Am 29. Juli stimmten 90 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten im Flint Metal Fabrication Center für die Beendigung des seit dem 5. Juni laufenden Streik. Im seit dem 11. Juni bestreikten Delphi East Werk für Autozubehör votierten 76 Prozent für die Wiederaufnahme der Arbeit. Es wurde jeweils ein Abkommen angekommen, was zwischen der Automobilgewerkschaft UAW und General Motors ausgehandelt wurde. Zu den Verhandlungen kam es erst, als GM die heimlich mit 18 Sattelschleppern abtransportierten Maschinen- und Produktionsteile zurückbringen ließ.
Darin erklärt GM sich bereit: Das Gerichtsverfahren zurückzuziehen, das klären sollte, ob die Streiks der UAW illegal sind und wo bereits auf richterliche Anordnung ein Schiedsverfahren eingeleitet worden war; das Werk Delphi East in Flint sowie zwei Delphi-Werke in Dayton bis zum 1. Januar 2000 nicht zu verkaufen und keine wesentlichen Produktionslinien auszulagern; die Bezahlung von je fünf Feiertagslöhnen, die wegen des streikbedingten Zwangsurlaubs verloren gegangen waren, an 70.000 Beschäftigte, allerdings aus einem gemeinsamen Fortbildungsfond von UAW und GM; die versprochenen Investitionen in Höhe von 300 Millionen Dollar im Metal Center in Flint vorzunehmen.
Die UAW stimmte im Gegenzug zu, Auseinandersetzungen in GM-Werken in Dayton, Indianapolis sowie im Buick City Werk in Flint, wo jeweils schon Streikurabstimmungen durchgeführt wurden, ohne Streiks zu lösen. Für die beiden Werke in Dayton wurde eine genereller Streikverzicht bis zum Auslaufen des gegenwärtigen Tarifvertrages erklärt. Konflikte in anderen GM-Werken (Spring Hills, Janesville, Bowling Green) wurden von dieser Regelung ausgenommen. Für das Metal Fabrication Center in Flint wurde einer Produktivitätssteigerung um 15 Prozent zum 1. März 1999 zugestimmt. Das spezifische Vorgabesystem (sogenannte pegged rates), das im Streik besonders angegriffen wurde, bleibt erhalten, wenn auch auf Basis der neuen Produktivitätswerte.
An der Börse und in Kapitalkreisen wurde das Ergebnis als mittelprächtiges Desaster für GM bewertet. Das Analysten-Büro Burnham Securities ließ verlauten: "Es ist nicht hart, das Ergebnis ein Desaster zu nennen. Das Ziel für GM bleibt, die Kosten zu senken auf das Niveau der Konkurrenten von Ford und Chrysler, egal ob die Arbeitsstunden pro Auto oder die Arbeitseinheiten pro Arbeitskraft gezählt werden. Es ist nichts zu finden, was GM aus diesem Streik herausgeholt hat und was 2,2 Milliarden Dollar wert ist."
Auf Seiten der Belegschaft wurde heftig bemängelt, dass dieser Streik nichts löst. Alle Streitfragen von vor dem Streik blieben erhalten. Der große Streit wäre nur aufgeschoben. Im Herbst 1999 läuft der Hauptvertrag zwischen GM und der UAW ab, bis dahin bleibt GM durch das Abkommen weitgehend streikfrei. Die Chance, für die große Auseinandersetzung die Kräfte zu mobilisieren und durch viele lokale Siege das Vertrauen in die Gewerkschaft zu stärken, ist vertan.
Am 3. August, vier Tage nach dem Streikende, die meisten Fabriken waren noch nicht wieder voll angelaufen, verkündete GM die nächste Provokation: die GM-Tochter Delphi Automotive Parts, der weltgrößte Autozubehör-Produzent, mit 200.000 Beschäftigten, solle verkauft beziehungsweise als eigenständige Gesellschaft geführt werden. Damit eröffne sich GM die Option, neben Delphi-Produkten auch billigere Fremd-Zulieferer einzubinden.
Thies Gleiss
Dieser Artikel erscheint in Inprekorr Nr. 323.