Ökologie/USA

Der erwartbare Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen

Donald Trump hat alle Warnungen in den Wind geschlagen und den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt. Wie soll es jetzt weitergehen?

Daniel Tanuro

Die USA kündigen das Pariser Klimaabkommen auf, stornieren alle Maßnahmen, die von den USA zur Umsetzung dieses Abkommens beschlossen worden sind und ziehen sich aus Klimafonds zurück. Dies sind die wesentlichen Beschlüsse, die Donald Trump am 1. Juni bekannt gegeben hat, nachdem er lange auf die Folter gespannt hatte.

Damit setzt der neue Präsident nur konsequent seine Wahlversprechen um und desavouiert einige Beobachter, die in den vergangenen Monaten glauben machen wollten, dass Trump moderater geworden sei. Was er jedoch im Rosengarten des Weißen Hauses von sich gab, troff im Gegenteil von übelster nationalistischer und populistischer Demagogie. Aber was lässt sich von einem Ochsen anderes erwarten als Rindfleisch?


Wehleidigkeit und Nationalismus …


Für Trump war das Pariser Abkommen schon immer bloß ein skandalöser Betrug, der den USA aufgezwungen wurde. „Das Pariser Abkommen zielt nicht auf das Klima, sondern auf die finanziellen Vorteile, die sich andere Länder damit gegenüber den USA verschaffen. Die Welt hat Beifall geklatscht, als wir das Abkommen unterzeichnet haben, weil sich die anderen Länder darüber gefreut haben, dass wir dadurch wirtschaftlich erheblich benachteiligt werden.“

Trump entwarf ein apokalyptisches Bild über die Konsequenzen des Abkommens und behauptete, dass dadurch 2,7 Millionen Arbeitsplätze verloren gingen und die USA 3000 Milliarden Dollar aufbringen müssten, was den einzelnen US-Bürger bis zu 7000 Dollar pro Jahr kosten würde. Bei seiner Aufzählung über die dadurch weg brechenden Arbeitsplätze in einzelnen Industriesektoren (minus 86 % im Kohlebergbau) vergaß er natürlich die Gegenrechnung, etwa dass bereits 800.000 Arbeiter*innen in den USA in der Solarindustrie beschäftigt sind, in der Kohleindustrie aber bloß 67 000 und die künftige Entwicklung diese Diskrepanz noch weiter verschärfen wird.

Trumps Weltbild ist simpel gestrickt: Die armen Amerikaner sind zu gut und werden dadurch Opfer einer riesigen Ungerechtigkeit, die durch die finsteren Machenschaften aller anderen angezettelt worden ist. Insofern ist die Aufkündigung des Abkommens ein elementares Aufbäumen für Souveränität und nationale Würde: „Die Staatschefs von Europa und China dürfen nicht mehr über die Politik der USA zu bestimmen haben als die US-Bürger. Wir wollen und wir werden uns nicht zum Gespött der ganzen Welt machen.“ Ganz wie in seiner Wahlkampagne setzt Trump mit seiner Propaganda voll und ganz auf soziale Demagogie. Als ob seine Regierung, die aus lauter Milliardären besteht, vorhätte, den Proleten in Detroit und Pittsburgh eine menschenwürdige Arbeit zu verschaffen, und als ob das Pariser Abkommen diesen US-Proleten Geld und Arbeitsplätze stiehlt, um es anderweitig zu verteilen: „Das Pariser Abkommen ist ungerecht für die USA. Es blockiert die Entwicklung einer „sauberen Kohle“ in den USA. China kann Hunderte von Kohlekraftwerken bauen, Indien kann seine Kohleförderung verdoppeln und selbst Europa kann Kohlekraftwerke bauen. Wir haben genügend Energievorräte, um alle US-Bürger aus dem Elend zu befreien und in Pennsylvania wird ein Bergwerk wiedereröffnet.“ Wegen des Pariser Abkommens jedoch „werden Millionen amerikanischer Familien weiterhin arm bleiben“.

Im Mittelpunkt seiner Propaganda stehen die Arbeitsplätze. Wie es sich für einen guten Kapitalisten gehört, hängen die Arbeitsplätze in seinen Augen vom Wachstum ab: Die erneuerbaren Energien könnten bei leichtem Wachstum ausreichen, aber nicht bei 3–4 %. Seine Parole „Make America great again“ suggeriert eine USA, die Jobs schaff, indem sie Waffen und Mauern baut. „Insofern brauchen wir alle Energien und nicht nur die erneuerbaren. Sonst könnte für Millionen von Familien das Licht ausgehen.“

Wenn Trump die populistische Klaviatur bedient, geht er dabei in die Vollen und beruft sich auch auf den Anti-Terror-Kampf. Dazu bemerkt er: „Für den Klimafonds hat die USA bereits eine Milliarde Dollar ausgegeben, darunter Geld, das zur Bekämpfung des Terrorismus vorgesehen war – notabene unter meinem Vorgänger.“


… gepaart mit Rassenhass


Trump schert sich weder um das im UN-Klimarahmenvertrag fest verankerte Prinzip der unterschiedlichen Verantwortung noch darum, dass die USA weiterhin mit an der Spitze der Länder stehen, die den höchsten Treibhausgasausstoß pro Kopf haben, ganz weit vor China, Indien oder Brasilien. Indem er dies mit nationalistischer Attitüde vom Tisch wischt, erklärt er stattdessen, dass im Rahmen des Pariser Abkommens „China 13 weitere Jahre verfahren kann, wie es will, und Indien nur deswegen beteiligt ist, weil es Milliarden an Beihilfe erhält“.

In Bezug auf den Klimafonds (der in Cancun beschlossen worden war, um den Ländern des Südens bei Übergang und Anpassung zu helfen) entblödet sich Trump nicht, zu behaupten, dass es dabei darum gehe, „sich den Reichtum der USA unter den Nagel zu reißen, um ihn an die Entwicklungsländer zu verteilen“. Und er fügt hinzu: „Wir haben 20 Billionen Schulden, Millionen von Arbeitslosen und Städte, die aus Geldmangel keine Polizisten mehr einstellen können. Dieses Geld sollte hier investiert statt in die Länder geschickt werden, die uns die Fabriken und die Jobs genommen haben“. Dies ist hart an der Grenze zur Aufstachelung zum Hass und soll die US-Arbeiterschaft davon ablenken, dass es die US-Unternehmer sind, die die Produktion wegen niedrigerer Lohnkosten in andere Länder verlagert haben.


Ignoranz und Dummdreistigkeit …


Über das Klima an sich weiß Trump wenig zu sagen, außer dass er kategorisch behauptet, dass „das Pariser Abkommen gerade 0,2 °C Unterschied bewirken würde“. Keine Präzisierung über den zugehörigen Zeitraum etc. Auch wir haben stets wiederholt, dass das Abkommen bloß eine Absichtserklärung ist, aber wenigstens den Vorzug hat, sich ein Ziel – wenn auch nur ein einziges – zu setzen, nämlich „deutlich unter 2 °C zu bleiben und möglichst 1,5 °C nicht zu überschreiten“. Die Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder laufen freilich auf eine Erwärmung von 3–4 °C bis zum Ende des Jahrhunderts hinaus. Wenn man aber gar nichts unternimmt, landen wir bei bis zu 6 °C. Und genau dies haben die USA gerade beschlossen. Damit läge der Unterschied weit höher als bei diesen ominösen 0,2 °C!

Trump wird nicht müde, das auf dem COP21 beschlossene Abkommen anzuprangern und zugleich zu erklären, dass er zu Neuverhandlungen bereit wäre, zu einem „ganz neuen Abkommen“, vorausgesetzt, es schade Amerika und seinen Bürger*innen nicht. Welche Logik steckt dahinter, wo doch Trump behauptet hat, dass der Klimawandel eine von den Chinesen verbreitete Falschmeldung sei, um der US-Wirtschaft zu schaden?

Angesichts seiner sonstigen Rabulistik kann man diesen Vorschlag von Trump kaum ernst nehmen. Wenn dieser Mensch nicht auf die „Schwellen- und Entwicklungsländer“ einprügelt, geht er direkt seine europäischen Partnerstaaten an: „Diejenigen, die von den USA fordern, am Abkommen festzuhalten, sind die Länder, die den USA mit ihren Handelspraktiken schwer schaden und ihre Beiträge zur NATO nicht entrichten“. Dies zielt auf Merkel und zeigt, dass der Haussegen zwischen den beiden Ländern schief hängt. Dennoch ist dies nicht nur heiße Luft, die hier abgesondert wird, sondern dahinter stecken ernste Gründe, die wir analysieren müssen.


…als Ablenkungsmanöver


Innenpolitisch wirkt dieses Vorgehen wie ein Ablenkungsmanöver in einer zunehmend heiklen Situation, wo sich die Stimmen für die Einleitung eines Impeachments mehren. Trump steckt in einer Zwickmühle. Am Abkommen festzuhalten, hätte bedeutet, dass er sich ein wenig als „verantwortlicher Präsident normalisiert“, positiv auf das mehrheitliche Ansinnen der US-Unternehmen (einschließlich ExxonMobil und anderer Energiekonzerne) reagiert und auch auf die öffentliche Meinung Rücksicht nimmt, die mehrheitlich von der Realität des Klimawandels überzeugt ist. Wenn er sich aber „normalisiert“, dann würde er seiner Basis, die aus eingeschworenen Reaktionären besteht, den Rücken kehren und damit auch einen Trumpf aus der Hand geben gegenüber den republikanischen Vertretern im Kongress, die ihn zwar nicht einhellig unterstützen, in ihrer Mehrheit jedoch Klimaleugner sind.

Eben aus dieser Position der Schwäche heraus hat sich Trump dafür entschieden, seiner Basis entgegen zu kommen, deren Vertreter in seinem Stab Bannon, Pence, Pruitt, Session etc. sind. Mike Pence, der die Ansprache des Präsidenten eingeleitet hat, und Scott Pruitt, der sie kommentiert hat, haben beide nachdrücklich unterstrichen, dass der Präsident umsetzt, was er gesagt hat. Pruitt, der den Habitus eines servilen Speichelleckers verströmt, hat obendrein noch die populistische Klaviatur bedient und das Wort „Arbeiterklasse“ in den Mund genommen und Trump als „Rächer der Enterbten in diesem Land“ hochleben lassen.

Indem Trump entschied, seine Basis zu bedienen, hat er sicherlich kurzfristig die am wenigsten schlechte Wahl für sich getroffen. Mittelfristig jedoch kann ihm die Rückbesinnung auf sein nationalpopulistisches „Kerngeschäft“ bescheren, dass sich die entscheidenden Kräfte des Großkapitals und ihre politischen Handlanger von ihm abwenden. Die nächste Zeit wird sich dies weisen, besonders wenn der abgesetzte FBI-Chef Comey vor dem Geheimdienstausschuss des Senats angehört wird.


Die Auswirkungen auf die Klimapolitik …


Für die Klimapolitik ist der Rückzug der USA sicher schwerwiegend, darf aber nicht überschätzt werden. Denn im Grunde ist es so, dass das Pariser Abkommen ohnehin nicht ausreicht, die Katastrophe zu verhindern. Dies soll nicht heißen, dass die Aufkündigung seitens Trump belanglos wäre, sondern dass man richtig ermessen muss, welchen Schaden er real anrichten kann. Schon gar nicht darf man sich jetzt hinter das Pariser Abkommen oder seine europäischen, chinesischen etc. Verfechter stellen, die sich jetzt mit billigen Federn schmücken und dabei ungeniert auf die Klimakatastrophe zusteuern.

Die USA verursachen 10 % der weltweiten Abgasemissionen. Die unter Obama beschlossene Selbstverpflichtung (NDC) der USA sollte bis 2025 für eine Reduktion um 26–28 % gegenüber 2005 sorgen. Diese NDC liegt kaum über der, die die USA bis spätestens 2012 hätten leisten müssen, wenn sie das Kyoto-Abkommen ratifiziert hätten. Obendrein würden die von Obama ergriffenen Maßnahmen das Ziel nur zu 83 % abdecken.

Aber das ist noch nicht alles. Denn in Wahrheit steckt nicht einmal eine ambitionierte Bemühung dahinter, sondern die Abgasreduktion ergibt sich nahezu vollständig „spontan“ aus dem Umstieg der US-Energiekonzerne von der Kohle zum billigeren und abgasärmeren Schiefergas und zu den erneuerbaren Energien. Die Abschaffung des Clean Power Plan und anderer Umweltmaßnahmen von Obama wiegt schwerer als der Ausstieg aus dem Pariser Abkommen, wird aber die Investitionsentscheidungen des Kapitals wenig beeinflussen.


und eine unkontrollierbare Entwicklung…


Das Hauptproblem scheint auf geostrategischem Gebiet zu liegen. Trumps Verlautbarung über das Klima bestätigt in der Tat, dass sich eine Kettenreaktion anbahnt. Die Krise zwischen der EU und den USA spitzt sich zu und der Tonfall zwischen den Konkurrenten wird schriller. Es ist keineswegs von der Hand zu weisen, dass es zu umfassenden Neuausrichtungen der imperialistischen Mächte kommen wird, einschließlich des Zerbrechens der Nato, einer Reform und/oder einem Militärbündnis der EU sowie einer Annäherung zwischen China und der EU.

Die tonangebenden Fraktionen des internationalen Großkapitals sind an einem solchen Szenario nicht interessiert, aber […] mitunter entgleitet die weitere Entwicklung der Kontrolle dieser maßgeblichen Kräfte. Und Trumps Politik gehört selbstredend zu den Faktoren, die dazu führen könnten.

Eigentlich überflüssig zu erwähnen, dass seine politischen Entscheidungen nicht einfach und auf direktem Wege von der Bourgeoisie oder gar von diesem oder jenem Flügel der Kapitalisten verordnet werden (wie gesagt, haben Hunderte von Konzernchefs einschließlich der Energiekonzerne Druck auf Trump ausgeübt, in dem Abkommen zu verbleiben.) Es besteht im Gegenteil eine relative Autonomie in doppelter Hinsicht, die gerade in den Zeiten politischer Krise wirksam ist. Dies gilt einerseits für das Verhältnis zwischen politischer und wirtschaftlicher Sphäre und andererseits zwischen dem Individuum (Trump mit seinem engsten Stab) und der bürgerlich politischen Sphäre im Ganzen.

Mit anderen Worten könnte sich die Flucht nach vorn, die Trump in Sachen Klimapolitik wegen seiner Verwicklungen in die Russland-Affäre angetreten hat, auch auf andere politische Fragen auswirken, einschließlich militärpolitische. Dies könnte unter Umständen ernsteste Konsequenzen haben, hinter die selbst der Kampf gegen den Klimawandel deutlich zurücktritt, auch wenn diese Bedrohung in den Augen aller involvierten Kräfte bereits maximal ist.


… erfordern besondere Maßnahmen


Wir brauchen unbedingte Klarheit über unsere Zielsetzungen. Natürlich müssen wir Trumps Politik bekämpfen, aber zu fordern, dass die USA im Pariser Abkommen bleiben, macht wenig Sinn. Über Zugeständnisse zu verhandeln, damit sie drin bleiben, wäre erst recht inakzeptabel. Mögen sie austreten! Dies wird Trump maximal isolieren, den sozialen Protestbewegungen in den USA gegen seine Politik Auftrieb verschaffen und ihn hindern, seinen klimanegationistischen Schwachsinn auf der internationalen Bühne weiter zu verbreiten.

      
Mehr dazu
Interview mit K. Hasse: Übergangsprogramm gegen die kapitalistische Umweltzerstörung, die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017)
Interview mit Daniel Tanuro: „Ökosozialismus: Mehr als eine Strategie“, die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017)
Daniel Tanuro: Was steckt hinter der CO2-Steuer?, die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017)
Jakob Schäfer: Die Trump-Wahl und die Parallelen zu Europa, die internationale Nr. 1/2017 (Januar/Februar 2017)
Erklärung des Internationalen Komitees der IV. Internationale: COP21 - Perspektiven des Klassenkampfs, Inprekorr Nr. 3/2016 (Mai/Juni 2016)
Daniel Tanuro: COP 21 - Gipfel der Verlogenheit, Inprekorr Nr. 6/2015 (November/Dezember 2015)
 

Die selbst gesteckten Vorgaben zur Abgasreduktion der Regierungen, die sich über den Rückzug der USA echauffieren, müssen radikal nach oben korrigiert werden, um diesen Rückzug zu kompensieren, aber auch, um die ohnehin vorhandene Lücke zu füllen, die zwischen der Zielsetzung von 1,5 °C maximaler Erwärmung einerseits und den NDC dieser Staaten andererseits besteht. Diese Anstrengungen müssen sozial gerecht sein und die sozialen Interessen der Länder des Südens berücksichtigen, was jeweils radikale antikapitalistische Maßnahmen erfordert und nicht „Emissionszertifikate“ und andere „Marktmechanismen“.

Dies heißt auch: Keine Unterstützung für das Pariser Abkommen und für eine China-EU-Achse. Denn die Trump-Affäre beweist letztlich, dass es keine Antwort, die den klimapolitischen Herausforderungen gerecht wird, geben kann, die den Rahmen eines von Wachstum und Profi getriebenen Kapitalismus und einer neoliberalen Politik, die Arbeitslosigkeit, Verelendung und Ungleichheit gebiert, respektiert. Der Kampf gegen den Klimawandel läuft über die Kämpfe der sozialen Bewegungen und die Zusammenführung dieser Kämpfe. Wir brauchen eine weltweite Bewegung für Klimagerechtigkeit.

Tricksereien und halbherzige Maßnahmen haben wir genug erlebt. Stattdessen müssen

Nur solche Forderungen eröffnen eine Perspektive, die dem Ernst und der Dringlichkeit der sozialen und ökologischen Krise zugleich gerecht wird.

1. Juni 2017

Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in die internationale Nr. 4/2017 (Juli/August 2017). | Startseite | Impressum | Datenschutz