Laurent Ripart
Der Begriff der „Blöcke“ geht auf die Konferenz von Jalta zurück, wo die Sowjetunion, England und die USA Europa unter sich „aufteilten“. Auf den sowjetischen Block entfielen dabei Länder, die im Krieg besiegt oder verwüstet worden waren und aus denen die UdSSR einen Sicherheitsgürtel schmieden wollte, der sie vor erneuten Aggressionen durch die kapitalistischen Mächte, die Westeuropa beherrschten, schützen sollte.
Der Ostblock entstand aus den Ruinen besiegter und durch den Krieg traumatisierter Länder. Darunter waren Länder wie Rumänien, Ungarn und Bulgarien, die zuvor als Satellitenstaaten von Nazi-Deutschland fungiert hatten. Diese Länder mussten der UdSSR erhebliche Reparationszahlungen leisten, wurden ihrer Souveränität beraubt und unter die Verwaltung der Sowjetarmee gestellt, wo sie willkürlichen Strafmaßnahmen ausgesetzt waren. Andere Länder, wie die Tschechoslowakei oder Polen, waren von den deutschen Armeen verwüstet worden, bevor sie von den sowjetischen Armeen befreit wurden, die bei dieser Gelegenheit gleich einen großen Teil deren Territoriums annektierten und sie ihrer Herrschaft unterwarfen. Die DDR wiederum entstand aus der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone in Deutschland und unterlag einem besonders strengen Besetzungs- und Strafregime.
Der Sowjetblock war also zunächst und in erster Linie als eine Besatzungszone konzipiert, auf dem die Sowjetunion ihren imperialistischen Zugriff mit dem Kriegsrecht begründet hatte. Die Bildung kommunistischer Regierungen war daher nicht das Ergebnis einer sozialen Revolution, sondern des Willens Stalins, die Macht den Parteien anzuvertrauen, die er kontrollierte, und zwar umso mehr, als ihre Führung während des Krieges im Exil in Moskau gelebt hatte. Die sozialistischen Regime der östlichen Länder entstanden daher nicht aus einem revolutionären Prozess heraus, in dem sich die Arbeiterklasse der Produktionsmittel bemächtigt hatte, sondern durch die Auferlegung des stalinistischen Modells von oben: Überall wurden die Ländereien nach dem sowjetischen Modell kollektiviert, die Industrie nach den in der Sowjetunion geltenden Maßstäben organisiert und die Gesellschaft durch die Errichtung eines Polizeiterrorregimes gebrochen.
Die einzigen echten Ausnahmen von dieser Regel bildeten Jugoslawien und Albanien, wo es dem von den Kommunisten dominierten Widerstand gelungen war, sich selbst zu befreien, um dann einen stark nationalistisch geprägten Sozialismus zu etablieren. Dank dieser historischen Umstände konnten diese beiden Länder ihre Souveränität bewahren und mit Moskau – Jugoslawien 1948 und Albanien 1960 – brechen. Die anderen Länder des sozialistischen Blocks jedoch, deren Führer bedingungslose Loyalität gegenüber der UdSSR und Stalin geschworen hatten, der wiederum die „befreundeten“ Parteien regelmäßig säuberte, um deren Führungen durch Terror an der Macht zu halten, hatten diese Möglichkeit nicht. Mit der Entstalinisierung wurde die sowjetische Herrschaft flexibler, wobei die Sowjets Polen beispielsweise erlaubten, fast alle landwirtschaftlichen Genossenschaften in den 1950er Jahren aufzulösen, oder Ungarn, in den 1970er und 1980er Jahren eine Wirtschaft zu entwickeln, die weitgehend auf dem Markt und kleinen Privatunternehmen basierte. In den wesentlichen Belangen jedoch gaben die Sowjets nie nach: Die Blockstaaten genossen nur eine begrenzte Souveränität, um somit die sowjetische Hegemonie nicht infrage zu stellen.
Vor allem kam die sowjetische Hegemonie in der militärischen Integration der Blockstaaten zum Ausdruck, da deren Armeen im Rahmen des Warschauer Vertrages (1955) de facto dem sowjetischen Kommando unterstellt waren. Auch die Diplomatie wurde an den russischen Interessen ausgerichtet, beispielsweise beim Abstimmungsverhalten in der UNO entlang der russischen Vorgaben. Das gleiche galt bei der wirtschaftlichen Integration: Durch den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, gegr. 1949) waren die östlichen Länder integraler Bestandteil der sowjetischen Planwirtschaft, in die sie durch ein eng an den russischen Interessen orientiertes Handelssystem eingebunden waren.
Dem Wirtschaftssystem nach waren die Ostblockstaaten daher sozialistisch, aber dieser Sozialismus bestand nur auf dem Papier. Statt im Besitz der Lohnabhängigen zu sein, befanden sich die großen Unternehmen faktisch in den Händen einer kleinen, bürokratischen Schicht, die die Wirtschaft unter der Kontrolle und zum Vorteile der UdSSR verwaltete. Hierbei ging es beileibe nicht um die Bedürfnisse der Bevölkerung. Der wirtschaftliche Schwerpunkt lag vielmehr in der Entwicklung der Schwerindustrie, was letztlich zu einer Mangelwirtschaft führte, in der die Bevölkerung weitgehend der grundlegenden Verbrauchsgüter beraubt war.
Die Bevölkerung dieser Länder hat sich nie damit abgefunden, wieder im Völkergefängnis zu sitzen, dessen Bestand nur durch polizeiliche Repression und v. a. regelmäßige Militärintervention seitens der Sowjets gesichert werden konnte, sobald sich die Bevölkerung gegen das eigene Regime erhob. So musste 1953 die Sowjetarmee in der DDR eingreifen, um den Aufstand des Berliner Proletariats blutig zu ersticken. 1956 wurde die ungarische Revolution unterdrückt und dabei die Führung der ungarischen KP liquidiert, weil sie den Erwartungen der Bevölkerung nicht entsprochen hätte. Und 1968 drangen die russischen Panzer in die Tschechoslowakei ein und installierten ein Besatzungsregime.
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In der 40-jährigen Ära des Sowjetblocks leistete die Bevölkerung permanent Widerstand. Davon zeugt die Geschichte Polens, die von aufstandsartigen Massenstreiks durchzogen war (1956, 1970, 1980) und wo das Regime 1981 gar das Kriegsrecht ausrufen musste, um eine erneute sowjetische Intervention zu verhindern. Dieser Widerstand kam auch in den massiven Fluchtwellen zum Ausdruck. So sank die Einwohnerzahl der DDR durch „Republikflucht“ trotz der damit verbundenen Gefahren zwischen 1950 und 1990 von 18,3 auf 16 Millionen.
Dieser Widerstand ging bezeichnenderweise vom Proletariat aus. Die Arbeiterklasse bildete das Rückgrat der Aufstände und ihre Handlungsfähigkeit war deswegen so groß, weil durch den Ausbau der Schwerindustrie starke Arbeiterbastionen entstanden waren. Von der DDR bis nach Polen gab es Aufstände gegen die Sowjets, die von Arbeiterstreiks gegen den mörderischen Akkord und für die Verkürzung der Arbeitszeit und Lohnerhöhungen, aber auch für das Recht auf Streiks und unabhängige Gewerkschaften ausgingen. Diese Konstellation hat die Marxist*innen stets vor ein theoretisches Problem gestellt, nämlich den gesellschaftlichen Charakter dieser Regime zu definieren, die zwar infolge der Führungsrolle der Kommunistischen Parteien ihren Ursprung im Proletariat hatten, dieses aber nicht weniger ausbeuteten als zuvor. Und darin liegt der Kern des Problems: Ihrer demokratischen Rechte beraubt und zu harter Arbeit bei Hungerlöhnen verdammt, hat sich die Arbeiterklasse praktisch überall gegen diese Regime gestellt, die ganz offensichtlich nicht die ihren waren.
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 6/2019 (November/Dezember 2019). | Startseite | Impressum | Datenschutz