Ökologie

Kapitalistische Dummheit

Erdöl- und Energiekonzerne, Bauunternehmen, Getränkehersteller, Eisproduzenten, Reiseunternehmer – alle versichern sich gegen Unwägbarkeiten des Klimas wie zu milde oder zu raue Winter, zu regnerische oder heiße Sommer.

Wetterderivate sind Finanzinstrumente dieser Versicherungen, Produkte für die Börsenspekulation. Verglichen mit anderen Derivaten findet der Handel noch auf einem bescheidenen Niveau statt. Doch die Investoren setzen auf starkes Wachstum. Die Börse von Chicago plant eine Investition von 1,8 Millionen Dollar in drei Jahren, um diesen Markt auszubauen. Coriolis Capital, ein Vermögensverwalter, hat Wetterderivate um 350 Millionen Dollar gekauft. „Das Klima ist unser neuer Wilder Westen“, kommentiert Terry Duffy, Vorsitzender der Chicago Mercantile Exchange.

 

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Schlaue Kapitaleigner versuchen, Wetterderivate verschiedener Länder und Kontinente anzulegen. Extreme Wetterbedingungen sind oft sehr unterschiedlich verteilt. Während des Hitzesommers 2003 erlebte der Osten der USA beispielsweise einen eher feuchten, kühlen Sommer. Mit diversifizierten Wetterderivaten, Glück und den Tipps von Meteorologen können kluge Finanziers gute Profite erzielen.

Die in Aussicht stehenden Gewinne sind umso interessanter, als mit der globalen Erwärmung Klimaausschläge zunehmen werden. Die Häufung von Extremen wird die Unternehmen nur noch mehr bewegen, sich gegen das eine oder andere Risiko zu versichern. Mehr Wetterversicherungen bedeuten mehr Wetterderivate, also höhere Profite für die Finanzmärkte.

Der Titel des Artikels, dem diese Information entnommen ist, sollte Eingang in eine Anthologie der kapitalistischen Dummheit finden: „Der Natur freien Lauf lassen und Geld damit verdienen“. Soweit ein sehr konkretes Beispiel für die Art und Weise, wie durch den Wettbewerb Ansichten entstehen, die mit gesundem Menschenverstand und selbst dem Überlebensinstinkt nicht mehr viel am Hut haben, oder, um es mit Karl Marx zu sagen: „So falsch ist alles und so, auf den Kopf gestellt, bietet sich alles dar vom Standpunkt der Konkurrenz.“ [1]

Quelle: New York Times vom 15. August 2003.



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 428/429 (Juli/August 2007).


[1] Marx: Das Kapital, S. 3852. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 7161 (vgl. MEW Bd. 25, S. 703)