Sechsunfünfzig Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nehmen Stellung
Als besorgte Wissenschaftler unterstützen wir die Entscheidung der Partei Die Linke auf ihrem jüngsten Parteitag, die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) anzunehmen. Dieser Schritt unterstreicht das feste Engagement der Partei Die Linke, Antisemitismus zu bekämpfen und gleichzeitig die Grundfreiheiten zu schützen.
Die JDA wurde von renommierten Wissenschaftlern der entsprechenden universitären Fachrichtungen entwickelt, die über den Anstieg des Antisemitismus genauso tief besorgt sind wie über die Aushöhlung der Redefreiheit und anderer demokratischer Freiheiten.
Mittlerweile wird die JDA von rund 375 Wissenschaftlern, die meisten davon jüdisch und/oder israelisch, unterstützt, die auf Antisemitismus, jüdische Geschichte, Rassismus, Geschichte des Nahen Ostens und andere relevante Bereiche spezialisiert sind. Dementsprechend verfügt die JDA über die Autorität einer echten Expertenmeinung.
Die JDA ist eine direkte Antwort auf die Mängel der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus. Weltweit besteht breiter wissenschaftlicher Konsens darüber, dass es der IHRA-Definition an Klarheit mangelt und sie eher als politisches Instrument eingesetzt wird, statt als pädagogisches Hilfsmittel und als präzise Definition von Antisemitismus zu dienen.
Dass die IHRA-Definition von Regierungen angenommen wurde, ist weitgehend Ergebnis politischer Kampagnen von Akteuren im Einklang mit der israelischen Regierung. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass antisemitische Äußerungen oder Gewalttaten seither und deshalb zurückgegangen sind. Es gibt jedoch ausreichend Belege dafür, dass die IHRA-Definition von illiberalen Kräften instrumentalisiert wird, um bürgerliche Freiheiten und Menschenrechte zu untergraben.
Unterzeichner:innenOmer Bartov (Dean’s Professor of Holocaust and Genocide Studies, Department of History, Brown University), Doris Bergen (Chancellor Rose and Ray Wolfe Professor of Holocaust Studies, University of Toronto), Louise Bethlehem (Associate Professor, The Hebrew University of Jerusalem), Avraham Burg (former chairman of the Jewish Agency for Israel and former speaker of the Israeli parliament Knesset), Naomi Chazan (Professor Emerita of Political Science, Hebrew University of Jerusalem; former Member of Knesset for Meretz), Deborah Dwork (Professor, Director, Center for the Study of the Holocaust, Genocide and Crimes Against Humanity, City University of New York) Die vollständige Liste der Unterzeichnenden hier. |
Während die IHRA-Definition Kritik an Israel und Antisemitismus vermischt, unterscheidet die JDA prinzipiell zwischen diesen Phänomenen und zeigt gleichzeitig auf, wo sie sich potenziell überschneiden.
Wir sind daher der Meinung, dass die JDA einen besseren Rahmen bietet, um strittige Fragen zu erörtern. Denn sie stellt ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen dem Kampf gegen Antisemitismus einerseits und der Wahrung der Redefreiheit und anderer demokratischer Freiheiten andererseits her. Dieses Gleichgewicht ist für eine glaubwürdige und wirksame Bekämpfung des Antisemitismus unerlässlich.
Wir sind nicht der Meinung, dass Definitionen als Regulierungs- und Disziplinierungsinstrumente dienen sollten – diese Rolle sollte ausschließlich Recht und Gesetz zukommen. Der Zweck von Definitionen besteht vielmehr darin, Orientierung zu bieten und als pädagogisches Hilfsmittel zu dienen, da die Realität immer viel komplexer ist als Definitionen es sein können.
Vor diesem Hintergrund unterstützen wir die Annahme der JDA durch die Partei Die Linke voll und ganz, da sie genau die Orientierung bietet, die jetzt nötig ist. Wir ermutigen Die Linke, selbstbewusst zu dieser Entscheidung zu stehen, die ein tieferes und breiteres Nachdenken in Deutschland darüber anregen sollte, wie Antisemitismus am besten bekämpft werden kann.
16. Mai 2025 |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2025 (Juli/August 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz