USA

Für Jill Stein und eine unabhängige Politik

Nationales Komitee von Solidarity

Bernie Sanders Kampagne für eine „politische Revolution“ erleuchtete den Vorwahlkampf wie ein Meteor den Abendhimmel. Entgegen der landläufigen Meinung, dass er aufblitzen und schnell verblassen würde, blieb Sanders ein Problem für die Demokratische Parteimaschine während der ganzen Vorwahlen. Er übertraf alle Erwartungen, gewann 23 Vorwahlen und Parteikonferenzen, sammelte den erstaunlichen Betrag von 222 Millionen Dollar fast ausschließlich aus kleinen Spenden und sicherte sich über 1800 Delegierte.

Sanders und seine Anhängerschaft versprachen, bis zum Parteitag von Philadelphia weiterzumachen und dafür zu kämpfen, einen „progressiven Pflock“ in das Wahlprogramm der Partei einzuschlagen. Aber mit der lang erwarteten (und letztlich unvermeidlichen) Nominierung von Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin ist Bernie Sanders eingeknickt, um nun „alles zu tun, um Donald Trump zu besiegen“.

Die Sanders-Kampagne verkörperte immer einen Widerspruch. Innerhalb des Rahmens eines starren Zwei-Parteien-Systems gab die Bewerbung um die demokratische Nominierung einem bekennenden „demokratischen Sozialisten“ Zugang zu den Stimmzetteln und einen Platz in den Debatten. Doch es bedeutete auch, wie Sanders von Anfang an offen gesagt hat, dass er die von der Partei am Ende nominierte Person unterstützen würde, und es gab nie einen Zweifel darüber, wer das sein würde. Trotzdem verstehen wir, warum viele seiner Anhänger enttäuscht sind; dies ist kein überraschendes Ergebnis, und es stellt sich die Frage: „Was nun?“


Energie und Hoffnung


Wie viele andere auf der Linken begrüßte Solidarity die Energie und die Hoffnung auf Veränderung, die die Sanders-Kampagne auslöste. Falls Du Solidarity nicht kennst – wir sind eine sozialistische, feministische, antirassistische Organisation. Unsere Mitglieder in einer Reihe von Gewerkschaften und Städten haben sich am „Labor for Bernie“-Projekt beteiligt, das wir als ein wichtiges Werkzeug sehen, um politische Diskussionen zur Sache der Gewerkschaftsmitglieder und nicht der Führung zu machen.

Nun ist es aber eine bittere Tatsache, dass der Schwung und die Kreativität des Vorwahlkampfes den Weg frei machen zu einem schäbigen Rennen zwischen dem zynischen Unternehmer-Zentrismus von Hillary Clinton und dem widerlichen rassistischen Wirtschaftsnationalismus von Donald Trump. Im derzeitigen besonders bösartigen Klima ist es für uns von wesentlicher Bedeutung, alle Kraft auf die Verteidigung von „Black Lives Matter“ (BLM) gegen die rassistischen Schmähungen und Angriffe der Rechten zu richten. Die Angriffe auf die BLM sind praktisch eine Lizenz für weitere Gewalt und Morde gegen afroamerikanische Menschen und Gemeinschaften.

Sicher ist ein Teil der Strategie, die „politische Revolution“ fortzusetzen, die Bewegungen aktiv zu halten – die Kämpfe für rassische und reproduktive Gerechtigkeit, der Kampf für 15 $ Mindestlohn, Solidarität mit Eingewanderten und Widerstand gegen Homophobie, Transphobie und Islamophobie. Die wichtigen Errungenschaften des LGBTQ-Kampfes müssen verteidigt und ausgebaut werden.

Trotz aller Anstrengungen der Unterstützerinnen und Unterstützer von Sanders findet sich im Wahlprogramm der Demokraten fast nichts davon. Der Antragsausschuss hat die Resolutionen abgewiesen, das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP (das bei der Bevölkerungsmehrheit verhasst ist) abzulehnen, das Fracking zu beenden (sogar auf Bundesland!) und die palästinensische Bevölkerung im Kampf gegen die israelische Besatzung zu unterstützen. Es gab keinen Grund, etwas anderes von einer Partei des Kapitals und des Imperialismus zu erwarten. Um diese Niederlagen hübsch darzustellen wurde viel von der „fortschrittlichsten Plattform der Demokraten aller Zeiten“ geredet. Aber um es klar zu sagen, das meiste davon – außer vielleicht der schrittweisen Erhöhung des Mindestlohns – besteht aus vagen Allgemeinheiten, die schnell vergessen sein werden.


Eine Alternative ist möglich


Wenn man meint, dass eine bessere Alternative möglich ist, braucht eine Bewegung für eine „politische Revolution“ auch einen Ausdruck auf Wahlebene. Bei dieser Wahl ist der beste Ausdruck auf nationaler Ebene für das, wofür wir alle kämpfen, die Kampagne der Grünen Partei für Jill Stein. Solidarity unterstützt diese Kampagne als eine Möglichkeit, die „politische Revolution“ in 2016 zu unterstützen.

Wenn man nicht nur bis zum Wahltermin im November schaut, sondern auch darüber hinaus, dann muss man – und das gilt vor allem für die Unterstützerinnen und Unterstützer von Bernie Sanders, die die Sackgasse der Option Hillary Clinton ablehnen – ins Auge fassen, dass es mehr als einen anderen Kandidaten braucht: Es braucht eine andere Partei. Hillary Clinton hat die Demokratische Partei nicht gekapert. Sie repräsentiert genau das, was die Demokratische Partei wirklich ist: Wall-Street-Connections, Militarismus und all das. Es gab keine Möglichkeit, dass Bernie Sanders der Kandidat der Demokraten werden würde.

Diese Realität erklärt, warum die Unterstützung für Jill Stein wächst. Ebenso wie lokale unabhängige politische Organisationen, Kampagnen und Wahlinitiativen. Wir rufen auf für eine Stimme für Jill Stein, aber wichtiger als eine einmalige „Proteststimme“ ist eine solide unabhängige politische Organisation. Das wird ein langer Weg zu sein und es gibt keine Zauberformel zur Schaffung einer auf die Arbeiterklasse ausgerichteten Partei in den Vereinigten Staaten, die die Stimme der sozialen Bewegungen sein kann. Aber schon jetzt sollte eines klar sein: die Falle, immer wieder für ein „kleineres Übel“ nach dem anderen zu stimmen, das doch nur Unternehmerpolitik verkörpert, wird uns nur schlechtere und nutzlosere Alternativen übrig lassen.

Die Demokratische Partei will die Stimmen der Sanders-Unterstützenden, aber nicht ihre Forderungen, die Banken zu brechen, die Superdelegierten loszuwerden, das TPP zu versenken und endlich die obszöne einseitige Unterstützung der USA für Israels Krieg gegen das palästinensische Volk zu beenden. „Wählen und Klappe halten“, ist die Botschaft der Clinton-Kampagne an die Sanders-Basis. Es muss einen besseren Weg geben, sonst werden wir nie etwas anderes sehen als die miserable alternativlose Politik des „Duopols“ der Unternehmerparteien.

Wer eine „politische Revolution“ will, die über leere Versprechungen hinausgeht, für den ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um mit den kapitalistischen Parteien zu brechen. Bei der Jill-Stein-Kampagne heißt es dazu:

Eine Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit läuft um den Planeten von Occupy Wall Street über den arabischen Frühling bis zur „Black Lives Matter“-Bewegung. Die Menschen erheben sich, um den neoliberalen Angriff zu stoppen; sie fordern ein Amerika und eine Welt, die für alle da sind. Während unsere Bewegung wichtige Siege erringt – vor allem für existenzsichernde Löhne und gegen fossile Energien – hat die wirtschaftliche Elite ihren Griff nur noch mehr verschärft. Die Menschen erkennen, dass, wenn wir die verrottete Wirtschaft, das verrottete System rassischer Ungerechtigkeit, das verrottete Energiesystem usw. in Ordnung bringen wollen, dass wir dann auch das verrottete politische System reparieren müssen …

Jill Steins „Power to the People“-Programm spiegelt viel von der Innenpolitik der Sanders-Kampagne wider: Einkommensgleichheit, Klimagerechtigkeit, kostenlose öffentliche Hochschulbildung, Medicare für alle, Rechte für Immigrantinnen und Immigranten, Gerechtigkeit für alle Rassen und ein Ende der Masseneinkerkerung. In anderen Bereichen geht Stein viel weiter als Sanders: für die Streichung der studentischen Schulden, volle öffentliche Wahlkampffinanzierung und die Schaffung öffentlicher Banken.

      
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Die Woge der Unterstützung für Donald Trump wurde durch die wirtschaftliche Misere des NAFTA und der Deregulierung der Wall Street ausgelöst – eine Politik, die von beiden Clintons gefördert wurde. Der neoliberale Clintonism hat auch den Aufstieg von Trump verursacht.

Die Uhr tickt – für den nächsten Zusammenbruch der Wall Street, für die Kernschmelze des Klimas, die expandierenden Kriege, das Abgleiten zu Faschismus, nuklearer Konfrontation und vielem mehr. Dies ist die Zeit, mit Mut für unsere Überzeugungen einzustehen, solange wir noch können. Vergesst das kleinere Übel. Kämpft für das größere Gute – als würde unser Leben davon abhängen, denn das tut es. Die Unternehmerparteien werden das für uns nicht klären. Wir sind die, auf die wir gewartet haben.“

Dem stimmen wir voll zu und dies begründet einmal mehr, warum heute die Zeit für den Aufbau unabhängiger Politik ist.

19. Juli 2016
Übersetzung: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 5/2016 (September/Oktober 2016). | Startseite | Impressum | Datenschutz