Haiti – Solidaritätsappell

Das Erdbeben vom 12. Januar in Port-au-Prince hat in erster Linie die einfache Bevölkerung getroffen. Außer den öffentlichen Gebäuden, von denen zahlreiche eingestürzt sind, waren es vorwiegend arme Wohnviertel, die zerstört wurden. Dies überrascht nicht, da hier die baufälligsten und billigsten Behausungen stehen, für die der Staat nie einen Finger gerührt oder sich ernsthaft um ihren Zustand gekümmert hat. Wir waren im Gegenteil immer von Vertreibung und „Umsiedlung“ bedroht, so dass wir uns noch nicht einmal selbst um die Sanierung unserer eigenen vier Wände hätten kümmern können.

Uns ArbeiterInnen und einfachen Leuten wurden durch das Beben nicht nur die Arme gebrochen. Während für uns die Situation eine einzige Katastrophe ist , sind etliche Kapitalisten schon wieder dabei, ihre Beschäftigten zurück zur Arbeit in die einsturzgefährdeten Fabriken zu schicken; weigern sich die Besitzer der Supermärkte, ihre Waren kostenlos zu verteilen und kassieren stattdessen überhöhte Preise; kann man überall auf der Welt sehen, wie sich der Staat davongestohlen hat und durch Unfähigkeit und Inkompetenz glänzt, auch wenn er ohnehin nichts als stehlen und betrügen kann und stets auf Seiten der Großgrundbesitzer, Bourgeois und multinationalen Konzerne steht; unternimmt die Polizei, die angeblich „schützen und dienen“ soll, nichts gegen die katastrophalen Zustände oder gegen Gangs und Plünderungen – sie ist nur dazu da, das Volk zu unterdrücken – und profitieren die imperialistischen Mächte noch von den Hilfsaktionen, indem sie sie in unverhüllter Dreistigkeit zur weiteren Festigung ihrer Herrschaft nutzen und uns nur noch weiter entmündigen.

Es gibt aber auch fortschrittliche Ansätze, die sich unter Druck entwickelt haben und ein Minimum an Koordination der betroffenen Regionen ermöglichen. Die dabei entstandenen Bevölkerungskomitees sind unentwegt um Hilfe bemüht, hingegen mangelt es hinten und vorn an Hilfsmitteln. Das Erdbeben hat uns nicht nur Zerstörung gebracht, sondern wir dürfen uns nicht einmal selbst helfen und werden komplett überrollt. Auch wenn die meisten Kader und Mitglieder von BATAY OUVRIYE überlebt haben, so haben doch etliche ihre Familie zum Teil verloren, ihr Zuhause und das wenige, das sie hatten. Andere sind verletzt und verstümmelt und – als wäre es nicht schon schlimm genug, unsere Toten begraben zu müssen –wird uns das eigene Überleben zunehmend schwieriger.

Wir versuchen so weit als möglich, die offiziellen Kanäle zu vermeiden, aber tatsächlich wird die Lage immer unerträglicher. Daher wenden wir uns mit diesem Solidaritätsappell an alle ArbeiterInnen und fortschrittlichen Kräfte in aller Welt und bitten darum, uns aus dieser schrecklichen Lage zu helfen.

 

Spendenkonto

Sonderkonto Thies Gleiss

Konto: 478 106 507

Postbank Köln

BLZ 370 100 50

IBAN: DE44370100500478106507

Stichwort: HAITI

Für die nötigsten Dinge brauchen wir nach vorläufiger Bestandsaufnahme:

Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Inflation von 40 % benötigen wir also 170 000 $ an Spenden. Andere Kräfte, zu denen wir während der letzten großen Kampagne für einen Mindestlohn Kontakt geknüpft haben, sind in einer ähnlichen Lage und bedürfen gleichfalls unserer Hilfe. Zudem müssen wir mit den Solidaritätsbewegungen, die in unseren Wohngegenden entstanden sind, eng zusammen arbeiten und für unsere Ideen dort werben. Gerade weil die herrschenden Klassen den Wiederaufbau entlang ihrer Erfordernisse planen, müssen wir schleunigst unser Konzept dagegen setzen, wenn wir nicht der nächsten Katastrophe, die sie uns bereiten, ausgeliefert sein wollen.

Zusammen genommen benötigen wir 300 000 $ zum Überleben und zum Aufbau einer breiten und starken politischen Alternative, die uns wappnet, der nächsten und bereits in extremer Form dräuenden Katastrophe entgegen zu treten: der Herrschaft des Imperialismus im Verband mit den herrschenden Klassen des Landes und dem reaktionären Staat.

Wir bedanken uns im Voraus bei allen, die uns helfen wollen. Die desaströsen Umstände erfordern nicht nur eine starke Solidarität sondern ein bewusstes Eintreten für den gemeinsamen internationalen Kampf.

Wer uns unmittelbar mit Nahrungsmitteln, Wasser, Bekleidung, Medikamenten etc. helfen will, kann sich an unser Organisationsbüro in Port-au-Prince wenden: BATAY OUVRIYE, Delmas 16, #13b. Geldspenden bitte auf das Inprekorr-Spendenkonto (siehe Kasten).

Selbstverständlich werden wir die Spenden öffentlich machen und über unsere Aktivitäten informieren.

BATAY OUVRIYE

Batay Ouvriye (kreolisch von frz. Bataille Ouvrière, dt. ArbeiterInnenkampf) ist eine basisdemokratische Gewerkschaftsorganisation in Haiti.

Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 460/461 (März/April 2010).