Griechenland

Die Werktätigen gegen das sog. Stabilitätsprogramm

Tassos Anastassiadis und Andreas Sartzekis

Während dieser Artikel geschrieben wurde, taten die griechischen Medien alles, um dafür zu sorgen, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit nicht auf die Dringlichkeit einer massiven und andauernden Mobilisierung richtet, sondern auf das angespannte Klima der Debatten innerhalb der Europäischen Union darüber, ob Griechenland Hilfe „verdient“ und inwieweit die Zuflucht zum IWF akzeptabel ist. Diese Debatte ist gewiss nicht ohne Interesse, zumindest aus zwei Gründen: Sie erlaubt die Feststellung, inwieweit die großen Reden über die europäische Einheit und ihre berühmte Verfassung zu Fetzen Papier werden, wenn die Widersprüche unter den Kapitalisten größer werden; außerdem wird dadurch, dass der griechische Staat unter die Vormundschaft nicht gewählter europäischer Institutionen oder der Regierungen Frankreichs und Deutschlands gestellt wird, klar, dass die wirklich effektive Antwort der Werktätigen in Griechenland eine Antwort der Arbeitenden auf europäischer Ebene verlangt. Zahlreiche Zeugnisse, die in diese Richtung weisen, sind ermutigend, wenngleich begrenzt: die Anwesenheit von John Monk, dem Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds, an der Spitze der großen Athener Demonstration vom 24. Februar, sowie zahlreiche Bekundungen der Solidarität mit den Kämpfen der Werktätigen in Griechenland.

Aber nach den sehr großen Generalstreiks vom 24. Februar und vom 11. März verschieben die Gewerkschaftsführungen die Mobilisierungen auf später und bestätigen so, falls es noch nötig war, die enge Verbindung der herrschenden Bürokratie mit der Führung der PASOK. Sowohl im Dachverband GSEE als auch in der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (ADEDY) gehört die Mehrheitsströmung in der Führung zur PASOK. Dabei geht es für die PASOK und Ministerpräsident Georgios Papandreou, den Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, darum, alles zu tun, um vergessen zu machen, dass der große Wahlsieg vom September 2009 [1] vor allem ein Sieg gegen die Rechte und ihre Sparpolitik war. Innerhalb weniger Wochen hat die Führung der PASOK die schlimmsten Maßnahmen gegen die Bevölkerung seit dem Ende des Bürgerkriegs 1949 verabschiedet. Der vorliegende Beitrag behandelt diese Maßnahmen und die Mobilisierungen der Arbeitenden. Es ist aber selbstverständlich, dass in dem Moment, wo beispielsweise in Frankreich die Sozialistische Partei gerade einen großen Wahlsieg gegen die Rechte um Sarkozy errungen hat, die Dringlichkeit, nicht nur die Rechte, sondern auch ihre Politik zu bekämpfen, die Stärkung der Mobilisierung und den Aufbau einer antikapitalistischen Organisation bedeutet, die unabhängig ist von der Sozialdemokratie und ihren Kapitulationen.


Katastrophale Massnahmen


Unter dem Vorwand, von der vorangegangen Regierung gefälschte Zahlen und somit eine wirtschaftliche Lage entdeckt zu haben, die das Land an den Rand des Ruins bringt, wollte Papandreou seit dem Ende des letzten Herbstes das Land auf Maßnahmen vorbereiten, die zunächst als unvermeidbar und in den letzten Wochen als Maßnahmen dargestellt wurden, die die nationale Einheit wie in einer Kriegssituation erforderten … Tatsächlich ist es ein sozialer Krieg, denn die in mehreren Paketen im Abstand einiger Wochen angekündigten Maßnahmen sind folgende:

Im Übrigen ist die von den Ländern der Eurozone am 25. März gewährte „Unterstützung“ tatsächlich nur eine Unterstützung für die Märkte und die exorbitanten Zinsraten, die sie von verschuldeten Ländern wie Griechenland verlangen, denen versichert wird, dass die Eurozone mit einem Darlehensfonds des IWF und der anderen Länder der Zone die Fortsetzung der Zahlungen garantieren wird. In dieser Perspektive werden neue Angriffe vorbereitet, was Papandreou auch immer sagen mag. Auch umfasst das Abkommen, dessen Text nicht veröffentlicht ist, die Inanspruchnahme des IWF, dessen „Hilfe“ für Ungarn in Privatisierungen und der Verkleinerung des öffentlichen Sektors bestand.

Erwartet wird auch, dass die Angriffe auf die Löhne sich auf den privaten Sektor ausdehnen, wobei einige Unternehmen dem bereits vorausgeeilt sind. Aber es geht auch um das Recht auf Arbeit, das für die Unternehmer die Beschäftigten besonders im Fall von Entlassungen noch zu sehr schützt. Der Direktor der Bank von Griechenland hat seine Unterstützung für die Maßnahmen bekundet und dabei zur Bedingung gemacht, dass die Regierung die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit angreift; denn die Kosten der Arbeit seien in Griechenland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu hoch.

Was die OECD betrifft, so gibt sie vor, die Jugendarbeitslosigkeit vermeiden zu wollen, die auf 28 Prozent steigen könnte, um einige Empfehlungen zu geben: eine Herabsetzung der Entlohnung neuer Erwerbstätiger, Erleichterungen bei Entlassungen (das Gesetz verbietet die Entlassung von mehr als 2 Prozent der Belegschaft pro Monat) und Veränderungen bei den Abfindungen …

All dies genügt, um die Nichtigkeit der Debatte über die Inspiratoren all dieser Attacken und die „kleineren Übel“ unter den Lösungen zu erkennen: Ob IWF, EU oder griechische Bourgeoisie – das Ziel aller ist die Verteidigung der Profite durch Angriffe auf die Werktätigen.


Dramatische Folgen


Hier ein konkretes Beispiel der Maßnahmen in Bezug auf die Löhne: Ein Beamter, der im Jahr 14 000 Euro verdiente, wird 1200 Euro verlieren, wer 24 000 Euro verdiente, wird 2200 verlieren. Die bereits erbärmlichen Renten werden Hunderttausende an den Rand der Existenz bringen, umso mehr da die Solidarität der Familien, die bislang noch eine Rolle spielen konnte, zerfallen ist: In den großen Städten erleben wir nun das Phänomen der Obdachlosigkeit. Diese Maßnahmen werden nur die Unternehmer zu schärferen Angriffen ermutigen. Die Zeitung To Vima vom 25. März gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die die Tarifverträge mit Füßen treten, um unter Androhung von Entlassungen individuelle Verträge bei geringeren Bezügen zu erzwingen, und zwar in allen Regionen: in Nordgriechenland ebenso wie auf den Inseln oder in den großen Städten wie Piräus (Arbeitslosigkeit: 25 Prozent) oder Patras. Natürlich werden die Maßnahmen den individuellen Konsum senken (von -3 auf -6 Prozent) und negative Auswirkungen auf Sektoren wie Bau (bereits 140 000 neue Wohnungen stehen leer) oder den Tourismus haben. Das Hotelgewerbe erwartet einen Verdienstausfall von 500 Millionen Euro, und in diesem Sektor, in dem allein ein Drittel der Beschäftigten nicht gemeldet ist, sind im Jahr 2009 10 000 entlassen worden.

Unter diesen Umständen wird die Erwerbslosigkeit explodieren. Die offiziellen Zahlen zeigen, dass sie von 514 000 Erwerbslosen im letzten Quartal 2009 auf 766 000 im März 2010 gestiegen ist (bei einer Gesamtbevölkerung von 11 Millionen). Dabei ist der Anteil von Frauen und jungen Menschen und von Regionen wie Ostmazedonien und Thrazien überproportional groß. Selbst der Arbeitsminister schließt für das Jahresende eine offizielle Erwerbslosenrate von 20 Prozent nicht aus … und dies während die offiziellen Schätzungen eine aktuelle Rate von 18 Prozent angeben, bei einer für das Jahr geschätzten Rezession von 2 und sogar 4–5 Prozent.


Eine griechische Krise?


Die Zahlen sind bekannt: Ende 2009 hatte die öffentliche Verschuldung 135 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht. Diese Zahlen wurden angeblich verborgen, was unsere tugendhaften Verantwortlichen der europäischen Ökonomie schockieren sollte. Man könnte lachen, wenn die Lage nicht so dramatisch wäre: Es genügt, sich daran zu erinnern, dass die Gegner der Olympischen Spiele von 2004 die beständige Verschuldung heranzogen und damit schreckten, dass sie die Organisation der Spiele in Athen durchkreuzen würde.

Wie Pascal Franchet sagt, konnte „seit 2001 […] die Europäische Kommission die geringe Verlässlichkeit der von Griechenland präsentierten Konten nicht ignorieren“. [2] In jedem Fall geriet Griechenland in dieser Situation in eine Spirale des Bankrotts, mit Anleihen zu Raten, die 7 Prozent überstiegen und so die Verschuldung vergrößerten. Daher Papandreous Maßnahmen und der Appell an die europäische Hilfe.

Papandreou hat erklärt, dass diese Hilfe vor allem ein politisches Zeichen in Richtung der Spekulanten sei; d. h. dass Griechenland über die europäische Garantie zur Zahlung seiner Anleihen (kurzfristig 5 Milliarden) verfügt. Auf innenpolitischer Ebene wollte er in der Lage sein, durch ein „gutes Abkommen“ die Nützlichkeit von Opfern der Bevölkerung zu rechtfertigen. Er hat tatsächlich eine maßvolle Unterstützung erreicht: Die deutsche Kanzlerin hat gefordert, dass der IWF für etwa ein Drittel der finanziellen Unterstützung auf den Plan tritt, während der französische Präsident oder der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, vorgaben, eine strikt europäische Lösung zu wollen.

Diese ganze Verhandlung wird vor allem als ein schönes Drama veranstaltet. Zunächst weil derselbe Trichet natürlich auf der Tatsache bestand, dass es sich nicht darum handelt, Subventionen zu leisten, sondern nur um eine Darlehensgarantie zu einer etwas niedrigeren Zinsrate als der der Spekulanten! Dann werden, weil es tatsächlich um eine europäische Regelung geht, die Debatten von Merkel und Sarkozy angeführt, die dann die anderen europäischen Akteure beteiligen. Die Details der Debatte sind nicht bekannt, aber zu berücksichtigen ist, dass Griechenland für Deutschland der zweitbeste Rüstungskäufer ist (9,6 Prozent von Deutschlands Rüstungsverkäufen der letzten 30 Jahre, 18,2 Prozent davon im Jahr 2006), für Frankreich der vierte (5,5 Prozent im Durchschnitt, davon 35,9 Prozent 2007!), und dass diese beiden Länder wollen, dass Griechenland sechs französische Fregatten kauft (die 3 Milliarden Euro kosten) sowie von Deutschland wie vorgesehen ein U-Boot und Dutzende Kampfflugzeuge!

Sicher ist in jedem Fall, dass sich sowohl der IWF als auch die Führer der Eurozone von nun an noch mehr in Griechenland einmischen und dabei zum Beispiel eine radikale Reform der Sozialversicherung oder die Privatisierung öffentlicher Unternehmen fordern werden.

Wenn wir in Betracht ziehen, dass Griechenland kein isolierter Fall in Europa ist, verstehen wir, dass die Behandlung des griechischen Falls durch die europäischen Verantwortlichen beispielhaft ist: Die erfolgreiche Durchsetzung drakonischer Maßnahmen gegen die griechische Bevölkerung soll vor allem als Beispiel dienen – einerseits für die Werktätigen und andererseits für die Banken und andere Spekulanten –, das klar zeigt, welche Interessen bedient werden.

Denn im Grunde regelt das Abkommen von Brüssel nichts und wird die Dinge nur noch verschlimmern. So ist bezüglich des Steuerbetrugs nichts geregelt, und weder Papandreou noch die europäischen Führer stellen das „Off-shore“-Statut der großen griechischen Reeder, die so der Steuer entgehen, in Frage.

Ihre Leidenschaft für das private Unternehmen wird eine der Schwächen des griechischen Sozialsystems verstärken: Die Zahl der nicht angemeldeten Beschäftigten in Griechenland wird auf 1,5 Millionen geschätzt, und diese arbeiten unter den schlimmsten Bedingungen. So gibt es im Sektor der privaten Postbetriebe 12 000 Beschäftigte ohne Tarifvertrag, mit rückständigen Lohnzahlungen, ohne vierzehnten Monatslohn, und ihre zahlreichen Unfälle im Außendienst werden nicht als Arbeitsunfälle betrachtet. In den privaten Telefonzentralen arbeiten die Beschäftigten mit Individualverträgen fünf Tage in der Woche, darunter am Sonntag, von 20 bis 24 Uhr für 650 Euro im Monat. Ganz zu schweigen von den „LeiharbeiterInnen“ der großen Unternehmen, die acht Stunden am Tag für 650 Euro im Monat arbeiten. All dies ist illegal, aber es gibt zu wenig Arbeitsinspektoren im Land, und all dies erklärt, dass nur 15 Prozent der Beschäftigten des Privatsektors gewerkschaftlich organisiert sind.

Ein solches Modell auf ganz Europa auszudehnen ist der Traum der europäischen Bourgeoisie und ihrer Vertreter, die lieber den Spekulanten und den modernen Sklavenmärkten kurzfristige Profite bieten, als auch nur klassische keynesianische Lösungen anzuwenden.


Widerstand!


Die Ankündigung von Maßnahmen, die als die einzig möglichen präsentiert werden, ist unmittelbar von Meinungsumfragen begleitet worden, die andeuteten, dass die Mehrheit der Bevölkerung sie unterstützte. Aber obwohl die Gewerkschaftsführungen der PASOK zu bremsen versuchten, drängten die Arbeitenden zur Mobilisierung, und zwar dank zweier Faktoren: der Erfolg eines ersten Generalstreiks am 17. Dezember und die aktive Rolle der Basisgewerkschaften gegen die Trägheit der oberen und mittleren Ebenen.

Tatsächlich drängen seit mehreren Monaten lokale Gewerkschaftseinheiten, vor allem im öffentlichen Sektor, auf die Mobilisierung angesichts der Krise, gegen die die im September gewählte PASOK-Regierung keinerlei Maßnahmen ergriffen hatte. Die Rolle dieser gewerkschaftlichen Gruppen war entscheidend für die Lancierung eines Streiktags im ganzen Land am 17. Dezember, der auch in anderen Sektoren gut befolgt wurde. An diesem Streik war der mit der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) verbundene Gewerkschaftsverband PAME stark beteiligt, und zwar mit einer sektiererischen Logik (gegen GSEE und PASOK), aber schließlich wurde der Streik vom 17. Dezember trotz der starken Präsenz der PAME nicht als ein Streik gegen den GSEE gesehen, sondern mehr als etwas, was zu tun nötig war. So musste ADEDY, als Papandreou das erste Paket seines „Stabilitäts- und Entwicklungsprogramms“ (!) verkündete und dabei erklärte, „dass wir als Volk, als Nation, als Hellenismus nicht in der Situation sind, in der wir Blockaden, Streiks oder Arbeitsniederlegungen unterstützen können“, unverzüglich zu einem ersten Streik am 10. Februar aufrufen, der von den Beschäftigten des öffentlichen Sektors gut unterstützt wurde, von dem aber niemand wusste, dass er nur eine Etappe war.

Die folgende Etappe war unter dem Druck der Werktätigen der Generalstreik vom 24. Februar, zu dem GSEE und ADEDY gemeinsam aufgerufen hatten, mit 50 000 Streikenden auf den Straßen von Athen. Dem folgte eine noch massivere Mobilisierung am 11. März. Außerdem hatte es Arbeitsniederlegungen, Besetzungen (des Finanzministeriums durch PAME und einer zentralen Straße in Athen eine Woche lang durch die entlassenen Angestellten der Fluggesellschaft Olympiaki) und natürlich Demonstrationen gegeben wie die vom 23. März, zu der ADEDY aufgerufen hatte. Das Ergebnis war, dass Mitte März eine Umfrage der Zeitung Eleftherotypia besagte, dass 62 Prozent der Bevölkerung zu Mobilisierungen gegen die antisozialen Maßnahmen bereit seien!

Aber es ist keine Überraschung, wenn wir feststellen, dass die Führungen von GSEE und ADEDY, statt zu Kämpfen zu ermutigen, keine weiteren Termine für größere Aktionen festlegen. Der GSEE-Kongress, der gerade stattgefunden hat, war zehntausend Meilen von der Notwendigkeit zur Mobilisierung entfernt. Die Philosophie seines Führers, Giannis Panagopoulos, ist klar: Es ist nicht gerecht, dass die Arbeitenden die ganze Krise bezahlen …, soll heißen, dass sie einen Teil bezahlen sollen. Der GSEE gratuliert sich dafür, dass Abfindungen bis 60 000 Euro nicht besteuert werden! Obwohl derselbe Führer in seinen öffentlichen Reden zu sagen wagt, dass die Werktätigen die Krise nicht bezahlen sollen, ist die Unterwürfigkeit der herrschenden Strömung der GSEE gegenüber der PASOK klar. (Dies bedeutet übrigens einen Bruch mit der Konfrontation, die im Jahre 2001 der damalige GSEE-Führer, ebenfalls ein PASOK-Mitglied, gegen die Rentenreformpläne der PASOK organisiert hatte.) Was sagt im Übrigen der Vorsitzende des EGB anderes, wenn er in Bezug auf Griechenland äußert: „Wir wollen Pläne, die ausgewogen und gesellschaftlich akzeptabel sind“?

Wir können so die entscheidende Rolle sehen, die in diesem Kontext die Basisgewerkschaften für die Verstärkung des Drucks im Sinne eines dauerhaften Generalstreiks spielen, den man offensichtlich nicht dekretieren, aber durch konkrete Mobilisierungen (Streiks, Besetzungen …) vorbereiten kann. Angesichts des augenscheinlichen Willens, die Arbeitenden zu demobilisieren (viele Kommentatoren fürchten eine soziale Explosion, die über die Revolte vom Dezember 2008 hinausgeht) und sie zu bloßen Zuschauern der „Konflikte“ zwischen Vertretern des Großkapitals zu machen, müssen die kämpferischen Kräfte breite Einheitsinitiativen vorschlagen, entgegen dem von der PAME-Strömung gelieferten Beispiel.


Mobilisierungen und antikapitalistische Initiative


Die Bedeutung dessen, was auf dem Spiel steht, und die Hindernisse für die Mobilisierung erfordern natürlich, die von den politischen Parteien eingenommenen Positionen und ihre möglichen Widersprüche in Betracht zu ziehen, angefangen mit der PASOK. Auf den ersten Blick scheinen die Basismitglieder der PASOK o.k. zu sein. Die Debatten finden nur zwischen den Führern statt, wobei es darum geht, ob es nötig war, das Eingreifen des IWF zu akzeptieren. Aber natürlich war es Papandreou selbst, der die Frage aufgeworfen hatte, als er drohte, sich nur an den IWF zu wenden, falls die EU Griechenland nicht hilft. Tatsächlich bezieht sich die von PASOK-Kadern geäußerte „linke“ Kritik nicht auf die Notwendigkeit der Maßnahmen, sondern auf das Fehlen gemeinsamer, die Entwicklung fördernder Maßnahmen. Es geht also darum, bei den Mobilisierungen die große Masse der Basis der PASOK einzubeziehen, die heute schweigt, während sie an den früheren Mobilisierungen beteiligt war.

Das schlimmste für die PASOK ist, dass ihre politische Hauptstütze heute nicht die Rechte ist, die große Schwierigkeiten hat, sich von ihrer Wahlniederlage im September zu erholen, sondern die extreme Rechte, die die Karte der nationalen Einheit spielt und natürlich über die Angriffe auf die Arbeiterklasse nur erfreut sein kann. Abgesehen von der Tatsache, dass ihr Chef vom Misskredit der PASOK zu profitieren hofft, ist es bemerkenswert, dass die extreme Rechte weiter aktiv ist, mit extrem gewalttätigen faschistischen Grüppchen, die Immigranten und linke Aktivisten angreifen. Außerdem zeigt sich deutlich der Einfluss dieser nationalistischen extremen Rechten bei den Repressionsorganen, und eine vereinte Antwort darauf ist dringend nötig.

      
Weitere Artikel zum Thema
Interview mit François Sabado: Europa – die Krise und die antikapitalistische Linke, Inprekorr Nr. 454/455 (September/Oktober 2009)
Erklärung der Konferenz der Europäischen Antikapitalistischen Linken: „Nicht die Völker und ArbeiterInnen sollen für die Krise bezahlen, sondern die Kapitalisten!“, Inprekorr Nr. 450/451 (Mai/Juni 2009)
 

Links von der PASOK lassen sich zwei Arten von Reaktionen unterscheiden: erstens jene der KKE und ihres Gewerkschaftsflügels PAME. Hinter einem Diskurs mit bisweilen antikapitalistischen Tönen tritt ein gefährliches Sektierertum zutage. Für sie besteht die Lösung der Krise nur in der Stärkung der eigenen Organisation, und es wird alles getan, um nicht gemeinsam mit den Mehrheitsgewerkschaften zu Aktionen aufzurufen oder am selben Ort zu demonstrieren. Dabei ist die Militanz vieler ihrer Mitglieder offensichtlich. Es geht darum, sie dazu zu bringen, in Einheitsinitiativen mitzuarbeiten.

Die zweite Position besteht darin, eine einheitliche Mobilisierung anzustreben, um die Maßnahmen der Regierung zu Fall zu bringen. Auf dieser Achse bewegen sich die beiden Bündnisse der antiliberalen und antikapitalistischen Linken, SYRIZA und Antarsya („Antikapitalistische linke Kooperation für den Umsturz“). Natürlich gibt es viele Nuancen bei der Analyse, sogar zwischen den beiden deutlich getrennten Fraktionen innerhalb von SYRIZA: Einerseits besteht ihr Sprecher Alexis Tsipras vor allem auf dem Fehlen entwicklungsfördernder Maßnahmen, während Alekos Alavanos, der frühere Sprecher, den Rücktritt der Regierung fordert. In Antarsya gibt es auch Nuancen zwischen den Strömungen, die nur auf den Generalstreik schwören, und jenen wie der OKDE-Spartakos (griechische Sektion der IV. Internationale), die die Prozesse betonen, die nötig sind, um zu einem solchen Generalstreik zu kommen.

Jedenfalls betonen beide Gruppierungen heute die Notwendigkeit von Komitees gegen das Stabilitätsprogramm der PASOK, mit dem Ziel der Bildung lokaler Komitees, die sich an die Masse der Bevölkerung wenden. Dies Herangehen versucht auch die Mitglieder der KKE einzubeziehen, aber auch, wenngleich es keinen direkten Appell an ihre Partei gibt, die der PASOK. Aber am wichtigsten ist, dass diese Komitees versuchen, Gewerkschaftsaktive (Rolle der Basisgewerkschaften) mit anderen – aus politischen Organisationen, Wohnvierteln und Unorganisierte – zusammenzubringen. Die ersten Initiativen zeigen, dass dies möglich, aber vor allem auch unerlässlich ist, um die Dynamik auszulösen, die alle Verfechter der bürgerlichen Ordnung (oder Unordnung) fürchten. Deshalb muss diese Achse eine Logik der radikalen Infragestellung des Kapitalismus enthalten: Ablehnung militärischer Ausgaben, 1400 Euro Mindestlohn, Reduzierung der Arbeitszeit, Verstaatlichung der Banken, im öffentlichen Dienst Anstellung mit unbefristeten Verträgen …

Athen, 28.3.2010

Tassos Anastassiadis und Andreas Sartzekis sind Leitungsmitglieder der OKDE-Spartakos (griechische Sektion der IV. Internationale), die Teil des antikapitalistischen Bündnisses Antarsya ist.

Übersetzung: HGM



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 462/463 (Mai/Juni 2010). | Startseite | Impressum | Datenschutz


[1] Inprecor, Nr. 555, November 2009, „Une déroute de la droite… reste à battre sa politique!“ (nur französisch)
[2] https://www.cadtm.org/Le-sens-de-la-crise-grecque