Dänemark

Das Erntefest ist abgesagt

Göte Kildén

Die Ergebnisse der Wahlen in Dänemark waren eine gute Nachricht. Der Rechtsliberale Lars Løkke Rasmussen, der das Land 10 Jahre regiert hatte, musste gehen und auch die [rechtspopulistische] Dänische Volkspartei, die ihn unterstützt hatte, wurde aus der Regierungskanzlei in Christiansborg geworfen.

Aber mit Bildung der neuen Regierung wurde das, was ein „Abmelken“ der Reichen und der Banken werden sollte, wieder abgesagt. Dänemarks erste weibliche Premierministerin Helle Thorning-Schmidt wird die Lohnabhängigen des Landes zu keinem Erntefest einladen.

Zweifellos wird sich das politische Klima verbessern. Das Tiefdruckgebiet über Dänemark in Bezug auf die Einwanderung wird sich etwas abschwächen. Ein neuer Wind bläst in den Bereichen Kultur, Krankenversicherung, Arbeitsmarkt- und Kriminalitätspolitik sowie bei den geplanten Investitionen in grüne Jobs.

Aber gleichzeitig bricht die neue Regierung wichtige Wahlversprechen der Sozialdemokraten und der Sozialistischen Volkspartei. Logischerweise wurden daher Regierungserklärung und Thornings Eröffnungsrede im Parlament vom abgewählten Premierminister ausdrücklich gelobt. „Wirklich gut ist, dass sie ihre Wahlversprechen nach Millionärs- und Bankensteuern schon wieder aufgegeben hat, und dass sie nicht beabsichtigt, die früheren „Zusatzlöhne“ und die alten Regeln der Arbeitslosenversicherung wieder einzuführen“, rief er entzückt in der Zeitung Politiken.

Auch die politische Sprecherin der Enhedslisten Johanne Schmidt-Nielsen kam mit Lob. Doch in ihren Strauß waren zugleich Dornen eingeflochten. Die Partei, deren Stimmenzahl sich verdreifacht hat, hatte bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass sie nicht daran denkt, sich an der Regierung zu beteiligen. Aber gleichzeitig hatte sie ihre Unterstützung für Thorning als Regierungsbildnerin erklärt. Jetzt kritisiert sie die Regierung dafür, dass die Liberalen große Teile der Wirtschaftspolitik bestimmen dürfen und wichtige Wahlversprechen nicht gehalten werden, und versprach dann, dass „die Enhedslisten von Verhandlung zu Verhandlung kämpfen wird, um die neue Regierung auf einen solidarischeren Kurs zu ziehen“.

Die Mitglieder der Socialistisk Arbejderparti (SAP, IV. Internationale), die in der Enhedslisten mitarbeiten, sind wie alle anderen hinter dem Erdrutschsieg für die eigene Partei glücklich und stolz über die Steigerung des Stimmenanteils von 2,2 auf 6,7 Prozent. Es wurde politische Geschichte geschrieben. Ursachen für diesen Erfolg waren die dramatische Rechtsentwicklung der SF, die Fokussierung auf einige wenige wichtige Fragen sowie, dass das eigene Profil auf Fragen der Arbeiterklasse konzentriert war, meinen die Genossinnen und Genossen. Mit Themen wie Arbeitslosigkeit, Niedriglöhnen im öffentlichen Dienst und Kinderarmut - und der Forderung, dass die Reichen zahlen müssen!

Die Enhedslisten war auch die einzige Partei, die das Wählerinteresse am Klima ernst genommen und öffentliche grüne Jobs gefordert hatte. Gleichzeitig sagen sie in ihrer Wahlauswertung, dass die Bemühungen, diese Forderungen in Schrift und Wort zu popularisieren, besser funktionierten als zuvor. Damit ist klar, auf alle welche Fragen die Enhedslisten in der politischen Auseinandersetzung nach der Wahl den Schwerpunkt setzen sollte. „Johanne“ war auch einzigartig. Sie spricht über Politik in der eigenen Sprache der Menschen und kann Auseinandersetzungen „ohne abschreckende Aggressivität“ führen.

Aber nicht alles ist Sonnenschein. Der Wunsch nach „Stimmenmaximierung“ hatte seinen Preis, sagt die SAP weiter. Die Unterschiede gegenüber den Mitte-Links-Parteien (S-SF-R) wurden abgeschwächt. Aufrufe zu außerparlamentarischen Aktionen fehlten fast völlig. Die weitergehenden antikapitalistischen Parolen spielten im Wahlkampf keine Rolle.

      
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Mit allen neuen Mitgliedern und einer neuen Wählerschaft, können diese eigenen Unzulänglichkeiten nun Probleme mit der mühsamen Arbeit im Parlament und dem niedrigen Niveau der sozialen und politischen Mobilisierungen in der Gesellschaft schaffen. Es reicht nun nicht mehr aus, „von Verhandlung zu Verhandlung zu kämpfen, um die neue Regierung auf einen solidarischeren Kurs zu ziehen“, wie Johanne Schmidt-Nielsen es verspricht. Die Regierungserklärung ist in großen Stücken ein neoliberales Credo und lässt sich ohne künftige, große Protestbewegungen in Dänemark nicht zu Fall bringen.

10. Oktober 2011
Übers.: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 6/2011 (November/Dezember 2011).