Am 28. Februar d. J. wurde Griechenland von einem politischen Generalstreik lahmgelegt, wie ihn das Land seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat.
Manos Skoufoglou
Der 28. Februar war ein historischer Tag für Griechenland. Der Generalstreik war die größte Mobilisierung mindestens seit dem Sturz der Militärjunta 1974, wenn nicht überhaupt in der Geschichte Griechenlands. Unvergleichlich große Kundgebungen gab es in mehr als 260 Städten, darunter Dutzende im Ausland, bis nach Argentinien, Südkorea und Australien.
![]() „Ich habe keinen Sauerstoff“ Zentrale Parole der Proteste 2025 für Gerechtigkeit für die Opfer des Eisenbahnunglücks (Foto: NikosLikomitros, PD) |
An dem nämlichen Tag zwei Jahre davor hatte ein schwerer Zusammenstoß zwischen einem Personenzug und einem Güterzug den Tod von 11 Beschäftigten und 46 Passagieren, hauptsächlich Jugendlichen, zur Folge. Es war das Ergebnis eines langen Zerfallsprozesses, der mit dem Verkauf der staatlichen Eisenbahngesellschaft an die italienische Ferrovie di Stato Italiano zusätzlich Fahrt aufgenommen hatte. Die Privatisierungspolitik war Teil der wirtschaftlichen Anpassungsprogramme, die den griechischen Regierungen durch IWF und EU diktiert worden waren. Damals gab es ebenfalls große Demonstrationen und es wurden auch zwei massive Generalstreiks organisiert. Die Gewerkschaftsbürokratie, einschließlich der Kommunistischen Partei, weigerte sich jedoch, zu weiteren Streiks aufzurufen, woraufhin die Massenbewegung versackte. Wenige Monate später wurde die rechte Regierung mit einem überwältigenden Ergebnis von 41 % wiedergewählt, was in weiten Teilen der Linken zu erheblicher Frustration führte. Sie erkannten nicht, dass die Wut noch nicht so schnell im gesellschaftlichen Bewusstsein zum Ausdruck kam. Aber die Saat war gelegt worden.
Vor kurzem wurde ein eindeutiger Fall von Vertuschung aufgedeckt, einschließlich des Verschwindenlassens von Beweisen, die das Unternehmen und die Staatsbeamten bloßstellen könnten. Am 26. Januar rief die Vereinigung der Eltern der Opfer zu einer Kundgebung vor dem Parlament auf, an der mehrere Tausend Menschen in mehr als 200 Städten in Griechenland und im Ausland teilnahmen. Damit wurde die politische Tagesordnung im Land durcheinandergewirbelt. Der Nationale Verband der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und radikale Gewerkschaftsgliederungen der unteren und mittleren Ebene in der Privatwirtschaft riefen zum Streik am Jahrestag des Unglücks auf. Zunächst weigerte sich die Bürokratie des Nationalen Gewerkschaftsbundes des Privatsektors, sich diesem Aufruf anzuschließen, doch der Druck von unten erwies sich bald als zu stark. Die Bürokraten waren gezwungen umzuschwenken, und so wurde der 28. Februar zu einem Tag des allgemeinen Generalstreiks.
Schon in der Vorbereitung des Streiks wurde klar, dass die Beteiligung außergewöhnlich hoch sein würde. Überhebliche und respektlose Äußerungen der Regierungsspitze machten die Situation noch explosiver. Der Vulkan brach aus. Fast niemand ging zur Arbeit, und fast nichts funktionierte. Die Beteiligung an den Demonstrationen in den großen Städten wird auf 25 bis 40 % der erwachsenen Bevölkerung geschätzt, mit einem sehr hohen Anteil an Jugendlichen. In Athen gelang es der massiven Polizeirepression stundenlang nicht, die Menge zu zerstreuen.
Für die demokratischen Forderungen nach Gerechtigkeit mobilisierten sich viele kleinbürgerliche Schichten. Eine wichtige Rolle spielte jedoch die Arbeiterklasse. Die meisten Opfer gehörten der Arbeiterklasse an, da angesichts des miserablen Zustands der Eisenbahn im Land vor allem Arbeiter:innen und Studierende mit dem Zug reisen. Die aufgestaute Wut über die Reallohnverluste der Arbeiterklasse hat die Explosion befördert. Die Gewerkschaften waren – zusammen mit der Elternvereinigung – die Organisatoren, im Unterschied also zur Indignados-Bewegung [in Spanien], wo viel Mühe darauf verwendet werden musste, dass sie sich den organisierten Arbeiter:innen zuwandte. Hier gelang dies trotz der verräterischen Rolle der nationalen Gewerkschaft der Eisenbahner, die vollständig von der Regierung kontrolliert wird, im Gegensatz zur Basisgewerkschaft der Lokführer, die von Anfang an zum Streik aufgerufen hatte. [1]
In den letzten Tagen hat die Regierung von Mitsotakis ihren Kurs geändert. Sie bezeichnet den Streik als einen Tag der nationalen Trauer, der nicht von der Opposition ausgenutzt werden dürfe. Aber es ist zu spät. Die Regierung hält nur deswegen zusammen, weil es keine glaubwürdige Opposition gibt. Es wäre sehr schwierig, einen zweiten Streik zu überstehen.
Alle Oppositionsparteien, von der extremen Rechten bis zur Linken, unterstützen die Bewegung, zumindest in Worten. Die extreme Rechte profitiert zwar von der Regierungskrise, ist aber nicht in der Lage, eine aktive Rolle bei den Mobilisierungen zu spielen. Im Januar tauchten vor Beginn der Kundgebung einige rechtsextreme Transparente auf, verschwanden dann aber. Bei dem Streik war die extreme Rechte nicht dabei, es sei denn verdeckt. In einigen Fällen wurden Faschisten, die in der Menge erkannt wurden, von Aktivist:innen angegriffen. Nur wenn die Massenbewegung eine Niederlage erleidet, wird die extreme Rechte die Möglichkeit haben, die Wut in eine reaktionäre Richtung zu lenken.
Es waren also die Transparente und Fahnen der Linken, die man auf der Kundgebung sehen konnte. Aber es ist auch wahr, dass keine parlamentarische, Mitte-links- oder reformistische Partei den Anforderungen genügt. SYRIZA ist nicht glaubwürdig, denn es war die SYRIZA-Regierung, die die Eisenbahn privatisiert hat. Zwar hat sich die sozialdemokratische PASOK in den letzten Jahren etwas erholt, aber sie scheint nicht von der Bewegung zu profitieren. Außerdem ist sie die einzige Partei, die für jeden einzelnen Sparpakt in der griechischen Krise gestimmt hat. Die populistische Partei von Konstantopoulou, eine Abspaltung von SYRIZA, gewinnt in den Meinungsumfragen an Boden, hat aber absolut keine aktiven Kräfte in den Gewerkschaften und in der Massenbewegung. Die KP verfügt zwar über beträchtliche Kräfte, aber sie weigert sich, irgendeine radikale Forderung zu unterstützen, etwa den Rücktritt der Regierung (der sogar von der PASOK gefordert wird) oder die Verstaatlichung der Eisenbahnen.
Keine Partei führt wirklich die Opposition an. Die derzeitige Zersplitterung des politischen Systems, die an die ersten Jahre der Krise erinnert, birgt neue Chancen.
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Unabhängige antikapitalistische und revolutionäre Organisationen haben zwar nur begrenzte Kräfte, sie spielen aber eine wichtige Rolle. Wichtig war vor allem ihr Druck auf die Gewerkschaften. Bei der Kundgebung standen sie gut platziert in der vordersten Reihe vor dem Podium. Sie betonen die Notwendigkeit, jetzt weiterzumachen, und vermeiden angesichts des großen Pluralismus der Mobilisierungen eine sektiererische Haltung. Sie behalten eine unabhängige Perspektive bei, indem sie versuchen, eine radikalere Ausrichtung in die Massenbewegung einzubringen und ihren Klassencharakter zu stärken sowie die Selbstorganisation zu befördern. Um diese Rolle zu spielen und den Reformist:innen die Führung streitig zu machen, müssen wir jedoch unsere eigene Beschränktheit, die programmatischen Unzulänglichkeiten, Zögerlichkeiten und Routinen überwinden.
Wir brauchen neue Meilensteine. Der erste ist der Frauentag [2], der diese Rolle bereits 2023 gespielt hat, als er die Gewerkschaften und die Massen mobilisiert hat. Sodann brauchen wir einen neuen Generalstreik. Anknüpfend an ähnliche Erfahrungen in der Vergangenheit geht es darum, lokale Volksversammlungen in den Stadtvierteln und Einheitsfrontkomitees der Arbeiter:innen in den Betrieben aufzubauen. Die Bewegung muss klare Forderungen aufstellen: Schluss mit der Regierung, Verstaatlichung der Eisenbahnen unter Arbeiterkontrolle, sichere öffentliche und billige Verkehrsmittel, Stopp der Privatisierungen. Und schließlich brauchen wir eine Orientierung, die dieses Mal weiter geht als das Setzen auf eine Regierung der institutionellen Linken, die nur zu Massenenttäuschungen führen wird.
7.3.2025 |
Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 3/2025 (Mai/Juni 2025). | Startseite | Impressum | Datenschutz