ansässige juristische Organisation, die in Fällen von antipalästinensischer Repression auf dem gesamten Kontinent die Verteidigung übernimmt.

Das Gleiche spielte sich in Griechenland ab, wo der Staat mit ungekannter Härte juristisch vorging, um die zionistische Agenda durchzusetzen. Neben dem Entzug der Aufenthaltserlaubnis und der Einschränkung der Freizügigkeit stempelte der Staat uns alle neun auch als „Gefahr für die Staatssicherheit“ und als „unerwünschte Ausländer“ ab, um die Abschiebung zu beschleunigen und uns obendrein als gefährliche „ausländische Agitatoren“ zu diffamieren.

Die Kluft zwischen den strafrechtlichen Bestimmungen und dem unnachgiebigen Vorgehen der staatlichen Sicherheitsbehörden, das der üblichen und demokratischen Vorgehensweise diametral widerspricht, offenbart, wie weit der Einfluss der Zionisten reicht und zur Aushöhlung staatlicher Autonomie und bedingungslosen Kollaboration Europas mit einem völkermörderischen System führt. Das Vorgehen des griechischen Staates ist da bloß ein Beispiel für die Regierungen weltweit, die sich dem zionistischen Druck beugen und jede Form der Unterstützung der Bevölkerung für Palästina unterdrücken.

In einem Interview kommentierte der Berliner Rechtsanwalt Alexander Gorski das grob gesetzwidrige Vorgehen der US-amerikanischen und deutschen Behörden: „Was wir hier sehen, stammt direkt aus dem Handbuch der extremen Rechten … man kann es auch in den USA und in Deutschland sehen: Politischer Dissens wird zum Schweigen gebracht, indem man auf den Migrationsstatus von Demonstranten abzielt.“

Der letzte Punkt von Gorski ist von größter Bedeutung. Die Leichtigkeit und Geschwindigkeit, mit der scheinbar geschützte Rechte ausgehebelt werden, um eine beispiellose Repression zu ermöglichen, sollte jeden beunruhigen. Noch beunruhigender ist die Duldung anonymer „Befehle von oben“ in Verbindung mit der Bereitschaft, sich der zionistischen Agenda zu unterwerfen und sie durchzusetzen.

In Europa und insbesondere in Griechenland werden Abschiebungen seit langem zur Unterdrückung von Widerstand gegen Faschismus und Meinungsfreiheit eingesetzt. In Griechenland haben die antipalästinensischen Repressionen dazu geführt, dass Menschen heimlich und ohne Vorankündigung mit Strafen und Reiseverboten belegt wurden. In Athen erfuhren einige Mitglieder der Palästina-Solidaritätsbewegung, dass ihnen die Wiedereinreise in den Schengen-Raum untersagt wurde, nur weil sie mit den neun Deportierten in Verbindung standen.

Gegen zwei junge ägyptische Männer, die in Athen leben, wurden ebenfalls Ausweisungsverfügungen erlassen, nachdem zuvor mehrere Aktivist:innen aus rassistischen Motiven parallel zur Ankunft einer „israelischen“ Sportmannschaft im November 2024 verhaftet worden waren. Während die 14 anderen Personen anschließend freigelassen wurden, befanden sich die beiden Ägypter wochenlang in Verwaltungshaft. Sarkastischerweise handelt es sich bei den jungen Männern um Asylbewerber, die nach Griechenland gekommen sind, um der Verfolgung wegen ihrer Palästina-Politik in Ägypten zu entgehen.

Im Dezember 2024 wurde in Athen ein gemeinschaftlich erstelltes Wandgemälde enthüllt, mit dem an Baschar und Haitham, zwei Brüder aus dem Gazastreifen, erinnert wird. Baschar kam 2017 für zwei Jahre nach Griechenland, bevor er nach Schweden ging, um Asyl zu beantragen. Baschars Asylantrag wurde von den schwedischen Behörden abgelehnt und er wurde im September 2023 direkt zurück nach Gaza abgeschoben. Beide Brüder wurden während des völkermörderischen Kriegs nach dem 7. Oktober ermordet. Das Wandbild erinnert daran, wie mörderisch die Grenzen Europas sein können – sowohl durch direkte Gewalt an den Grenzen als auch durch die politische Abschottung der Festung Europa.

Wie wir in den USA sehen, erhöht sich der Druck auf ausländische Student:innen (vorwiegend) aus Ländern des Globalen Südens. Am 8. März nahmen Beamte der Einwanderungsbehörde (ICE) Mahmoud Khalil, einen in Syrien geborenen Greencard-Inhaber, wegen seiner Beteiligung an den Palästina-Protesten an der Columbia University fest. Die US-Regierung erklärte offen, dass Khalil das erste Opfer einer Kampagne sein würde, die darauf abzielt, Studenten aus Übersee wegen ihrer Palästina-Proteste rechtswidrig abzuschieben, unabhängig von ihrem Aufenthalts- oder Migrationsstatus.

Im Gegensatz zu dem o. g. in Deutschland verkündeten Urteil hat ein Gericht in Louisiana am 11. April die Abschiebungsverfügung gegen Mahmoud Khalil aufrechterhalten. Die Palästinensische Jugendbewegung verwies darauf, dass hier „Einwanderungsgesetze aus der Zeit des Kalten Krieges“ zur Anwendung kämen und die heftigen Repressionen die zentrale Bedeutung des palästinensischen Kampfes widerspiegelten: „Mahmouds Fall und alle anderen zeigen uns, dass die Solidarität mit Gaza im Zentrum des Kampfes gegen den Faschismus und für die Rechte der Migranten und der Demokratie steht“.

Die Genehmigung von Khalils Abschiebung schafft einen gefährlichen Präzedenzfall, der sich wahrscheinlich auf die zahlreichen ausländischen Student:innen auswirken wird, die seit Khalils Entführung am 8. März ebenfalls vom ICE kontaktiert, festgenommen, verschleppt und abgeschoben wurden. In allen Fällen wurden ihnen ihre offiziellen, vom US-Staat ausgestellten Visa und Aufenthaltsgenehmigungen entzogen, um die Abschiebung zu erleichtern. Dies verstößt elementar gegen den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit an sich.

Diese empörende Verletzung von Rechten und grundlegenden Schutzmaßnahmen ist nicht neu. Nicht-weiße, nicht-europäische Menschen werden seit langem verfolgt, einfach weil ihre Identität sie angreifbar macht für das rassistische Vorgehen bei Polizei, Grenz- und Verwaltungsbehörden in Europa, die zur Abwehr von „irregulären“ Flüchtlingen eingesetzt werden. Jetzt wendet sich diese Methode gegen jeden, unabhängig von Herkunftsland oder Hautfarbe, der es wagt, die Mitschuld der Staaten am Völkermord, der Besetzung und Kolonisierung Palästinas zu benennen. Dies zeigt sich in der zunehmenden Kriminalisierung der Palästina-Solidarität und der Palästinenser:innen nach dem 7. Oktober.

Einer der neun Deportierten in Griechenland, der sich geweigert hat, zu seiner Anhörung vor dem Strafgericht zu erscheinen, argumentiert, dass es keine legitime Grundlage für das Vorgehen der griechischen „Strafverfolgungsbehörden“ gibt, die mehrfach gegen ihre Solidaritätsaktionen vorgegangen sind:

      
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DOSSIER: Palästina, die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025).
 

„Als Gegner jeder Unterdrückung habe ich keinen Respekt vor der so genannten Autorität, den juristischen Verfahren oder der Rechtsprechung eines Staates, der massiv an der Beihilfe zum Völkermord in Gaza beteiligt ist. Während meiner Zeit in Athen habe ich Hunderte von Stunden in Polizeigewahrsam verbracht, weil ich mich mit der Sache und den Menschen in Palästina solidarisiert habe. Jede einzelne Festnahme war ein direkter Verstoß gegen meine Rede- und Versammlungsfreiheit, und das in einem Land, das lächerlicherweise als Geburtsort der Demokratie bezeichnet wird.“

Diese Aussagen werden von dem griechischen Anwaltsteam, das die neun Personen vertritt, bestätigt: „In den Fällen, in denen es Proteste wegen Palästina gab, hat die griechische Regierung schrecklich überreagiert und die Polizei unverhältnismäßig und gegen jedwedes demokratisches Verständnis des Protest- und Versammlungsrechts missbraucht“, sagte die Anwältin Annie Paparrousou in einem Interview nach der Gerichtsverhandlung an der Athener juristischen Fakultät am 13. März.

Und in Deutschland berichten Anwälte dasselbe. „Was wir sehen, sind die härtest möglichen Maßnahmen, basierend auf Anschuldigungen, die extrem vage und zum Teil völlig unbegründet sind“, erklärt Gorski.

In all diesen Abschiebungsfällen wurden die Schwächen einer Handvoll Menschen hinsichtlich ihrer Herkunft und ihres Aufenthaltsstatus ausgenutzt, indem sie als „zugereiste Agitatoren“ bezeichnet wurden, um eine Abschiebung durchzusetzen. Dies folgt einem abgedroschenen und vorhersehbaren Narrativ, das seit jeher zur Dämonisierung von Migranten und „unerwünschten Ausländern“ eingesetzt wird.

Diese kleinliche Haltung des Staates hat Wirkung und diese aggressive Vorgehensweise muss strikt bekämpft und die Verfolgten müssen unterstützt werden. Der Missbrauch von Macht und Steuergeldern durch die Regierung und diese Maßnahmen müssen von der Bevölkerung zurückgewiesen werden.

Jeder Abschiebungsbefehl offenbart nur die Schwäche und Feigheit jedes Landes, das bereit ist, derlei zu unterzeichnen. Und es zeigt einmal mehr: Staatliche Strukturen sind nicht dazu bestimmt oder in der Lage, Gerechtigkeit herzustellen oder die Demokratie aufrechtzuerhalten, sie greifen zu den gleichen faschistischen Methoden wie das repressive zionistische Regime.

Im Gegensatz zu den Menschen, die sich aufopferungsvoll für Palästina einsetzen, greifen die staatlichen Rechtssysteme – von der Polizei bis zu den Gerichten – zu juristischen Winkelzügen und „Gesetzesänderungen“, um die totale Kontrolle zu erleichtern. Als politisches Mittel, um die Palästina-Solidaritätsbewegung einzuschüchtern, wird die Abschiebung jedoch nicht funktionieren.

Ehrliche Aktivist:innen lassen sich nicht durch juristische Drohungen einschüchtern. Sie zeigen ihnen vielmehr, dass ihr Protest Wirkung zeigt und sie nutzen den Auftritt vor Gericht, um die unterdrückerischen Machtstrukturen zu demaskieren und zu bekämpfen. Legalität war noch nie ein moralischer Kompass in revolutionären Kämpfen, anders als bei den Staatsdienern, die durch Menschen in ihren Grundfesten erschüttert werden, die selbstorganisierte politische Aktionen für Palästina durchführen.

Aus: mondoweiss vom 21.4.2025
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2025 (Juli/August 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz