Iran

Gegen einen Krieg zwischen den USA und dem Iran! Solidarität mit den Aufständen in der MENA-Region!

Alliance of Middle Eastern and North African Socialists

Der besorgniserregendste Aspekt dieser Entwicklungen ist, dass sie zu katastrophalen Folgen und zu einem umfassenden Krieg führen können. Dies würde wiederum die Welle der Aufstände überschatten, die 2019 im Nahen Osten und in Nordafrika ausgebrochen sind, vom Sudan und Algerien bis zum Irak, Libanon und Iran.

Am frühen Morgen des 3. Januar wurde auf Befehl von US-Präsident Donald Trump und ohne Genehmigung des US-Kongresses ein Luftangriff auf einen Konvoi in der Nähe des irakischen Flughafens in Bagdad ausgeführt, bei dem Kassem Soleimani, der Befehlshaber der Quds-Brigaden von Irans Islamischer Revolutionsgarde, und Abu Mahdi al-Mauhandis, oberster irakischer Milizkommandeur und Gründer der Kataib-Hisbollah-Miliz und mindestens sechs weitere Menschen getötet wurden. Das US-Verteidigungsministerium gab an, dieser Angriff sei eine Reaktion auf vom Iran gesteuerte Angriffe auf US-Stützpunkte im Irak in den letzten Monaten gewesen, darunter ein Angriff vom 27. Dezember auf einen irakischen Militärstützpunkt in der Nähe von Kirkuk, bei dem ein US-Auftragnehmer getötet und vier US-Soldaten verwundet wurden. Derzeit befinden sich 5300 US-Soldat*innen im Irak. 3000 weitere sind auf dem Weg in den Nahen Osten. Insgesamt wurden seit Mai 2019 14.000 zusätzliche Soldat*innen in die Region entsandt.

Die Idee, Kassem Soleimani zu ermorden, wurde in einer redaktionellen Stellungnahme des Wall Street Journal vom 31. Dezember öffentlich befürwortet, in der Trump auch aufgefordert wurde, iranische Milizen in Syrien anzugreifen. [1] Soleimani selbst hatte Trump im Juli 2019 herausgefordert, indem er ihn in einer Erklärung ansprach und sagte: "Ich und die Quds-Brigaden sind Ihre Gegner." [2]

Diese Aktion der USA folgt auf einen Angriff von Tausenden von Demonstranten am 31. Dezember, der von pro-iranischen Milizen namens al-Haschd asch-Scha’bi (auch als "Volksmobilisierungskräfte" bekannt) mobilisiert und organisiert wurde, die in die stark geschützte grüne Zone von Bagdad und dort in die US-Botschaft eindrangen und den Empfangsbereich niederbrannten; dies wiederum war die Reaktion auf US-Luftangriffe am 29. Dezember gegen die vom Iran unterstützten Kataib-Hisbollah-Milizen an der irakisch/syrischen Grenze, bei denen 25 Milizionäre getötet und 50 verletzt wurden..

Anfang Juni 2019 hatte Trump einen US-Militärangriff auf den Iran abgesagt, der als Antwort auf den Abschuss einer US-Drohne durch den Iran geplant war. Seine Regierung beschloss, auf die vom Iran am 14. September verübten Luftangriffe auf saudische Ölanlagen und frühere Angriffe auf Öltanker in der Golfregion, die dem Iran zugeschrieben wurden, nicht zu reagieren. Trump selbst hatte kürzlich betont, dass er nicht mehr an einem „Regimewechsel“ im Iran interessiert sei, sondern weiterhin harte Sanktionen gegen den Iran verhängen wolle, um die iranische Regierung zu zwingen, ihr Verhalten zu ändern.

Die jüngsten bedrohlichen Entwicklungen zeigen jedoch, dass der Zwang der kapitalistisch-imperialistischen Mächte, zu konkurrieren und ihre Überlegenheit zu demonstrieren, eine eigene Logik unabhängig von den Wünschen der imperialistischen Führer hat.

Für die iranische Regierung war Kassem Soleimani der oberste Befehlshaber, nach Ayatollah Khamenei der zweitwichtigste Führer und Architekt der blutigen iranischen Intervention in Syrien sowie der wichtigste Entscheidungsträger im Irak. Der Iran hat eine "harte Rache" angekündigt. Von seinem Verbündeten, der libanesischen Hisbollah, kam eine ähnliche Drohung. Israel führt seit einiger Zeit in einen Krieg von niedriger Intensität gegen den Iran, indem es iranische Stützpunkte in Syrien und im Irak sowie die libanesische Hisbollah anvisiert. Israel könnte den Iran bei Bedarf selbst angreifen.

Der besorgniserregendste Aspekt dieser Entwicklungen ist, dass sie zu katastrophalen Folgen und zu einem umfassenden Krieg führen können. Dies würde wiederum die Welle der Aufstände überschatten, die 2019 im Nahen Osten und in Nordafrika ausgebrochen sind, vom Sudan und Algerien bis zum Irak, Libanon und Iran. Alle diese Aufstände sind gegen Imperialismus, Autoritarismus, Neoliberalismus, Armut, Korruption, religiösen Fundamentalismus und Konfessionalismus gerichtet. Frauen sind aktive Teilnehmerinnen und stehen oft im Vordergrund. Die Teilnehmer*innen stammen überwiegend aus der Arbeiterklasse oder sind arbeitslose Jugendliche. Sie begnügen sich nicht mit der Absetzung von einzelnen herrschenden Persönlichkeiten, sondern wollen das sozioökonomische und politische System verändern. Aus all diesen Gründen könnten die Revolten den Beginn eines neuen fortschrittlichen und revolutionären Kapitels für die gesamte Region markieren, obwohl erhebliche Schwierigkeiten und Herausforderungen bestehen.

Autoritäre Herrscher und Systeme werden sich nicht einfach zurückdrängen lassen. Im Irak wurde eine Welle von Volksprotesten, die am 2. Oktober in Bagdad und im schiitischen Süden begann, von der vom Iran gestützten irakischen Regierung mit Unterstützung der iranischen Revolutionsgarden und den vom Iran finanzierten schiitischen fundamentalistischen Milizen, der al-Haschd asch-Scha’bi, zu der auch die Kataib Hisbollah gehört, brutal angegriffen. In den mehrheitlich sunnitischen und kurdischen Gebieten kam es zu kleinen, aber stärker werdenden Unterstützungsbekundungen für den Aufstand. 500 Demonstrant*innen wurden getötet und über 19.000 verletzt.

Im Iran unterdrückten die iranischen Revolutionsgarden und andere Regierungstruppen brutal die landesweiten Proteste der Bevölkerung, die am 15. November gegen einen Anstieg des Erdölpreises ausbrachen und den Sturz der Islamischen Republik und ein Ende ihrer militärischen Interventionen in der Region forderten. Laut Reuters wurden in vier Tagen mindestens 1500 Demonstranten getötet. Zwischen 8000 und 10.000, meist junge Demonstranten wurden verhaftet, und von den meisten hat man nichts mehr gehört. Viele politische Gefangene, darunter Arbeiter*innen, Feministinnen und Aktivist*innen von unterdrückten Minderheiten, befinden sich aufgrund früherer Proteste im Gefängnis. Sie und revolutionäre Demonstrant*innen im Irak, im Libanon, im Sudan und in Algerien sind die Kräfte, auf die Sozialist*innen weltweit zugehen und sie unterstützen sollten.

Die Freude, die einige über den Tod des kriminellen Reaktionärs Kassem Soleimani ausdrückten, ist verständlich, da er die revolutionären Volksklassen im Iran, in Syrien und im Irak unterdrückt und den Militarismus und den Einfluss des Irans in der Region ausbaut hat. Seine Ermordung bedeutet jedoch keine Unterstützung für die Volksaufstände im Irak und in der Region.

Diese imperialistische Aktion der USA wurde nicht unternommen, um das irakische Volk zu stärken. Im Gegenteil, das Ergebnis dieser imperialistischen Aktion könnte das Risiko erhöhen, den Volksaufstand im Irak zu desorientieren. Die Bedrohung besteht nicht notwendigerweise darin, dass sich die derzeitige irakische Protestbewegung nach diesem Attentat ausschließlich gegen die USA richten würde. Bisher hat sich die Mehrheit der Demonstrant*innen allen ausländischen Einflüssen, insbesondere aus dem Iran und den USA, deutlich widersetzt. Sie könnten jedoch jetzt von einer anderen Bewegung in den Hintergrund gedrängt werden, die von pro-iranischen Milizen kontrolliert und organisiert wird. Sie nutzen das Attentat, um den Abzug der Amerikaner zur einzigen Forderung zu machen, ohne das derzeitige konfessionalistische und korrupt-kapitalistische System in Frage zu stellen. Das Risiko besteht darin, dass die neue Eskalation zwischen den USA und dem Iran alle internen Probleme im Irak bestimmen und den Irak zum Ort einer direkten Konfrontation zwischen den USA und dem Iran machen kann.

      
Mehr dazu
Jakob Schäfer: Nur kurze Atempause für das iranische Regime, die internationale Nr. 2/2020 (März/April 2020) (nur online)
Babak Kia und Houshang Sepehr: Ziemlich beste Feinde, die internationale Nr. 2/2020 (März/April 2020)
Erklärung von Solidarity (USA): Nein zum Krieg im Iran!, die internationale Nr. 1/2020 (Januar/Februar 2020) (nur online)
Dossier: Wirtschaftliche Lage, Repression und Widerstand im Iran, die internationale Nr. 1/2020 (Januar/Februar 2020)
 

Die Volksaufstände im Irak, im Iran und im Libanon werden alle leiden, während die von den Demonstrant*innen bekämpften Machthaber versuchen werden, die Krise zu instrumentalisieren, um ihren Verbleib an der Macht zu sichern.

Die Reaktionen irakischer Regierungsvertreter und politischer Persönlichkeiten, die dem Iran nahe stehen, weisen in diese Richtung. Der irakische Premierminister Adil Abdelmahdi, der zuvor angesichts der Massenproteste seinen Rücktritt angekündigt hatte, verurteilte die Morde als Verstoß gegen die Bedingungen der US-Militärpräsenz im Irak und als einen Angriffsakt, der die Souveränität des Irak verletze und zum Krieg führen werde. Der irakische schiitische Geistliche Muktada al-Sadr hingegen befahl seinen Anhängern, während der Trauer um den Tod von Soleimani bereit zu sein, den Irak zu verteidigen.

Angesichts all dieser Entwicklungen kann der Widerstand gegen die Luftangriffe des US-Imperialismus und die Kriegsdrohungen gegen den Iran und den Irak nur dann wirksam sein, wenn er auf der Solidarität mit den fortschrittlichen und revolutionären Kräften im Nahen Osten und in der nordafrikanischen Region und auf der uneingeschränkten Opposition gegen alle autoritären Regierungen und imperialistische Mächte in der Region basiert.

Gegen alle globalen und regionalen Imperialisten und autoritären Politiker

Solidarität mit den Volksaufständen in der MENA-Region und anderswo

Unsere Schicksale sind miteinander verbunden

3. Januar 2020
Übersetzung: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von die internationale Nr. 1/2020 (Januar/Februar 2020) (nur online). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] Wall Street Journal, 31 December 2019 “The Iranians Escalate in Baghdad”.

[2] In Arabic Radio Zamaneh.