Griechenland

„Nein zur Sparpolitik, Nein zum dritten Memorandum, Nein zum Neoliberalismus!“

Der Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Volkskräfte, der Kampf der Linken kann den alternativen Weg öffnen, mit einer Politik des Übergangs zur sozialistischen Emanzipation.
SYRIZA kann nicht und darf nicht in eine Partei des Memorandums verwandelt werden.

Kokkino Diktyo


1.
Die Unterzeichnung des Abkommens mit den „Institutionen“, die Unterzeichnung des dritten Memorandums [nach denen von 2010 und 2012] durch die Regierung von SYRIZA ist ein schockierendes Faktum, das alle Koordinaten der Situation ändert.

Das Abkommen zielt auf die sozialen Rechte, die nach dem Ansturm durch das erste und zweite Memorandum noch übrig sind, und schafft Mechanismen der Überwachung, Mechanismen einer unkontrollierten Förderung von Privatisierungen und Mechanismen automatischer Kürzungen von Sozialausgaben, die die Hoffnung, dass dieses Memorandum, wenn es abgestimmt und akzeptiert wird, während seiner Anwendung modifiziert werden könnte und es möglich sei, ihm ein gewisses „menschliches Gesicht“ zu geben, in kindliche Naivität verwandelt.

Dieses Abkommen schafft einen neuen Kontext von Herausforderungen für den sozialen Widerstand, der früher oder später entstehen wird, wie im Fall der ersten beiden Memoranden. Und diesmal werden sich die Kämpfe der Arbeitenden gegen eine Regierung richten, in die die Menschen ihre Hoffnung gesetzt haben und der sie ihre Stimme gegeben haben.

Die Annahme dieses Abkommens schafft offensichtliche Gefahren für die Partei SYRIZA, die auf der Basis einer wirksamen Opposition gegen die Sparpolitik der Memoranden gegründet worden ist. Und heute fordert man von ihr, sich in eine Kraft der Rationalisierung eines neuen und harten Memorandums zu verwandeln, in eine Kraft, die die Sparpolitik akzeptiert, zumindest, so sagt man, für eine gewisse Zeit im Namen des Überlebens einer ... Regierung der Linken.


2.
Die Unterzeichnung des dritten Memorandums wird von der SYRIZA-Führung als Resultat einer brutalen Erpressung präsentiert. Es handelt sich um eine Anpassung an das „Es gibt keine Alternative“.

Kritische Verantwortlichkeiten und schlechte Entscheidungen werden so abgemildert. Wie die Idee, dass wir die Sparpolitik in einem Rahmen der Tolerierung des Euro dank der Verhandlungen und mittels des Konsenses der europäischen Führungen erreichen könnten. Ebenso wie die Politik der Regierung, die an der „inneren Front“ [in Griechenland] jede Umkehr gegen die Wirtschaftseliten eingefroren hat, und sich verpflichtet hat, „einseitige Handlungen“ zu vermeiden, indem sie versucht hat, die „Institutionen“ zu beschwichtigen und die Erlangung eines „ehrbaren Kompromisses“ zu ermöglichen. Wie das Abkommen vom 20. Februar 2015, das die Regierung auf den Weg einer selbstmörderischen Politik der Zahlung des Schuldendienstes verpflichtete, „vollständig und rechtzeitig“, was zur radikalen Reduktion der Ressourcen des Staates führte.

Diese Aktionen und diese Brüche haben die Regierung blockiert und sie in dieses tödliche finale Dilemma geführt. Und angesichts dieses Dilemmas hat sie nicht die Kraft finden können, die versprochene Antwort zu liefern: Wenn wir aufgerufen sind, zwischen einem Grexit und einem neuen Memorandum zu wählen, müssen wir das neue Memorandum ablehnen.


3.
Im Hintergrund dieses Dilemmas befinden sich ständig irrige Urteile (beispielsweise hinsichtlich des Prozesses der „Vertiefung“ der Europäischen Union), aber auch strategische Entscheidungen (wie der Übergang von der Losung des SYRIZA-Parteitags „Kein Opfer für den Euro“ zu der der ehrerbietigen Verhandlung – „den Euro zu jedem Preis“).

Aber auch die Auffassung, wonach die Regierung der Linken ein Selbstzweck ist und nicht so sehr ein Mittel, das uns nicht in die Opposition zu unserer eigenen sozialen Basis bringen darf.

 

Im Hintergrund finden sich dieselben ideologischen und politischen Merkmale der modernen europäischen Linken, die, obwohl sie auf dem Gründungsparteitag von SYRIZA einmütig abgelehnt wurden, im Strudel der Konfrontation mit den Gläubigern an die Oberfläche gekommen sind.


4.
Das Abkommen mit den Gläubigern kann nicht akzeptiert werden. SYRIZA muss die Kraft finden, es zu verhindern und zu durchkreuzen. Es ist offensichtlich, dass dies nur dank einer entscheidenden Unterstützung durch die Arbeitenden, die Erwerbslosen, die verarmten Schichten möglich wäre.

Diese haben mit stolzen 62 % NEIN gesagt und sich bereit gezeigt, den Weg des Umschwungs einzuschlagen. Das NEIN kam als Antwort auf eine beispiellose Welle der Erpressung mit der Drohung, aus der Eurozone hinausgeworfen zu werden. Und dennoch blieben die Leute standhaft. Es war buchstäblich die Missachtung ihres Widerstands, wenn suggeriert wurde, dass das NEIN nicht ein Mandat für einen Bruch bedeutet. Und mehr noch, es gab den plötzlichen Wechsel zugunsten des JA, das Zusammengehen im Rat der „nationalen Einheit“ [am 6. Juli] seitens der politischen Führungen von SYRIZA, ND, PASOK, To Potami, es gab das Zusammengehen mit dem politischen Spektrum, das schließlich aus Prinzip dem Abkommen zustimmte, dabei wurde der politischen Geometrie des Referendums, aber auch der vorausgegangenen Jahre, auf der ganzen Linie Gewalt angetan.

Es ist offensichtlich, dass die notwendige Wende zu einer Politik gegen das dritte Memorandum auf die Kräfte des NEIN zählen muss, die Komitees des NEIN, die überall aufgebaut werden müssen.


5.
Aus diesem tragischen Zyklus von Verhandlungen müssen wir politische Schlussfolgerungen ziehen. Über den Kampf gegen die Sparpolitik müssten und müssen die Arbeitenden und die Regierung die Kräfte vorbereiten, die für einen Sieg sorgen können. Und dazu gehört jetzt offensichtlich die Etappe des Bruchs mit dem Euro und der EU, unter der Führung der Arbeiterbewegung und der Linken.

Es handelt sich um eine Politik, die sich radikal von den Drohungen unterscheidet, die Schäuble ausstößt: Grexit als vorübergehender Ausschluss, extreme Sparpolitik als Bedingung für die Konsolidierung des griechischen Kapitalismus, Reintegration in den Euro nach dieser „Behandlung“. Stattdessen muss die Linke den Konflikt mit der Eurozone in den Rahmen eines Projekts gegen die Sparpolitik, einer antikapitalistischen Politik, eines Übergangs zu einer sozialistischen Perspektive einbinden.


6
. Aus dieser Periode geht SYRIZA als Partei zutiefst beschädigt heraus. Ihre kollektive und demokratische Funktionsweise, wie sie im Text der 109 Mitglieder [von 201] des Zentralkomitees gefordert wird, ist eine Vorbedingung jedes Neuaufbaus.

      
Mehr dazu
Ligue Communiste Révolutionnaire / Socialistische Arbeiderspartij (Belgien): Die Machtprobe in Griechenland und
die Dringlichkeit einer linken Strategiedebatte
, Inprekorr Nr. 5/2015 (September/Oktober 2015) (nur online)
Daniel Tanuro: Grexit – für einen Tabubruch in der linken Debatte!, Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online)
Kokkino Diktyo: Kein neues Memorandum in unserem Namen!, Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online)
Andreas Sartzekis: Alexis, was hast du aus unserem Sieg gemacht?, Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online)
Léon Crémieux: Tsipras beugt sich der Arroganz der Troika, Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online)
Cédric Durand: Der griechische Scheideweg, Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online)
 

Dies ist für den Kampf für die unerlässliche Wende nach links unabdingbar.


7.
Ein Teil von SYRIZA hofft einen Ausweg in den Wahlen zu finden, nachdem er die Zustimmung zum dritten Memorandum „lanciert“ hat. Dies ist eine tragische Illusion. Die Gläubiger und ihre Verbündeten im Land werden fordern, dass man die Verantwortung für die Anwendung des Abkommens vollständig auf sich nimmt; sie haben die „Freiheit“ von Alexis Tsipras, sich im September oder Oktober der Urnen zu bedienen, bereits in Frage gestellt.

Umgekehrt: Nachdem sie das Abkommen akzeptiert hat, ist die einzige „Anordnung“, auf die die SYRIZA-Führung noch Anspruch erheben kann, eine bessere Durchführung der Politik, die das Memorandum beinhaltet. Und in diesem Fall kann die Antwort der arbeitenden Bevölkerung, wie der Niedergang von DIMAR gezeigt hat, sich deutlich von dem unterscheiden, was die aktuellen Umfragen vorhersagen.

Der einzige Ausweg für SYRIZA ist die Ablehnung des Abkommens, der Kampf für seine Annullierung, zusammen mit den Arbeitenden, in den lebendigen Kämpfen, in den politischen Konflikten – wie in den vergangenen zehn Jahren.

Erklärung der Versammlung des Kokkino Diktyo sto Syriza (Rotes Netzwerk in Syriza) am 18./19.7.2015
Aus dem Französischen übersetzt von hgm



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr Nr. 4/2015 (Juli/August 2015) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz