Wir verurteilen das Massaker! Solidarität mit dem Kampf des argentinischen Volks!

Erklärung des Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale

Am 26. Juni hat die Polizei im Bezirk Avellaneda in Buenos Aires eine Straßenblockade mit Gummigeschossen und mit scharfer Munition angegriffen; zwei Aktivisten einer Organisation von "piqueteros"[1] wurden getötet. (Red.)

1.
Wieder einmal haben die Regierenden, die den herrschenden Klassen und dem Imperialismus dienen, die "demokratische" Maske abgelegt und gemordet. Wieder einmal mehr sind die Arbeitenden, Arbeitslosen, Frauen und Kinder, die auf der Strasse ihren legitimem Protest gegen den Hunger und den Raub ihrer Zukunft zum Ausdruck bringen, brutal unterdrückt worden. Zwei junge "piqueteros", Darío Santillán (21 Jahre) und Maximiliano Costequi (25 Jahre), die in der "Coordinadora de Trabajadores Desocupados Aníbal Verón" [Erwerbslosenkoordination Aníbal Verón] aktiv waren, sind erschossen worden, als sie anderen angegriffenen Kollegen zu helfen versuchten; 190 DemonstrantInnen wurden verwundet, 160 wurden festgenommen und in den Kommissariaten der Provinz Buenos Aires gefoltert. Die Jagd der Polizei und der Gendarmen der "Prefectura Naval" (Marinepräfektur) erstreckte sich - wie in den Zeiten der Militärdiktatur - auf verschiedene Räume von linken Parteien, die überfallen und verwüstet worden sind.

2.
Die Gangsterregierung von Präsident Duhalde sowie deren Sicherheitskräfte und Banden von Killern und Lumpen in ihren Diensten sind für dieses erneute Massaker verantwortlich. Auch verantwortlich sind die Regierungen der Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Europäischen Union, der Internationale Währungsfonds und deren Beamten, die unlängst eine "harte Hand" verlangt haben, damit wieder "Ordnung" in die neoliberale Unordnung und das soziale Desaster gebracht wird, das ihre eigene Wirtschaftspolitik angerichtet hat. Argentinien steht "zum Verkauf", und die kapitalistische Globalisierung streitet sich in Gestalt ihrer transnationalen Unternehmen und Banken um die Aufteilung der Beute. Sie haben mit den Privatisierungen, der Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen, dem "corralito" [Einfrieren der Bankguthaben] und der betrügerischen Auslandschuld noch immer nicht genug. Sie wollen noch mehr. Die vollständige Enteignung der Reichtümer und Ressourcen, die völlige Beseitigung der erkämpften Rechte der Bevölkerung.

3.
In dieser Logik kommt der Kriminalisierung von jeglichem gesellschaftlichen Widerstand eine grundlegende Bedeutung für die Herrschaft des Kapitals zu. Repression und Gewalt werden zentrale Bestandteile der "Marktdemokratie" und zu entscheidenden Instrumenten zur Beendigung des neuen Zyklus von Kämpfen des Volks, der sich über ganz Lateinamerika erstreckt. Wie wir es vor kurzem in Peru, Paraguay, Bolivien, Ecuador und Chiapas haben sehen können und wie es sich mit der Umsetzung des "Plan Colombia" erweist, sind der Imperialismus und die regierenden Eliten, die ihm dienen, entschlossen, die Legitimitätskrise des "neoliberalen Modells" mit Blut und Feuer zu lösen und jegliche Möglichkeit zu Rebellion und Alternative vonseiten des Volks plattzuwalzen.

4.
Die [Gewerkschaft] "Central de Trabajadores Argentinos" (CTA), der "Bloque Nacional Piquetero", die Stadtviertel- und Menschenrechtsorganisationen und die Parteien und Bewegungen der Linken haben für den kommenden Donnerstag, den 27. Juni, zu einem Generalstreik und Protestmobilisierungen im ganzen Land aufgerufen. Der Kampf für Arbeit, Lohn, demokratische Rechte, gegen die Korruption und die Straflosigkeit des Terrorismus und dafür, dass "sie alle abhauen"[2], wird jetzt mit größerer Kraft geführt. Die internationalistische Solidarität aller demokratischen, revolutionären und sozialistischen Kräfte muss daher breit, kämpferisch und bedingungslos sein.

Vereinigtes Sekretariat der IV. Internationale, 27. Juni 2002
Aus dem Spanischen übersetzt von Friedrich Dorn.



[1] "Piqueteros" nennen sich diejenigen, die in der Bewegung der Arbeitslosen oder Unterbeschäftigten aktiv sind; ihre Kampfform besteht in "piquetes", also Straßenblockaden. Vgl. E. Lucita, "Nationale Versammlung der ‚Piqueteros'", in: Inprekorr, Nr. 360, Oktober 2001. (Anm. d. Red.)
[2] "¡Que se vayan todos!" (wobei mit "sie alle" hauptsächlich die Politiker gemeint sind) ist zur Losung des revolutionären Prozesses in Argentinien geworden. Vgl. Inprekorr, Nr. 364, Februar 2002, bis Nr. 366, April 2002. (Anm. d. Red.)

Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 370 (September/Oktober 2002).