Ökosozialismus

Zur Entwicklung eines ökosozialistischen Programms

Dieser Text – unter dem vollständigen Titel „Zur Entwicklung eines ökosozialistischen Programms angesichts der notwendigen Reduzierung der globalen materiellen Produktion“ – war einer von dreien, die zur Eröffnung einer Diskussion über die internationale Lage auf der Sitzung des Internationalen Komitees im Februar 2022 vorgelegt wurden. Zusammen bilden sie die Grundlage für unsere weitere Ausarbeitung. [1]

Ökologiekommission der IV. Internationale

Die ökozidale Akkumulation des Kapitals bedroht die Bedingungen menschlichen Lebens auf dem Planeten. Dies wird durch die Covid-Pandemie insofern bestätigt, als der Anstieg der Zoonosen in den letzten vierzig Jahren der Zerstörung der Ökosysteme geschuldet ist.


1. Die Notbremse ziehen


Die ökologischen Grenzen auf der Erde sind für eine nachhaltige menschliche Entwicklung in mehreren Bereichen (Klima, Biodiversität, Stickstoff und Bodennutzung) überschritten. Bei der Verschmutzung durch Chemikalien und Kunststoffe werden sie gerade überschritten. Gleichzeitig herrscht große Unsicherheit bei anderen Schlüsselfaktoren für Nachhaltigkeit (Süßwasserressourcen, Feinstaubbelastung, Phosphorkreislauf usw.). Der kapitalistische Fortschritt stand schon immer im Widerspruch zu einer vernünftigen Steuerung des Stoffaustauschs der Menschheit mit der übrigen Natur, doch die derzeitige Situation ist beispiellos. Der grundsätzliche Produktivismus des Systems (der zwangsläufig Konsumismus mit sich bringt) ist zu einer die Erde zerstörenden Kraft geworden und hat sie in ein neues geologisches Zeitalter geführt: das Anthropozän. Die Gefahren sind enorm, doch das Kapital setzt seinen Kurs entgegen allen wissenschaftlichen Mahnrufen fort. Die Katastrophe spitzt sich zu. Auf der einen Seite trifft sie immer härter die unteren Schichten der Bevölkerung, vor allem im Globalen Süden. Auf der anderen Seite nutzen die Besitzenden die ökologische Krise, um ihre Privilegien schamlos zu vermehren, wobei sie zu deren Verteidigung zunehmend auf Gewalt setzen. Eine neue extreme Rechte setzt als „Ausweg“ aus der ökologischen Krise auf die Eliminierung der Armen. Es wächst das malthusianische Gespenst eines Absturzes in die Barbarei. Nur konvergierende Kämpfe der Ausgebeuteten und Unterdrückten können dies verhindern. Diese Kämpfe werden jedoch in wachsendem Maß von der ökologischen Krise bestimmt, die objektiv eine radikale Reduzierung des Material- und des Gesamtenergieverbrauchs erfordert. Diejenigen, die für Emanzipation kämpfen, müssen daraus die erforderlichen Konsequenzen ziehen. Deshalb muss die alte Perspektive, die darin bestand, „die kapitalistischen Hindernisse für die (quantitative) Entwicklung der Produktivkräfte zu beseitigen“, explizit aufgegeben werden. In der Ära des Anthropozäns muss der Antikapitalismus die zerstörerische Kraft des kapitalistischen Produktivismus, seinen Extraktivismus, seinen Kolonialismus und die patriarchale Ideologie der „Herrschaft über die Natur“ brechen. Wir müssen die Notbremse ziehen, um sowohl die sozialen Ungleichheiten zu bekämpfen als auch den Weg für eine qualitative Entwicklung zu ebnen, die sich mittels Befriedigung realer menschlicher Bedürfnisse auf die Menschen konzentriert. Heute sind die Bedürfnisse durch die Warenwirtschaft entfremdet. Es geht darum, sie demokratisch zu bestimmen und gleichzeitig mit Umsicht die Ökosysteme zu respektieren.


2. Das Fiasko kapitalistischer Politik


Die globale Erwärmung beeinflusst den Großteil der kapitalistischen Umweltzerstörung und beschleunigt sich. Dadurch droht eine rasche Umwälzung, die das Leben von Hunderten Millionen Menschen, die Lebensbedingungen von einigen Milliarden Menschen und das Überleben von Ökosystemen, die das Produkt von Millionen Jahren Naturgeschichte sind, gefährdet. Klimaforscher schlagen seit über 30 Jahren die Alarmglocken, aber die kapitalistischen Entscheidungsträger haben nichts unternommen, um die Katastrophe zu verhindern oder auch nur einzudämmen. Schlimmer noch, ihre Klimapolitik verschärft die Ungleichheiten zwischen Nord und Süd sowie zwischen Arm und Reich innerhalb der Länder. Die Treibhausgasemissionen nehmen zu. Seit 1990 sind sie um 60 % gestiegen. In den drei Jahrzehnten (1990–2019) – mit nicht weniger als 25 „Klimagipfeln“ – wurde mehr fossiles CO2 ausgestoßen als in den 240 Jahren von 1750 bis 1990. Das Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen (UNFCCC) wurde in Rio (1992) mit dem Ziel verabschiedet, „gefährliche anthropogene Störungen des Klimasystems zu verhindern“. [2] Es dauerte bis 2015 (Paris, COP21), bis die Regierungen die Obergrenze von 1,5 °C Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter verabschiedeten, auf dem Papier. Der Grundsatz der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten ist das Herzstück des Rahmenübereinkommens. Es hätte die gerechte Aufteilung des noch verfügbaren „Kohlenstoffbudgets“ zwischen Nord und Süd leiten sollen, doch die USA und die EU haben dies in Kopenhagen de facto zerrissen. In der Folge wird nun jede Regierung ermuntert, weniger zu tun als die anderen, sodass die auf der COP26 (Glasgow) kommunizierten Verpflichtungen die Welt auf den katastrophalen Weg von mindestens 2,4 °C Erwärmung setzen. Der britische Konferenzvorsitz versucht, den Mythos aufrechtzuerhalten, dass das COP-System noch dazu führen kann, dass das 1,5°C-Ziel eingehalten wird, aber niemand kann damit hinters Licht geführt werden. Die COP26 konnte nicht einmal einen sofortigen Kohleausstieg beschließen (dieser Ausstieg wird sogar von der kapitalistischen Internationalen Energieagentur befürwortet). Glasgow ist in Wirklichkeit ein völliger Misserfolg: Die Präsidentschaft ist gescheitert; der in Paris ausgedachte Bottom-up-Prozess zur „Erhöhung der Ambitionen“ der Staaten ist gescheitert; die neoliberalen Versuche, die Erderwärmung durch Marktmechanismen zu bekämpfen, sind gescheitert; und die Klimaökonomen, die ihre neoliberalen Dogmen in mathematische Modelle hüllen, um sie als Wissenschaft erscheinen zu lassen, sind gescheitert. Grundsätzlich ist es das Versagen des Kapitalismus, der behauptet, die Weltwirtschaft könne weiterhin wachsen, also immer mehr Energie verbrauchen – um immer mehr zu produzieren – und gleichzeitig sich dekarbonisieren, indem sie das zu 80 % auf fossilen Brennstoffen basierende Energiesystem durch ein neues – auf erneuerbaren Energien basierendes – Energiesystem ersetzt. Bei gleichbleibenden Bedingungen erfordert der Aufbau des neuen Systems jedoch zwangsläufig einen höheren Verbrauch an fossilen Energieträgern und damit einen höheren Ausstoß an Treibhausgasen: Man kann also nicht gleichzeitig „das Wachstum befördern“ und keine „Nettoemissionen“ aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe mehr haben, denn das ist eine physikalische Unmöglichkeit. Aber die Gesetze des Profits haben für die kapitalistischen Verantwortlichen Vorrang vor denen der Physik. Das Scheitern ihrer Klimapolitik ist die deutlichste und dramatischste Illustration des Versagens dieses produktivistischen Systems, seiner monströsen Irrationalität und seines kriminellen Klassencharakters.


3. Gefährliche Scheinlösungen


In seiner Logik der Wertakkumulation bleibt dem Kapital als „Lösung“ nur der Versuch, die physischen Barrieren durch eine technologische Flucht nach vorn zu verschieben. Es pervertiert das Ziel der „Kohlenstoffneutralität“ oder „Netto-Null-Emissionen“ und verdreht die reale, aber begrenzte Möglichkeit, den Teil der Kohlenstoffemissionen zu absorbieren, der unvermeidlich bleiben wird. Um die Emissionen um jeden Preis zu reduzieren und zu versuchen, das überschüssige CO2 aufzufangen, während sie weiterhin Profite scheffeln und totes Kapital anhäufen, wetteifern die produktivistischen Zauberlehrlinge mit ihren Rezepten. Aus technischer Sicht ist jede ihrer Pseudolösungen mit spezifischen Widersprüchen behaftet: Erdgas als „Übergangsenergie“ ist natürlich eine Farce; abgesehen von den immer möglichen Unfällen und der Gefahr der Verbreitung von Atomwaffen ist das einzige „Nachhaltige“ an der zivilen Kernenergie ihr Abfall; die geologische Abscheidung und Wegschließung erfordert Arbeiten pharaonischen Ausmaßes und eine riskante Wette auf die Dichtigkeit der Behälter; der sehr energieintensive Wasserstoff dient nur dazu, die Chemie-, Öl- und Atomindustrie grün zu malen; die massive Anpflanzung von Bäumen als temporäre und eher lächerliche Notlösung erhöht den ohnehin schon zu hohen Druck auf die Bodennutzung und die Süßwasserreserven, womit die menschliche Ernährung, die Artenvielfalt und der Klimaschutz miteinander konkurrieren; auf der Erde die Kernfusion vorzunehmen, die von der Sonne weit entfernt und sicher (und unter Wiederverwertung der Abfälle) durchgeführt wird, ist nur aus der Perspektive der zunehmenden Konzentration und Zentralisation des Kapitals und seiner Macht sinnvoll (diese Technologie käme, wenn überhaupt, ohnehin zu spät, um auf das drängende Problem des Klimawandels zu reagieren).

Aus sozialer Sicht – Neoliberalismus verpflichtet – wird die Umsetzung dieser Rezepte vollständig der „grünen“ Finanzwirtschaft überlassen, die im Namen des „Netto-Null 2050“ enorme Möglichkeiten für Spekulationen, Greenwashing und Aneignung durch Enteignung bekommt, was vor allem auf Kosten indigener Völker und ländlicher Gemeinschaften geht. Gleichzeitig greifen die Regierungen zunehmend auf neoliberale Mechanismen (Anreize, Steuern usw.) zurück, um den Konsum der Massen mit erhöhten Abgaben zu belasten und so dem grünen Kapitalismus Absatzmärkte zu eröffnen, was die Ungleichheiten weiter vertieft.

Um mit der Erderwärmung unter 1,5 °C zu bleiben, ohne dass es zu einer Überschreitung kommt, müssen die Emissionen dringend und in bedeutendem Maß reduziert werden. Die Chancen für das Erreichen dieses Ziels bis 2030 liegen bei 1:2, wenn die Emissionen im weltweiten Durchschnitt 5 % pro Jahr sinken; die Chancen liegen bei 2 zu 3, wenn die Emissionen jährlich um 10 % sinken. Damit sind die o. g. Pseudolösungen zum Scheitern verurteilt. Deshalb wächst die Gefahr, dass das System sich auf die schlimmste aller technokratischen Verrücktheiten einlässt: Geoengineering, also den Einsatz von Geräten, die die in die Atmosphäre eindringende Sonnenstrahlung reduzieren sollen. Dieses Geoengineering würde die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht verringern (und damit auch nicht die Versauerung der Gewässer stoppen, die das Leben im Meer bedroht), aber es würde neue Anlagefelder für die Kapitalverwertung eröffnen. Es würde auch die Rivalität zwischen den imperialistischen Mächten verschärfen, die das Klima entsprechend ihrer geostrategischen Interessen auf dem Rücken der ärmsten Völker manipulieren könnten.


4. Die objektive Notwendigkeit der Revolution


Alle Bedingungen scheinen gegeben, um die Katastrophe zu einem Kataklysmus [sintflutartige Vernichtung, d. Red.] werden zu lassen. Nur eine weltweite ökosozialistische Revolution kann sie aufhalten, aber diese steht nicht auf der Tagesordnung. Das Kapital verstärkt überall seine Macht, die Gewerkschaften klammern sich an den kapitalistischen Aufschwung wie an einen Rettungsanker, die sozialen Bewegungen sind in der Defensive, demokratische und soziale Rechte werden zurückgedrängt, die politische Landschaft driftet in den meisten Ländern nach rechts und extrem rechts ...

Nicht das erste Mal hat der Kapitalismus die Menschheit in eine derart düstere Lage versetzt, erinnert sei vor allem an den Vorabend des Ersten Weltkriegs. Während die Massen von nationalistischer Hysterie erfasst wurden und die Sozialdemokratie, die ihr Versprechen, auf den Krieg mit Revolution zu antworten, verriet und grünes Licht für das Gemetzel gab, definierte Lenin die Situation als „objektiv revolutionär“ in dem Sinne, dass nur die Revolution dem Gemetzel ein Ende bereiten könne. Daher die Losung „Brot, Land, Frieden“. Die Geschichte gab ihm Recht: Die Revolution in Russland und ihre Tendenz zur Ausweitung zwangen die Bourgeoisie, dem Massaker ein Ende zu setzen. Der Vergleich hat natürlich seine Grenzen. Eine Sache ist es, heroisch dem Tod zu trotzen, um nicht länger sein Leben zu riskieren, indem man andere Menschen für den Profit von Kanonenhändlern, für die imperialistische Aufteilung der Welt und für den Ruhm der Generäle tötet. Etwas anderes ist es, sich gegen das Kapital zu erheben, denn: Indem es sich die Mehrwert produzierende Arbeitskraft einverleibt, entmenschlicht das Kapital die Proletarier so weit, dass sie zu entfremdeten Instrumenten der Zerstörung ihres „anorganischen Körpers“ werden und damit künftige Generationen gefährden. Die Vermittlung der Problemlage und die Ermutigung zur revolutionären Aktion sind hier unendlich komplex. Dennoch ist ein vergleichbarer Bewusstseinsschub notwendig. Angesichts der ökologischen Krise ist eine antikapitalistische Revolution objektiv sogar noch notwendiger. Diese grundlegende Bewertung muss der Ausgangspunkt für die Ausarbeitung eines Programms, einer Strategie und einer Taktik dienen, denn es gibt keinen anderen Weg.

Angesichts der Besonderheit der Klimakrise gibt es also zwei Fallen, die es zu vermeiden gilt: die eines abstrakten revolutionären Maximalismus einerseits und die eines von unmittelbaren Antworten besessenen Pragmatismus andererseits. Die erste führt im Namen der ideologischen Reinheit zu sektiererischem Propagandismus und zur Isolation; die zweite neigt im Namen der Machbarkeit dazu, sich dem grünen Reformismus anzupassen, also dem grünen Kapitalismus als solchem – auch in seiner imperialistischen Beziehung zum globalen Süden.


5. Ein Übergangsprogramm für heute


Um die enorme Kluft zwischen dem, was objektiv notwendig ist, und dem, was subjektiv möglich erscheint, zu überbrücken, bedarf es eines Programms, das eine Brücke zwischen der gegenwärtigen Situation und der Eroberung der Macht schlägt. Ein Programm, das sowohl eine Reihe von Vorschlägen enthält, die eine umfassende antikapitalistische Antwort auf die objektive Situation skizzieren, als auch Aktionsformen, die auf der demokratischen Selbstorganisation der Ausgebeuteten und Unterdrückten beruhen. Ein Programm, von dem einige Forderungen im kapitalistischen Rahmen realisierbar sind, das aber aufgrund seiner Gesamtkohärenz mit dem normalen Funktionieren des Systems unvereinbar ist, sodass es zu der Schlussfolgerung führt, dass die politische Macht ergriffen werden muss, um die Gesellschaft von Grund auf umzuwälzen. Diese Methode des Übergangsprogramms ist aktueller denn je. Aber wenn man die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts benennt, muss man auch auf eine entscheidende neue Sachlage hinweisen: Das Programm muss eine umfassende Verringerung des Gesamtenergieverbrauchs und damit der materiellen Produktion und des Verkehrs- und Transportwesens vorsehen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Energiebilanz der Erde wieder ins Gleichgewicht gebracht und damit das Klima stabilisiert wird.

Dieser Rückbau ist natürlich kein Gesellschaftsprojekt, es ist ein objektiver physischer Zwang, dem sich die Menschheit für eine gewisse Zeit beugen muss. Es ist zwar klar, dass bestimmte Produktionen wachsen müssen, um die gigantischen unbefriedigten Bedürfnisse sehr großer Teile der Menschheit zu befriedigen, aber sie können nur innerhalb eines abnehmenden Gesamtrahmens für den Gesamtenergieverbrauch wachsen. Dies ist eine unvermeidbare Tatsache: Sie muss von Anfang an in den Mittelpunkt des Programms gestellt werden, weil sie das Herzstück der Klima-/Ökokrise ist, die von nun an die gesamte sozial-politische Situation entscheidend bestimmt. „Nur die Wahrheit ist revolutionär“, sagte Rosa Luxemburg. Das bedeutet nicht nur, dass Lügen konterrevolutionär sind, sondern auch, dass die Wahrheit die Macht hat, die Massen auf die Revolution zu orientieren. Die Notwendigkeit der materiellen Schrumpfung ist ein Schlüsselelement dieser Wahrheit, aber nur ein Teil davon. Die vollständige Wahrheit – die ganze Wahrheit – ist, dass es einen physischen Zwang zum Schrumpfen gibt, weil die kapitalistische Produktionsweise die Menschheit über die ökologischen Grenzen hinaus getrieben hat und sie in den Abgrund treiben wird, wenn die produktivistischen Illusionen nicht ausgerottet werden. Die notwendige Schrumpfung muss daher sowohl ökologisch als auch sozial – also ökosozialistisch – sein. Sie muss den sozialen Kampf stärken, um die wahren Verantwortlichen für die Katastrophe zur Rechenschaft zu ziehen – die Kapitalisten, die sich auch in der Katastrophe bereichern und stärken. Sie muss den Kampf für die Teilung von Reichtum, Wissen und Macht zwischen Arm und Reich fördern, nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch innerhalb der Gesellschaften des Nordens und des Südens. Es muss gezeigt werden, dass das Einmotten des Prinzips der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten den Willen der Kapitalisten zum Ausdruck bringt, genau in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Es muss völlig klar sein, dass, wenn man diese Vampire gewähren lässt, wenn die Armen die Kapitalisten nicht für die Schrumpfung bezahlen lassen, die Schrumpfung durch die Menschheitskatastrophe erzwungen wird. Mit der Physik lässt sich nicht verhandeln ... Der politische Ausdruck dieser „Lösung“ ist der Faschismus. Die Wahl ist also klar: Ökosozialismus oder Barbarei. Die Schlussfolgerung auch: Wir brauchen ein ökosozialistisches Übergangsprogramm für ein gerechtes Degrowth, das Ausbeutung und Unterdrückung überwindet.


6. Die Reichen zerstören das Klima


Den Ideologen, die behaupten, dass die ökologische/kli­matische Krise die Trennlinien zwischen den sozialen Lagern völlig verwischt, entgegnen wir, dass der Kampf um das Klima ein Klassenkampf im unmittelbarsten Sinne des Wortes ist: ein Kampf zwischen Arm und Reich. Unter 1,5 °C zu bleiben bedeutet, dass jeder Mensch im Jahr 2030 durchschnittlich 2,3 Tonnen CO2/Jahr ausstößt. Zusammengenommen emittiert das reichste 1% der Weltbevölkerung derzeit fast doppelt so viel wie die ärmsten 50%. Um unter Wahrung der unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Kapazitäten auf 2,3 t/Person/Jahr zu kommen, müsste das eine Prozent seine Emissionen um das Dreißigfache senken, die ärmsten 50 Prozent könnten sie um das Dreifache steigern.

Die Klimapolitik der Regierungen seit der COP21 (Paris 2015) geht in die andere Richtung: Der Anteil des reichsten 1 Prozent an den globalen Emissionen ist von 13 % im Jahr 1990 auf 15 % im Jahr 2015 gestiegen; 2030 wird er bei 16 % liegen. Er wird dann um 25 % höher sein als 1990 und 16mal höher als der globale Durchschnitt. Der Anteil der ärmsten 50 Prozent wird unterdessen von 8 % auf 9 % im Jahr 2030 steigen, wobei die Pro-Kopf-Emissionen weit unter den 2,3 t CO2 pro Jahr liegen werden. Tatsächlich sind die Reduktionsverpflichtungen bis 2030 umgekehrt proportional zum Einkommen: Das 1 Prozent wird ein Zwanzigstel, die 10 Prozent werden ein Achtel und die 40 Prozent mit mittlerem Einkommen ein Sechstel dessen erreichen, was für die Klimagerechtigkeit notwendig wäre. Die kapitalistische Klimapolitik, die auf den CO2-Fußabdruck des Massenkonsums abzielt, lässt den CO2-Fußabdruck des Luxuskonsums (Superyachten, Privatjets, jeweils mehrere Häuser, SUVs, Weltraumtourismus usw.), der um Vieles größer ist als ihr Anteil an der Bevölkerung, im Dunkeln. 50 % der Flugreisen werden vom reichsten 1 Prozent unternommen, aber nur 1 Prozent der Klimamaßnahmen zielt auf den Flugsektor ab. Das 1 Prozent profitiert zudem von der Undurchsichtigkeit des Finanzwesens, um den CO2-Fußabdruck seiner kapitalistischen Investitionen zu verstecken. Angesichts dessen besteht die größte Ungerechtigkeit darin, dass die 50 Prozent (die eine marginale Verantwortung für die Erwärmung haben!) im Jahr 2030 nur ein Dreizehntel des Kohlenstoffbudgets nutzen werden, das ihnen bei Einhaltung des Prinzips der „differenzierten Verantwortlichkeiten“ zustehen würde. Diese Ungerechtigkeit wird noch dadurch gesteigert, dass der Imperialismus sich weigert, jährlich 100 Milliarden Dollar in den Grünen Klimafonds einzuzahlen, um die „Verluste und Schäden“ in den Ländern des Südens zu kompensieren. Die Ungerechtigkeit zugunsten der Reichen im Norden und im Süden trifft in unterschiedlichem Maß alle Schichten der einfachen Bevölkerung. Die unteren 50 Prozent befinden sich in relativ ähnlichen Situationen: Bis 2030 werden in vier von fünf großen Emittenten (USA, EU, GB, China) die Emissionen der jeweils ärmsten 50 Prozent etwas über oder etwas unter 2,3 t pro Person und Jahr bleiben (in Indien werden sie weit darunter bleiben). Auf globaler Ebene werden die proportional größten Emissionsreduktionen den Menschen mit dem niedrigsten Einkommen in den Industrieländern auferlegt werden. Diese Daten deuten die Möglichkeit eines ökosozialen Mehrheitsblocks entlang einer Klassenlinie an. Sicherlich müssen die 40 Prozent der sogenannten „Mittelschicht“ ihre Emissionen in der EU und Großbritannien um mehr als die Hälfte, in China um die Hälfte und in den USA um etwa die Hälfte senken, damit wir unter 1,5° C bleiben. Die Eroberung einer gesellschaftlichen Mehrheit wird also nicht ohne Konflikte und manchmal schmerzhafte Revisionen ablaufen. Die strategische Schlussfolgerung aus den Zahlen besteht jedoch nicht darin, dass den Lohnabhängigen im Norden „unpopuläre“ Marktmaßnahmen aufgezwungen werden müssen, um dem Süden die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln. Die Erfahrung zeigt, dass solche Maßnahmen unwirksam sind. Sie können nur diejenigen spalten, die es zu vereinen gilt, und spielen gleichzeitig den klimaegoistischen Demagogen in die Hände. Die strategische Schlussfolgerung ist, dass wir dafür kämpfen müssen, die Reichen im Norden und im Süden zur Kasse zu bitten, und dass diese Kämpfe die Bedingungen klären, unter denen wir es mit der Zeit schaffen werden, einen ökosozialen Mehrheitsblock zu bilden. Dies hat die Gelbwestenrevolte in Frankreich gezeigt, die von der Ablehnung einer Kraftstoffsteuer ausging und sich so weit nach links verschoben hat, dass sie sich manchmal mit der Klimabewegung („Ende der Welt – Ende des Monats: derselbe Kampf“) und sogar mit der feministischen Bewegung gegen Gewalt gegen Frauen verbündet hat.


7. Einige ökosoziale Sofortmaßnahmen


Die Entwicklung dieser strategischen Schlussfolgerung setzt die Ausarbeitung eines antineoliberalen und antikapitalistischen Plans für Strukturreformen voraus. Die ökologische Krise erfordert natürlich ein spezifisch ökologisches Programm, das auf belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Aber dieses Programm wird nichts lösen ohne ein Maßnahmenpaket, das die Reichen und Kapitalisten zur Kasse schleift, um die Gesellschaft, die Natur und die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur zu reparieren. Beim Konsum ist die Kohlenstoffintensität des Lebensstils der Reichen bei weitem höher als die des Lebensstils der unteren Klassen. In der Produktion ist die CO2-Effizienz des öffentlichen Sektors deutlich höher als die des privaten Sektors und die des ökologischen Landbaus unendlich viel höher als die des Agrobusiness. In der Sphäre der sozialen Reproduktion unterstützt die Förderung von Autonomie und Respekt eine Kultur der Fürsorge für das Leben, im Gegensatz zur kapitalistisch-patriarchalen Ideologie der Herrschaft und des Todes. Generell sind Forderungen, die die Abschöpfung des Mehrwerts durch die Reichen einengen – seien es solche, die ihren Konsum oder ihre Investitionen finanzieren, oder solche, die ihren Einfluss auf die Welt und unser Leben vergrößern oder neue Finanzmärkte schaffen – nicht nur eine Antwort auf die soziale, sondern auch auf die ökologische Herausforderung. Diese Maßnahmen sind Teil der realen Möglichkeit, dass alle Menschen ein gutes Leben führen können, indem sie wenig Energie verbrauchen und alle Auswirkungen auf die Ökosysteme reduzieren.

Sie lassen sich in fünf Bereiche unterteilen:

1. „Sofortmaßnahmen auf Kosten der Reichen und ihrer Geschäfte“.

Im Gegensatz zu den Regierungen und Medien, die uns ständig auffordern, „unser Verhalten zu ändern“, sollten wir Sofortforderungen stellen, die auf den Konsum der Reichen abzielen: Privatjets, Superyachten, Weltraumtourismus, Formel 1 ... sollten geächtet werden; die Produktion von SUVs sollte unverzüglich eingestellt werden; Flugreisen sollten gerügt („flight shame“) und mit einer jährlichen Quote belegt werden. Angesichts des Versagens der Marktmechanismen muss nach dem Muster des Montrealer Protokolls verfahren werden (FCKW-Phasing-out mit Unterstützungsfonds, um die Anpassung in den südlichen Ländern zu unterstützen), um strenge Regulierungsmaßnahmen auf Kosten der Kapitalisten zu fordern: Stopp der Methanlecks (die Schließung dieser Lecks im Gasnetz, an Ölquellen und Kohlebergwerken ist ein „one shot“, aber technisch nicht schwierig und bewirkt eine Minderung der Erderwärmung um 0,5 °C), Stopp der Freisetzung von fluorierten Gasen (von 1990 bis 2019 stieg die Freisetzung dieser Gase um 250 %; ihre Strahlungskraft ist mehrere Hundert bis mehrere Tausend mal höher als die von CO2und sie verbleiben bis zu mehreren zehntausend Jahre in der Atmosphäre), null Abholzung und Stopp der Zerstörung von Feuchtgebieten. Verbot der Erkundung/Ausbeutung neuer fossiler Reserven, verbindliches Phasing-out von Kohle-, Gas- und Ölkraftwerken (entsprechend dem Timing von IEA und IPCC), sofortige agrarökologische Reform der Landwirtschaftspolitik (entsprechend dem Klimaprogramm von Via Campesina), Umgestaltung der Verkehrsmittel (Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, Verringerung des Stellenwerts des Privatautos ...).

2 „Steuergerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit = Klimagerechtigkeit“.

Ein Dollar in der Tasche der 1 Prozent = dreißigmal mehr CO2 als ein Dollar in der Tasche der 50 Prozent und fünfzehnmal mehr als in der Tasche der 40 Prozent. Einführung eines Maximallohns und Anhebung des Mindestlohns. Ausweitung der sozialen Sicherung. Kostenlose Dienstleistungen (Wasser, Heizung, Beleuchtung, städtische Mobilität) für den Bereich der Grundbedürfnisse, mit rasch steigenden Preisen darüber hinaus, um Verschwendung und Luxuskonsum zu bekämpfen (die Anwendung dieses Modells auf Wasser zum Beispiel widerlegt die liberale Propaganda von der „Tragödie der Allmende“: Kostenlose Dienstleistungen regen zur Selbstkontrolle an, nicht zum Missbrauch!). Refinanzierung des öffentlichen Sektors.

Sofortige Auszahlung der 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr aus dem Grünen Klimafonds in Form von Zuschüssen (keine Kredite – Nein zur Strangulierung des Südens mittels Schulden!). Entschädigung für Verluste und Schäden. Hände weg von den Ressourcen der Länder des Südens, Nein zum Prinzip der „CO2-Ausgleichsmaßnahmen“, Abschaffung der Schulden des Südens, Aufhebung der Patente auf grüne Technologien ... damit die Völker ihre Bedürfnisse mit erneuerbaren Energien, nachhaltiger Landwirtschaft und nachhaltiger Produktion befriedigen können: Die Ressource Sonne muss den Völkern zur Verfügung stehen. Um die gigantischen weltweiten Mittel freizusetzen, die für den Kampf gegen die Katastrophe notwendig sind: Abschaffung des Bankgeheimnisses, Vermögenskataster, Abschaffung der Steuerparadiese, Besteuerung großer Vermögen, Besteuerung von Finanztransaktionen, Wiedereinführung der Steuerprogression nach dem System, das in den USA unter dem New Deal galt (95%ige Abgabe auf die letzte Einkommensstufe).

3 „Demokratie, um die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen; die Menschen und die Erde schützen“.

Ökofeminismus: Die Sorge für die Menschen und das Leben in den Mittelpunkt stellen, die Arbeit in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Betreuung älterer und/oder abhängiger Menschen, Kleinkindbetreuung, Wiederherstellung von Ökosystemen – all dies sind lebensnotwendige und emissionsarme Tätigkeiten, die heute vom patriarchalen Kapitalismus unsichtbar gemacht und abgewertet werden; diese Tätigkeiten müssen anerkannt und aufgewertet werden; Recht auf freien sowie kostenlosen Zugang zu Abtreibung und Verhütung, Kampf gegen sexistische und sexuelle Gewalt.

Demokratie: Pflicht zur Volksbefragung bei Projekten mit Umweltauswirkungen (Extraktivismus, Kompensationen ...). Kontrolle und Vetorecht der Lohnabhängigen über die Organisation, den Inhalt und den Zweck der Arbeit (gegen geplante Obsoleszenz, reparierbare, recycelbare Produkte ...). Kontrolle und Vetorecht der indigenen Völker und ländlichen Gemeinschaften über ihre Gebiete und deren Reichtum.

4 „Weniger produzieren, weniger arbeiten, besser leben“.

Abschaffung unnötiger (Werbung, Wegwerf-Gadgets) oder schädlicher Produktionen (Rüstung, beschleunigte Obsoleszenz). Krieg dem Krieg und Militarismus. Abschaffung der Armeen, die sowohl Kunden als auch bewaffneter Arm des fossilen Kapitals gegen die Völker sind. Maximale Regionalisierung der Produktion, um gesellschaftlich unnötige Transporte zu vermeiden. Absolute Garantie der kollektiven Umschulung ohne Lohnverlust für die Lohnabhängigen zu sozial und ökologisch nützliche Tätigkeiten unter Kontrolle der Beschäftigten. Stopp der konsumistischen Entfremdung als miserable Kompensation für miserable menschliche Beziehungen. Geschlechtsneutrale Teilung und Vergesellschaftung von Aufgaben. Sobald die materiellen Bedingungen für ein komfortables Leben für alle garantiert sind, sind Zeit, soziale Beziehungen und das Eintauchen in die Natur der wahre Reichtum. Wiederaufnahme des antiproduktivistischen Kampfes für eine radikale kollektive Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverlust oder Erhöhung des Arbeitstempos. Nur eine Politik, die sich entschlossen für eine neue, wahrhaft menschliche Zivilisation einsetzt, kann die gesellschaftlichen Bedingungen schaffen, die eine breite Infragestellung unhaltbarer individueller Verhaltensweisen erleichtern, insbesondere im Bereich der Freizeit und der Ernährung (vor allem mit einer drastischen Reduzierung des Fleischkonsums).

5. „Die Menschen entwaffnen, die das Leben nicht lieben“.

      
Mehr dazu
Daniel Tanuro: Schneller und heftiger als erwartet, die internationale Nr. 3/2022 (Mai/Juni 2022)
Michael Löwy: Ökosozialismus und/oder „Degrowth“?, die internationale Nr. 2/2021 (März/April 2021). Auch bei intersoz.org
Interview mit Daniel Tanuro: "Zu spät, um pessimistisch zu sein!", die internationale Nr. 2/2021 (März/April 2021)
Daniel Tanuro: Ökosozialismus oder Sozialdarwinismus, die internationale Nr. 2/2021 (März/April 2021). Bei intersoz.org
Michael Löwy: Ernest Mandel und der Ökosozialismus, die internationale Nr. 5/2020 (September/Oktober 2020). Auch bei intersoz.org
Interview mit Daniel Tanuro: „Ökosozialismus: Mehr als eine Strategie“, die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017)
Klaus Engert: Michael Löwy - Ökosozialismus, die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017)
 

Wir werden nicht aus dem Kapitalismus aussteigen und die Katastrophe verhindern, indem wir alternative lokale Erfahrungen vermehren. Die Rettung des Klimas und der Artenvielfalt wird ein Hirngespinst bleiben, solange das Kapital die Kontrolle über die Schlüsselsektoren behält. Diese müssen enteignet und vergesellschaftet werden, angefangen bei der Energie- und Finanzbranche. Die Herausforderung der notwendigen demokratischen Planung auf allen Ebenen (von lokal bis global) unter Beachtung der „differenzierten Verantwortlichkeiten“ anzunehmen, erfordert die Eroberung der Macht und den vernetzten Aufbau einer Macht neuen Typs, die sich auf die Mobilisierung der breiten Bevölkerung stützt und von ihr kontrolliert wird. Ein Machtnetzwerk, das von der Erfahrung der Pariser Kommune inspiriert ist, um die demokratische Kontrolle über die Produktion der gesellschaftlichen Existenz wiederzuerlangen, die Emissionen aller gerecht zu reduzieren, die Ökosysteme zu reparieren und allen Menschen ein komfortables Leben mit geringem Energieverbrauch zu ermöglichen.


8. Eine ökosozialistische Hegemonie aufbauen


Der „Beitrag zur Entwicklung eines ökosozialistischen Programms angesichts der notwendigen Reduzierung der globalen materiellen Produktion“ ist keine Propagandaübung, sondern ein Leitfaden für das Handeln. Handeln erfordert eine strategische Annahme. Es ist eine Binsenweisheit: Die Produktionsweise der gesellschaftlichen Existenz kann nicht ohne die bewusste Beteiligung der Produzentinnen und Produzenten geändert werden. Wie kann man die abhängig Beschäftigten dazu bringen, dem Produktionswahn, von dem ihre tägliche Existenz abhängt, entgegenzuwirken? Das ist die entscheidende Frage. Die Antwort kann sich nur aus den Kämpfen und der Konvergenz der Kämpfe ergeben. Daran müssen wir systematisch arbeiten, was bedeutet, dass in den verschiedenen sozialen Bewegungen einfallsreiche aktivistische Teams aufgebaut werden müssen, die in der Lage sind, Erfahrungen, Wissen und Know-how auszutauschen und zu sammeln. Trotz der sehr defensiven Situation muss diese Strategie mit einem ehrgeizigen Kampf um die Hegemonie in der Gesellschaft gekoppelt werden. Der doppelte historische Bankrott der Sozialdemokratie und des Stalinismus hat das sozialistische Projekt zwar in eine tiefe Krise gestürzt. Aber die ethische Botschaft, die diesem Projekt immer zugrunde lag, kann lauter denn je erklingen, aus dem einfachen Grund, dass die ökologische Krise unsere Gesundheit untergräbt und unser Überleben sowie das unserer Kinder gefährdet. Der Kapitalismus ist dabei, die Welt, ihre Schönheit und ihren Reichtum „in den eisigen Gewässern egoistischer Berechnung“ zu ertränken. Die unermüdliche Anprangerung dieser absurden und schrecklichen Realität kann sich bei passender Gelegenheit auf Massenebene in einen mächtigen kategorischen Imperativ verwandeln, der Breschen in die Klassenkollaboration der „wachstumsfixierten“ Gewerkschaftsführungen schlägt. Der Zufall allein wird über den Zeitpunkt entscheiden. Wir können uns nur darauf vorbereiten. Die Erfolgsaussichten werden von der kompromisslosen Radikalität der Kämpfe derjenigen abhängen, die heute praktisch an vorderster Front des ökosozialistischen Kampfes stehen: der Jugend, der indigenen Völker, der Bauern und Bäuerinnen und der Frauen.

23. Februar 2022
Übersetzung: Jakob S.



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 3/2022 (Mai/Juni 2022). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] Die anderen beiden Texte sind: „Die Weltwirtschaft auf einem krisengeschüttelten Planeten: Störungen der Lieferketten, Inflation, Krisenanfälligkeit des Finanzsektors. Wachsende Ungleichheit, Widerstand und Forderungen des Volkes“ sowie „Zur geostrategischen Weltlage“

[2] https://unfccc.int/resource/docs/convkp/convger.pdf (Anm. d. Red.)