Resolution

Kapitalistische Klimaveränderung und unsere Aufgaben

1. Die gegenwärtige Klimaveränderung ist nicht Ergebnis der Aktivität des Menschen im Allgemeinen, sondern des produktivistischen Paradigmas, das vom Kapitalismus entwickelt und von anderen Systemen, die vorgaben, eine Alternative zu ihm zu sein, imitiert wurde. Angesichts der Gefahr einer beispiellosen und in menschlichen Zeiträumen unumkehrbaren sozialen und ökologischen Katastrophe greift das System, das nicht in der Lage ist, seine grundlegende Akkumulationslogik in Frage zu stellen, zu einer technologischen Flucht nach vorn, die gefährlich und hoffnungslos ist.

Die derzeitige Klimaveränderung ist nicht das Ergebnis der Tätigkeit des Menschen im Allgemeinen, sondern vor allem der Tatsache, dass das kapitalistische System, getrieben von der Jagd nach kurzfristigen Profiten und Superprofiten, seine Entwicklung nicht nur auf die Ausbeutung der Arbeitskraft, sondern auch die Plünderung der natürlichen Ressourcen, einschließlich der begrenzten und nicht erneuerbaren Reserven billiger fossiler Brennstoffe, gestützt hat und weiter stützen wird.

(a) In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden ausgefeilte Vorschläge für alternative Energiesysteme auf Grundlage der Nutzung der Sonnenenergie durch die Gesetze der kapitalistischen Rentabilität verworfen oder unter Druck der Kohlekonzerne torpediert.

(b) Nach 1945 haben die Monopole der Öl- und der vom Öl abhängigen Branchen, um ihre Superprofite zu verewigen, viele alternative Techniken erstickt und bestimmte Arten des Transports, des Verbrauchs und der Siedlungsmuster durchgesetzt, allein vom Wunsch diktiert, eine ständig wachsende Menge von Waren zu verkaufen, insbesondere Autos und andere individuelle Massenverbrauchsgüter.

(c) Während der letzten 40 Jahre wurden die Warnungen der WissenschaftlerInnen trotz vielfältiger, immer überzeugenderer Beweise von Regierungen und bürgerlichen Medien ignoriert. Diese haben stattdessen Desinformationskampagnen der kapitalistischen Lobbys mitgetragen, während zur gleichen Zeit die neoliberale Globalisierung von Produktion und Handel die Treibhausgasemissionen gewaltig ansteigen ließ.

(d) Zu Beginn des 21. Jahrhundert sind die Ursachen der globalen Erwärmung perfekt dokumentiert, die Gefahr ist bekannt und von allen Regierungen anerkannt, technische Lösungen sind vorhanden und der Ernst der Lage steigt mit jedem neuen Bericht der Experten. Wegen des Fehlens einer entschlossenen Politik steht zu befürchten, dass der Anstieg der durchschnittlichen Temperatur bis zum Jahr 2100 6 °C gegenüber dem 18. Jahrhundert übersteigen könnte. Aber schon bei einen Anstieg von 3,25 °C (gegenüber der vorindustriellen Zeit), der mehr oder weniger in der Mitte der IPCC-Projektionen liegt, würden von heute bis 2050 etwa 100 bis 150 Millionen Menschen Opfer von Küstenüberflutungen, bis zu 600 Millionen Opfer von Hungersnöten und 300 Millionen Opfer der Malaria werden, während 3,5 Milliarden Menschen mehr von Wassermangel betroffen wären. Aber der Kapitalismus fährt fort, hauptsächlich fossile Brennstoffe zu nutzen, einschließlich nicht-konventioneller Quellen (Schweröle, Ölsande und Ölschiefer) und der enormen billigen Kohlereserven. Auf Basis der Akkumulationslogik hat das System eine produktivistische Flucht nach vorn eingeleitet, die auf gefährliche Technologien setzt: Ausbau der Atomenergie, gentechnische Veränderungen mit dem Ziel der Steigerung der schädlichen Produktion von Biokraftstoffen, „saubere Kohle“ mit der Abscheidung und Einlagerung von Gigatonnen CO2 in tiefen geologischen Schichten. Für das Kapital sind die erneuerbaren Energiequellen ein neues Feld für die Wertakkumulation, was erklärt, dass ihre Nutzung besonders zerstörerische Formen annehmen kann und die Versorgung aus fossilen Quellen nur ergänzen, nicht aber ersetzen wird.

Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst (Marx [MEW, Bd. 25, S. 260, d. Üb.]). Der verrückte Wettlauf des Systems, der Reichtum und Überkonsumtion auf der einen und Armut und Mangel auf der anderen Seite anhäuft, droht in eine humanitäre und in historischen Zeiträumen unumkehrbare ökologische Katastrophe zu münden, mit irreparablen Schäden für die Ökosysteme und insbesondere die Artenvielfalt. Während die Gefahrengrenze von deutlich unter +2 °C im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten schon in vielen Regionen (Inselstaaten, Andenländer, arktische Regionen, semi-aride Zonen) erreicht ist, lassen die auf der Ebene der imperialistischen Mächte beschlossenen oder diskutierten Pläne eine Temperaturerhöhung zwischen 3,2 und 4,9 °C entsprechend einem Anstieg des mittleren Meeresspiegels um 60 cm bis 2,9 m (ohne Berücksichtigung des Abschmelzens der Gletscherkappen) erwarten . Nicht nur können die Millenniums-Entwicklungsziele, die schon nicht ausreichend sind, nicht realisiert werden, sondern auch Hunderte von Millionen von Menschen sind einer schwerwiegenden Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen ausgesetzt. Die ärmsten von ihnen sind sogar in ihrer Existenz selbst bedroht, vor allem wegen der Gefahr der Küstenüberschwemmungen, der Verknappung der Süßwasservorräte und des für die Tropen zu erwartenden Rückgangs der Produktivität der Landwirtschaft.

2. Die Stabilisierung des Klimas wird nicht spontan aufgrund der Erschöpfung der fossilen Ressourcen eintreten. Diese sind bei weitem ausreichend, um ein Umkippen des Klimas auszulösen. Die Stabilisierung des Klimas auf einem Niveau kleinstmöglicher Gefährdung erfordert eine drastische Verringerung des Energieverbrauchs und damit der materiellen Produktion. Gleichzeitig sind Energie und andere Ressourcen erforderlich, um den 3 Milliarden Männern und Frauen das Recht auf Entwicklung zu sichern, die unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und die die ersten Opfer der Erwärmung sind. Das kapitalistische System ist unfähig, diese beiden Aufgaben einzeln zu bewältigen. Sie gleichzeitig zu bewältigen, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Radikale antikapitalistische Maßnahmen sind erforderlich, um, unabhängig von den Kosten, einen Plan zum weltweiten Übergang zu einem ökonomischen und effizienten Energiesystem umzusetzen, das ausschließlich auf erneuerbaren Quellen basiert und in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der Menschheit zu befriedigen.

Dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) zufolge erfordert die Stabilisierung des Klimas auf einem Niveau kleinstmöglicher Gefährdung, dass die Treibhausgasemissionen weltweit bis 2015 ihren Höchststand erreichen und dann bis 2050 um 50 % bis 85 % gegenüber dem Jahr 2000 sinken. Wegen des Vorsorgeprinzips ist es zwingend erforderlich, mindestens die weitestgehenden Ziele zu übernehmen. Die Klimamodelle berücksichtigen nicht oder nur sehr unzureichend die sogenannten „nichtlinearen“ Phänomene, insbesondere das Verschwinden der Eiskappen der Arktis und Antarktis und die Freisetzung des im Permafrostboden gebundenen Methans. Nun besteht aber die Gefahr, dass diese bereits spürbaren Phänomene die Klimaveränderung erheblich beschleunigen und die negativen Folgen in den nächsten Jahrzehnten beträchtlich verstärken können.

Zu diesen physischen Rahmenbedingungen kommen gesellschaftliche, politische und technische hinzu.

(a) Unter Berücksichtigung der differenzierten historischen Verantwortung der imperialistischen und der beherrschten Länder schätzt der IPCC, dass die erstgenannten ihre Emissionen zwischen 25 und 40 % bis 2020 und zwischen 80 und 95 % bis 2050 gegenüber 1990 senken müssen; für die letztgenannten müssten die Emissionen hingegen um 15 bis 30 % gegenüber den Projektionen fallen, und zwar in allen Regionen im Jahre 2050, in den meisten Regionen (außer Afrika) ab 2020. Auch hier müssen aus den oben genannten Gründen die weitestgehenden Ziele als Minimum übernommen werden.

(b) Angesichts ihrer entscheidenden Verantwortung für die Erwärmung muss der Teil dieser Ziele, der die Industrienationen betrifft, von ihnen selbst durch inländische Maßnahmen realisiert werden, d. h. durch Verringerung ihrer eigenen Emissionen Diese Reduktionen können weder durch den Kauf von Verschmutzungsrechten aus sogenannten „sauberen“ Investitionen in den Entwicklungs- und Transformationsländern, noch durch das Pflanzen von Bäumen, was keine strukturelle Lösung bietet, noch durch den Schutz der Böden oder der bestehenden Wälder ersetzt werden – die Erhaltung der Böden und Wälder ist eine notwendige Aufgabe an sich und sollte nicht anderen Verschmutzern erlauben, ihre Verschmutzung fortzusetzen. Diese so genannten Ausgleichsmechanismen und der Markt für den Emissionshandel, wie sie vom Kyoto-Protokoll vorgesehen sind, haben sich als völlig unwirksam im Hinblick auf die Umwelt erwiesen, selbst um das ganz und gar unzureichende Ziel dieser Abkommen zu erreichen (eine Emissionsminderung um 5,2 % für den Zeitraum 2008 bis 2012).

(c) Im Namen der Klimagerechtigkeit und der Wiedergutmachung ihrer ökologischen Schuld sind die imperialistischen Länder gehalten, den beherrschten Ländern Wissen und Technologie zur Verfügung zu stellen, die es letzteren erlauben, sich unter Achtung der physischen Rahmenbedingungen der Klimastabilisierung zu entwickeln. Sie sind ebenso gehalten, die Anpassungsmaßnahmen für den unvermeidlichen Teil des Klimawandels zu finanzieren, dessen Hauptopfer die verarmten Schichten in den armen Ländern, vor allem die Frauen, sind.

(d) Aus technischer Sicht reichen die erneuerbaren Quellen bei weitem aus, die künftigen Bedürfnisse der Menschheit zu erfüllen. Allerdings kann wegen der notwendigen Änderung des Energiesystems der Übergang in den nächsten 40 Jahren nur gelingen, wenn es zu einer deutlichen Senkung des Energieverbrauchs kommt (50 % oder mehr in den Industrieländern). Dies erfordert wiederum eine signifikante Reduktion der materiellen Produktion, wobei das entscheidende Problem ist: Es muss insgesamt weniger produziert werden, und gleichzeitig müssen die legitimen Forderungen der drei Milliarden Menschen beantwortet werden, deren zahllose Grundbedürfnisse unbefriedigt sind. Es ist eine völlige Illusion zu glauben, dass diese Bedingungen erfüllt werden könnten, indem dem Kohlendioxid ein Preis zugeordnet wird, der die Kosten der Schäden durch den Klimawandel berücksichtigt. Der Wert ist ein rein quantitativer Indikator, der die Menge abstrakter menschlicher Arbeit ausdrückt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung des Kapitals zur Herstellung eingesetzt wird: Er ist per definitionem nicht in der Lage, Naturschätze oder Bedürfnisse künftiger Generationen zu berücksichtigen, einen Unterschied zwischen konkreter nützlicher oder aus Sicht der Menschen unnützer Arbeit zu machen und die vielen quantitativen und qualitativen Parameter zur Klimastabilisierung einzubeziehen. Diese Unfähigkeit spiegelt sich in der Praxis in der Tatsache wider, dass die kapitalistischen Monopole, mit Erfolg, all ihr Gewicht einsetzen, um zu verhindern, dass ihnen die Kosten der Erwärmung aufgebürdet werden – so dass sie letztlich Rhythmen und Formen der Politik weiter nach ihren Interessen bestimmen. Auf sozialer Ebene schließlich würde die Einführung eines globalen Preises für Kohlenstoff bedeuten, dass die Rechnung für die Erwärmung von den Werktätigen und den Armen bezahlt wird und sich gleichzeitig das Gefälle zwischen Nord und Süd, aber auch innerhalb der Gesellschaften des Nordens und Südens, verstärkt.

Das Kapital ist unfähig, das entscheidende Problem zu lösen, weil es strukturell unfähig ist, die weltweite materielle Produktion zu verringern und dabei mehr für die nicht zahlungskräftigen Bedürfnisse zu produzieren. Dieses legitime Recht auf Entwicklung mit der Einführung eines geplanten, demokratischen Programms zum weltweiten Übergang zu einem ökonomischen und effizienten Energiesystem, das, unabhängig von den Kosten, ausschließlich auf erneuerbaren Quellen basiert, zu kombinieren, ist nur durch Durchführen radikaler antikapitalistischer Maßnahmen möglich.. Zu diesen Maßnahmen gehören insbesondere: Enteignung des Energie- und Kreditsektors; massive Reduktion der Arbeitszeit (hin zur Halbtagsarbeit) bei Senkung der Arbeitstakte, ohne Lohnverlust und mit entsprechenden Neueinstellungen, deutliche Belastung der Gewinne der Kapitalisten; größtmögliche Verlagerung der Produktion, insbesondere der Landwirtschaft durch Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft; öffentliche Initiativen in den Bereichen Wohnungsbau und Verkehr, um das Konsumverhalten zu ändern; Schaffung eines Weltfonds für Anpassungsmaßnahmen, finanziert aus den Gewinnen der Monopole; öffentliche Refinanzierung der Forschung, Stopp der Unterordnung unter die Industrie und kostenloser Transfer sauberer Technologien an die Länder des Südens; außerdem Mechanismen der demokratischen Mitwirkung und Kontrolle durch die Bevölkerung und die lokalen Gemeinschaften auf allen Ebenen.

3. Als giftiges Erbe von zweihundert Jahren kapitalistischer Entwicklung auf der Grundlage fossiler Brennstoffe konzentriert die Klimaveränderung die Krise der Zivilisation, weil das Potenzial zur sozialen und ökologischen Zerstörung dieses Systems jetzt seine Fähigkeit, Bedürfnisse der Menschen zu identifizieren und zu beantworten, überwiegt Die Kombination von Wirtschafts-, Klima- und Ernährungskrise im Rahmen des kapitalistischen Bevölkerungsgesetzes droht in eine große humanitäre Katastrophe zu münden oder sogar in einen Absturz in die Barbarei.

Als giftiges Erbe von zweihundert Jahren kapitalistischer Entwicklung ist die Klimaverschiebung der klarste Ausdruck der globalen Krise des Systems, dessen Potenzial zur sozialen und ökologischen Zerstörung jetzt seine Fähigkeit, Bedürfnisse .der Menschen zu identifizieren und zu beantworten, überwiegt Das Wachstum der Produktivkräfte ist zu einem Wachstum der Destruktivkräfte geworden, nicht nur weil immer mehr sozial und ökologisch zerstörerische Technologien zum Einsatz kommen, sondern auch insgesamt, weil die kapitalistische Logik, indem sie das Klima zerstört, die Menschheit in eine Vielfalt akuter Probleme führt. Die kapitalistische Produktionsweise impliziert ein spezifisches Bevölkerungsgesetz, in dem sich der Bedarf an einer ständigen „industriellen Reservearmee“ ausdrückt. Nach diesem Gesetz und im Rahmen der historischen Erschöpfung des Spätkapitalismus droht die Kombination von Wirtschafts-, Klima- und Ernährungskrise in eine Welle „kreativer Zerstörung“ (Schumpeter) beispiellosen Ausmaßes zu münden, die nicht nur die massenhafte Beseitigung von Produktivkräften und unersetzlichen Naturschätzen, sondern auch ein erhöhtes Risiko der physischen Vernichtung von Hunderten Millionen Menschen beinhaltet. Dieser Teufelskreis wirkt bereits beim Zusammenwirken der in Agrobusiness, Energie, Automobil und Erdöl investierenden Teile des Großkapitals, die sich auf die Aneignung von Böden stürzen, die zur industriellen Nutzung von Biomasse als Energiequelle geeignet sind, und beschleunigt damit den Ruin von Kleinbauern und die Landflucht, bedroht indigene Gemeinschaften und erhöht dramatisch die Zahl der lumpenproletarischen Opfer von chronischem Hunger. Bei Fehlen einer Gesamtalternative könnte seine interne Dynamik das System immer stärker auf die abschüssige Bahn einer globalen Krise von historisch beispielloser Brutalität und Barbarei treiben.

4. Das Umkippen des Klimas unterstreicht sowohl die Dringlichkeit einer sozialistischen Alternative auf Weltebene als auch die eines radikalen Bruchs des sozialistischen Projekts mit dem Produktivismus. Die Sättigung des Kohlenstoffkreislaufs und die Erschöpfung der nicht-erneuerbaren Energien bedeuten – anders als in der Vergangenheit –, dass die Emanzipation der arbeitenden Klasse nicht mehr ins Auge gefasst werden kann, ohne die wesentlichen natürlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

Die Reduzierung von Produktion und materiellem Konsum ist zur Stabilisierung des Klimas unmittelbar notwendig, weil der Kapitalismus die Menschheit zu weit auf einem Weg geführt hat, der in einer Sackgasse endet. Aber weder schließt eine solche Reduzierung Möglichkeiten künftiger Entwicklung aus, nachdem das Klima erst einmal stabilisiert ist; noch bildet sie nur ein quantitatives Kriterium für den notwendigen Übergang in eine Ökonomie ohne fossile Brennstoffe. Damit man nicht zu antisozialen oder gar reaktionären Schlussfolgerungen kommt, muss dieses quantitative Kriterium von qualitativen begleitet sein, insbesondere Umverteilung des Reichtums, Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohnverlust und Entwicklung des öffentlichen Sektors. Wenn diesen Kriterien entsprochen wird und die sinnlose oder gefährliche Produktion abgebaut wird, dann kann die Reduzierung der materiellen Produktion tatsächlich gleichbedeutend mit einem Zugewinn an Wohlbefinden und Lebensqualität für die große Mehrheit der Menschheit sein, wenn Investitionen auf gesellschaftlichen Gebieten, in verbesserte Raumplanung, kostenlose lebenswichtige Dienstleistungen und in die Rückgewinnung der für Selbstaktivität, Selbstorganisation und Selbstverwaltung erforderlichen freien Zeit erfolgen.

Das kapitalistische System ist untrennbar mit dem Wachstum der Produktion und des materiellen Konsums verbunden, doch ist das die Wirkung, nicht die Ursache. Es ist die Produktion von Werten in ihrer abstrakten Form als Tauschwerte, die zur permanenten Tendenz einer unbeschränkten Akkumulation von Reichtum auf der einen Seite und gleichzeitig einer Akkumulation von Armut auf der anderen Seite führt. Eine Klimapolitik, die diese doppelte Realität nicht ins Auge fasst, wäre zum Scheitern verurteilt. Dreh- und Angelpunkt für eine antikapitalistische Alternative bleibt daher grundsätzlich das, was das sozialistische Projekt benannt hat: Die Mobilisierung der Ausgebeuteten und Unterdrückten gegen ein System, das auf dem Wettrennen um Profite, dem Privateigentum an Produktionsmitteln, der Warenproduktion, der Konkurrenz und dem Lohnsystem beruht. Doch dieser Dreh- und Angelpunkt ist nicht länger ausreichend, um eine Alternative zu definieren. Die Sättigung des Kohlenstoffkreislaufs stellt die offensichtlichste und umfassendste Demonstration der Tatsache dar, dass – anders als in der Vergangenheit – die Emanzipation der arbeitenden Klasse nicht mehr ins Auge gefasst werden kann, ohne die wesentlichen natürlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: die Begrenztheit der Ressourcen, die im historischen Maßstab nicht erneuert werden können, die Geschwindigkeit des Wiederaufbaus erneuerbarer Ressourcen, die Gesetze der Energieumwandlung, die Funktionsweise der Ökosysteme und der biologischen Kreisläufe mit ihren Rhythmen.

Doch es genügt nicht zu bekräftigen, dass der Sozialismus die ökologischen Fragestellungen integrieren muss. Die wirkliche Aufgabe liegt vor allem in der Schaffung der Voraussetzungen zur Integration des sozialistischen Projektes in die globale Ökologie des Super-Ökosystems Erde. Entwicklung kann nicht nur als Ziel der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse gesehen werden, sondern muss auch das der Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Umwelt verfolgen; dabei muss man angesichts der Komplexität, der unbekannten Faktoren und des veränderlichen Charakters der Biosphäre einen gewissen Grad an Unbestimmtheit akzeptieren. Der Begriff der „Herrschaft des Menschen über die Natur“ muss aufgegeben werden. Der einzig wirklich mögliche Sozialismus ist der, der die wirklichen (vom Warenfetischismus befreiten) menschlichen Bedürfnisse befriedigt, die von den Menschen selbst demokratisch festgelegt worden sind, wobei wir uns sorgfältig fragen müssen, welches die Auswirkungen auf die Umwelt sind, den diese Bedürfnisse und die Art ihrer Befriedigung zeitigen.

An die Verflechtung von sozialer und ökologischer Frage zu denken, bedeutet erstens, über eine sektoralistische, utilitaristische und lineare Sicht der Natur als der physischen Plattform, auf der die Menschheit arbeitet, als der Vorratskammer, aus der sie ihre für die Produktion ihrer gesellschaftlichen Existenz nötigen Ressourcen bezieht, und als Müllhalde, auf der sie die Abfälle dieser Aktivität ablädt, hinauszukommen. In Wirklichkeit ist die Natur gleichzeitig Plattform, Vorratskammer, Müllhalde und die Gesamtheit aller lebenden Prozesse, die – dank der von außen kommenden Zufuhr von Sonnenenergie – die Materie zwischen diesen Polen zirkulieren lassen und sie fortwährend neu organisieren. Abfälle und die Art des Umgangs mit ihnen müssen deshalb hinsichtlich Quantität und Qualität mit den Kapazitäten und Rhythmen des Recyclings durch Ökosysteme vereinbar sein, damit sie das gute Funktionieren der Biosphäre nicht angreifen. Doch dieses gute Funktionieren hängt von der Zahl und der Vielfalt der biologischen Akteure ab, aber auch von der Qualität und Komplexität der zahlreichen Beziehungsketten und dem Gleichgewicht der Zu- und Abflüsse, die letztlich die Versorgung der Menschheit mit Ressourcen sicherstellen.

An die Verflechtung von sozialer und ökologischer Frage zu denken, bedeutet zweitens, Lehren aus der Feststellung zu ziehen, dass sich eine Produktionsweise nicht nur durch die Produktions- und Besitzverhältnisse, sondern auch durch seine technologischen Verfahren definiert, die durch ihre energiepolitischen Entscheidungen modelliert werden. Der kapitalistische Klimawandel zeigt deutlich: Die von einer Produktionsweise verwendeten Energiequellen und die zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse (Nahrung, Wärme, Bewegung und Licht) eingesetzten Umwandlungsmethoden sind nicht gesellschaftlich neutral, sondern von einem Klassencharakter geprägt. Das kapitalistische Energiesystem ist zentralisiert, anarchisch, verschwenderisch, ineffizient, reich an toter Arbeit, auf nichterneuerbare Energiequellen gestützt und auf die tendenzielle Überproduktion von Handelswaren ausgerichtet. Die sozialistische Transformation der Gesellschaft erfordert, dass es schrittweise zerstört und durch ein dezentrales, geplantes, sparsames, effizientes und auf lebendige Arbeit setzendes System ersetzt wird, das ausschließlich auf erneuerbaren Quellen basiert und auf die Produktion von dauerhaften, recyclebaren und wiederverwendbaren Gebrauchswerten ausgerichtet ist.

Diese Transformation betrifft nicht nur die „Energieproduktion“ im engeren Sinn, sondern die gesamte Industrie-, Agrar-, Verkehrs-, Erholungs- und Raumplanung Die Energie- und Klimafrage führt uns dazu, die sozialistische Revolution nicht nur als Zerstörung der Macht des bürgerlichen Staates, Schaffung eines proletarischen Staates, der mit seiner Entstehung abzusterben beginnt, und schrittweise Einführung der Selbstverwaltung der Massen zu sehen, sondern auch als den Beginn der Zerstörung des alten bürgerlichen Produktionsapparats und seine Ersetzung durch einen alternativen Apparat, der andere Technologien und andere industrielle Verfahren im Dienst der demokratisch bestimmten Ziele einsetzt. Dieser äußerst tiefe historische Umbruch kann nur nach dem Sieg der sozialistischen Revolution auf Weltebene beginnen, sobald die Abschaffung der wichtigsten Ungleichheiten der Entwicklung es ermöglicht haben werden, die grundlegenden Rechte jedes Menschen auf eine würdige Existenz zu sichern. Er erfordert die vorherige Erreichung der Autonomie bei Energie und vor allem bei Nahrung in den verschiedenen Ländern. Er ist alles andere als ein Synonym für das Ende der menschlichen Entwicklung, sondern bedeutet einen wichtigen Fortschritt in Wissenschaft und Technik sowie der Fähigkeit der Gesellschaft, diesen demokratisch mit der aktiven Beteiligung aller umzusetzen, und zwar im Rahmen einer Kultur des umfassenden Schutzes der Biosphäre, wobei der Beitrag der indigenen Völker von unschätzbarem Wert sein wird.

Der revolutionäre Marxismus meint, dass – wenn erst einmal die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse erfüllt sind – die qualitative Entwicklung der Menschheit den Vorrang über die quantitative bekommen wird. Diese Vorstellung stimmt mit der von Marx überein, für den wirklicher Reichtum freie Zeit, soziale Beziehungen und das Verständnis der Welt bedeutete. Die Perspektive eines Kommunismus, der ausschließlich erneuerbare, vor allem solare Energiequellen nutzt, steht in der logischen Kontinuität mit diesem nicht-produktivistischen Denken, jedoch vertieft sie es und zieht neue Schlussfolgerungen für die Forderungen, die Aufgaben und das Programm. Diese Vertiefung rechtfertigt den Gebrauch des neuen Begriffs „Ökosozialismus“. Als konzentriertester Ausdruck des gemeinsamen Kampfes gegen die Ausbeutung menschlicher Arbeit und der Zerstörung der natürlichen Ressourcen durch den Kapitalismus geht der Ökosozialismus nicht von einer idealistischen und chimärenhaften Sicht der „Harmonie“ aus, die zwischen Natur und Menschen errichtet werden müsse, sondern von der materialistischen Notwendigkeit, den Stoffwechsel zwischen Gesellschaft und Natur zu steuern, in dem die Spannungen zwischen den Bedürfnissen der Menschen und dem guten Funktionieren der Ökosysteme bewusst, kollektiv und demokratisch bewältigt werden.

5. Unsere Aufgaben

5.1. Die Mitglieder sozialer Bewegungen dafür sensibilisieren, Bewusstsein unter den Massen zu schaffen und eine Massenmobilisierung für das Klima aufzubauen. Der Kampf für das Klima erfordert vor allem den Aufbau eines gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Angesichts der Dringlichkeit und der kriminellen Politik der kapitalistischen Regierungen arbeiten wir in allen Ländern am Aufbau einer machtvollen und einheitlichen Massenbewegung mit, die sich weltweit koordiniert. Diese Bewegung muss als ein Teil des sozialen Widerstandes, wie er in verschiedenen Bereichen existiert, begriffen werden, mit koordinierten Aktionen und gelegentlichen pluralistischen Demonstrationen auf einer gemeinsamen Minimalplattform. Ihr Ziel muss es sein, die Regierungen zu zwingen, wenigstens die weitestgehenden der vom IPCC vorgeschlagenen Reduktionsziele anzustreben, in Anerkennung des Prinzips der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“, der sozialen und demokratischen Rechte wie auch des Rechts aller auf eine menschliche Existenz, die diesen Namen verdient. Der Aufbau von Massenbewegungen zur Verteidigung des Klimas ist eine schwierige Aufgabe, vor allem weil Ursachen und Wirkungen sowohl räumlich wie auch zeitlich auseinander fallen. Eine breit angelegte Informationsarbeit über die Erwärmung und ihre Auswirkungen ist nötig. Ihre Zielrichtung müssen vor allem die Aktivengruppen der verschiedenen sozialen Bewegungen und die politischen Organisationen der Linken sein, da sie eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Verbindungen zwischen der globalen Klimabedrohung und den einzelnen sozialen Problemen und der Herausarbeitung von Strategien zur Verbindung von sozialem und ökologischem Kampf spielen.

5.2. Aufbau einer linken Strömung, die den Kampf um das Klima mit dem für soziale Gerechtigkeit verbindet. Die notwendige Veränderung kann nicht ohne Mobilisierung und aktive Beteiligung der Ausgebeuteten und Unterdrückten, die die große Mehrheit der Bevölkerung stellen, erreicht werden. Kapitalistische Klimapolitik macht diese Beteiligung unmöglich, weil sie sozial völlig inakzeptabel ist. Diese Politik trägt die Verstärkung der imperialistischen Beherrschung und der kapitalistischen Konkurrenz und Gewalt in sich, somit also Ausbeutung, Unterdrückung, soziale Ungleichheit, Konkurrenz zwischen den Arbeitenden und Verletzung ihrer Rechte sowie private Aneignung von Ressourcen. Insbesondere gibt diese Politik keine Antwort auf das große Problem der Arbeitsplätze, der Löhne und der sozialen Sicherheit von Millionen von Arbeitenden, die in Bereichen arbeiten, die riesige Mengen von Treibhausgasen emittieren. Sie kann daher nur auf legitimen gesellschaftlichen Widerstand treffen. Die großen Umwelt-NGOs versuchen, die Klimaziele der Regierungen zu radikalisieren und weigern sich zu sehen, dass diese Radikalisierung gleichzeitig zu einer Verschärfung der antisozialen Angriffe führt. Das ist eine Sackgasse. Wir verteidigen die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes für Klima und soziale Gerechtigkeit. Innerhalb der breiten Bewegung arbeiten wir an der Herausbildung eines linken Pols, der diese beiden Dimensionen verbindet und der sich daher gegen Vorschläge wendet, die auf Marktmechanismen, auf Akkumulation, auf neokolonialer Beherrschung oder technologischer Flucht nach vorn beruhen. Dieser Pol versucht auch Teile der Gewerkschaften, Ökologen, Globalisierungsgegner, Feministen, für die Dritte Welt arbeitende Linke, die „zerbröckelnde“ Linke, die Organisationen der radikalen Linken, kritische WissenschaftlerInnen usw. zusammenzuführen.

5.3. Den ideologischen Kampf gegen den grünen Neo-Malthusianismus führen, die Rechte der Verarmten und der Frauen verteidigen. Wegen ihres globalen Charakters und des Umfangs der Katastrophen, die sie auslösen kann, begünstigt die Erwärmung die Entwicklung einer ganzen Reihe ideologischer Strömungen, die unter dem Deckmantel einer radikalen Ökologie versuchen, die Thesen von Malthus zu rehabilitieren, indem sie diese in einen apokalyptischen Diskurs mit stark religiösen Akzenten verpacken. Diese Strömungen finden Gehör auf höchstem Niveau in einigen Sektoren der herrschenden Klassen, wo das Verschwinden von Hunderten von Millionen Menschen leichter vorstellbar ist, als das Verschwinden des Kapitalismus. Deshalb muss man mit einer potentiell ernsten Gefahr für die Armen im Allgemeinen und die Frauen im Besonderen rechnen. Der Kampf gegen diese Strömungen ist eine wichtige Aufgabe, die unsere Organisationen übernehmen müssen, auch und besonders in Verbindung mit der Frauenbewegung. Die Bevölkerungsentwicklung ist natürlich ein Parameter der Klimaentwicklung, aber man muss kategorisch die irrige Idee bekämpfen, dass das Bevölkerungswachstum eine Ursache des Klimawandels sei. Der demografische Übergang [von hohen zu niedrigen Sterbe- und Geburtenraten, d. Üb.] findet in den Entwicklungsländern bereits größtenteils statt, und er schreitet schneller voran als erwartet. Es wäre wünschenswert, dass er sich fortsetzt, aber dies setzt sozialen Fortschritt und die Entwicklung sozialer Sicherungssysteme ebenso voraus wie Informationen und das Recht der Frauen auf die Kontrolle ihrer eigenen Fruchtbarkeit (einschließlich des Rechts auf Abtreibung unter guten Bedingungen). Das ist zwangsweise eine langfristige Politik. Ohne Rückgriff auf barbarische Mittel kann keine Politik der Bevölkerungskontrolle die dringende Aufgabe des Klimaschutzes lösen.

5.4. Die Verteidigung des Klimas in die Plattformen und Kämpfe der sozialen Bewegungen einführen. Mit der Perspektive einer breiten Mobilisierung, die in bestehenden Kämpfen verwurzelt ist, handeln wir so, dass die Verteidigung des Klimas ein großes Thema der sozialen Bewegungen wird und einen konkreten Ausdruck auf allen Ebenen in den Forderungsplattformen findet. Zum Beispiel:

5.5. Die Perspektive eines globalen antikapitalistischen Plans zum sozialen und ökologischen Wiederaufbau skizzieren. In diesem Zusammenhang Forderungen in den Mittelpunkt stellen, die den Kampf für das Klima konkret mit dem Kampf zur Befriedigung sozialer Bedürfnisse, insbesondere dem Recht auf Arbeit, verbinden. Die Führungen der großen internationalen Gewerkschaftsverbände begleiten die kapitalistische Klimapolitik, sofern ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, über einige Modalitäten verhandeln zu können. Diese Orientierung konkretisiert sich in den Vorschlägen für einen „Green New Deal“, der auf der Illusion basiert, grüne Technologien würden es ermöglichen, die Arbeitslosigkeit aufzufangen, und könnten als Motor für eine neue lange Welle kapitalistischer Expansion und Prosperität dienen. Die Gewerkschaftsbürokratien ordnen sich den Erfordernissen des Produktivismus und der kapitalistischen Profitabilität unter, genauso wie den Instrumenten der vorherrschenden Klimapolitik: Staatliche Hilfen für „grüne“ Unternehmen, „ökologische Steuerpolitik“, Mechanismus für eine umweltgerechte Entwicklung (Clean Development Mechanism – CDM), Emissionshandel, ja sogar Hilfen für die Atomenergie und Biokraftstoffe werden unterstützt. Diese Politik riskiert, die Gewerkschaftsbewegungen für die Katastrophen mitverantwortlich zu machen. Sie sät Zwietracht zwischen den Arbeitenden auf internationaler Ebene oder zwischen verschiedenen Sektoren einzelner Länder. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, reicht es nicht, dass sich Teile der Gewerkschaftsbewegung an den Umweltmobilisierungen beteiligen: Der Kampf für das Klima muss sich mit den Kämpfen der Ausgebeuteten selbst verzahnen und sich in den Kampf der Linken der Arbeiterbewegung für eine antikapitalistische Alternative integrieren. Für sie geht es darum, sich von der engen Sichtweise der Umverteilung von Reichtum freizumachen und das bestehende Konzept von Reichtum selbst in Frage zu stellen sowie die Art und Weise, wie Reichtum produziert wird, mit anderen Worten geht es um die Grundlagen der bestehenden Produktionsweise. Der Politik der bürokratischen Gewerkschaftsführungen stellen wir die Perspektive eines globalen antikapitalistischen Plans zum sozialen und ökologischen Wiederaufbau entgegen. Zu diesem Plan gehört auch die Verteidigung und Stärkung des öffentlichen Sektors (insbesondere in den Bereichen Verkehr und Energie), das Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit und Einkommen als grundlegende Rechte, der gemeinsame Umbau unnötiger oder schädlicher Unternehmen unter der Kontrolle der Beschäftigten, die radikale Verkürzung der Arbeitszeit ohne Lohnverlust mit Senkung der Arbeitstakte und ausgleichenden Neueinstellungen, die Schaffung grüner Arbeitsplätze in öffentlichen Unternehmen und kostenlose Basisdienste. Von diesem Rahmen aus greifen wir in die Kämpfe ein, insbesondere um den Umbau der Industrie in ökologisch nicht-nachhaltigen Branchen (z. B. Automobil), und schlagen konkrete Auswege aus der fatalen Alternative zwischen Fortsetzung der Produktion und Vernichtung von Arbeitsplätzen vor. Wir fordern, dass die Regierungen ökologisch sinnvolle Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor schaffen, in Bereichen wie Gebäudeisolierung, öffentlicher Verkehrsmittel und Einsatz erneuerbarer Energien – unabhängig von ihren Kosten.

5.6. Der massive Transfer von sauberen Technologien in die vom Imperialismus beherrschten Länder und die Finanzierung der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels in diesen Ländern erfordern eine weltweite Teilung von Besitz und Wissen, die aus einer erheblichen Belastung der kapitalistischen Profite gespeist wird. Die Rettung des Klimas erfordert eine weltweite Teilung von Besitz und Wissen. Sie muss verbunden werden mit:

5.7. Die Emissionen der beherrschten Länder können sich nicht um mindestens 30 % gegenüber den Projektionen ändern, ohne das kapitalistische Entwicklungsmodell in Frage zu stellen. Der Beitrag der beherrschten Länder zur Stabilisierung des Klimas auf einem Niveau kleinstmöglicher Gefährdung ist nur durch eine endogene Entwicklung [Wachstumsmodell, das auf innere Faktoren wie technologische Innovation und Bildung setzt, d. Üb.] möglich, die den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung entspricht und mit einer Agrarreform zugunsten der bäuerlichen Landwirtschaft und einer Umorientierung der Produktion für den Binnenmarkt verbunden ist. Das Recht auf menschliche Entwicklung und die Stabilisierung des Klimas verlangen somit nach Maßnahmen gegen die vor Ort herrschenden Klassen, die das Recht auf Entwicklung als einen Vorwand benutzen, um nichts gegen die Verbrennung von fossiler Energie unternehmen zu müssen, die Naturschätze plündern, sich die Wälder aneignen, als Zwischenhändler für den Verkauf von Verschmutzungsrechten auftreten, Biokraftstoffe produzieren und billige landwirtschaftliche oder industrielle Produkte in die Märkte der entwickelten Länder exportieren. Um sie daran zu hindern, dieses Modell einer gesellschaftlich und ökologisch schädlichen Entwicklung weiter zu betreiben, müssen die finanziellen und technologischen Mittel, die sich in den Ländern des Südens befinden, einer demokratischen Kontrolle der Bevölkerung dieser Länder und der sozialen Bewegungen unterworfen werden.

5.8. Die indigenen Völker, die ihre Lebensweise und ihre Art der Beziehungen mit der Umwelt verteidigen, spielen eine wichtige Rolle beim Kampf für den Schutz der Wälder und damit von Klima und Umwelt ganz allgemein. Die Völker Lateinamerikas verteidigen insbesondere eine mit ihrer uralten Zivilisation verknüpfte Sichtweise, die das genaue Gegenteil der von der bürgerlichen Ideologie gepredigten ist – sie halten daran fest, dass nicht sie EigentümerInnen ihres Bodens sind, sondern sie selbst ihm gehören; eine Vorstellung, die die zentrale Achse ihrer Philosophie zusammenfasst, die durch Achtung der Erde inspiriert ist, weshalb sie ihr Gebiet „Mutter Erde“, Pachamama, nennen. Sie pflegen, entwickeln und kultivieren ein anderes Modell des Lebens, gemeinschaftlich und solidarisch, eng verbunden mit der Natur. So richtet sich die sozio-politische Organisation der Urvölker in ihren Gebieten auch nicht nach den von den Imperialisten gezogenen Grenzen. Die Bedrohung ihrer Lebensweise, ihrer sozialen Strukturen, ihrer natürlichen Ressourcen und ihrer Völker durch die unzähligen Invasionen in ihre Territorien ist eine Verletzung ihrer unveräußerlichen Rechte, was sie dazu bringt, sich zu organisieren und gegen die Plünderungen durch multinationale Konzerne im Rahmen der Freihandelsverträge oder -abkommen oder der Initiative für die Integration der regionalen Infrastruktur in Südamerika (IIRSA) in den letzten Jahrzehnten Widerstand zu leisten. Ihre Ansprüche müssen unterstützt und jede Okkupation ihrer Gebiete durch den Bergbau muss abgelehnt werden, wie auch jeder Bau von Wasserkraftwerken, Eisenbahnen oder Straßen und Dämmen … ohne vorherige Zustimmung der Völker. In einer Zeit, in der die Umweltfrage eindeutig eine Rolle und einen strategischen Platz im antikapitalistischen Kampf einnimmt, ist die Schaffung einer Allianz zwischen den Bewegungen der ArbeiterInnen in Stadt und Land und den Urvölkern eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Aufgabe dieser Kämpfe ist auch die Rettung der letzten Tropenwälder, die eine wichtige Rolle im Klimasystem spielen.

5.9. Sich der technologischen Flucht nach vorne widersetzen und die großen ökologischen Probleme in die Perspektive einer wirklich nachhaltigen Entwicklung einordnen. Die Geschichte des Kapitalismus ist von Umweltkrisen geprägt, die ohne ökologische Gesamtsicht durch die Umsetzung von technologischen Teilantworten, die dem Erhalt der Profitabilität untergeordnet waren, „gelöst“ wurden und deren schädliche Auswirkungen auf die Umwelt erst später zu Tage traten. Die Energie- und Klimakrise dadurch lösen zu wollen, dass man wie ein Zauberlehrling derselben Methode folgt, wird noch schlimmere Folgen zeitigen, besonders in drei Bereichen: dem steigenden Einsatz von Atomkraft und gentechnisch veränderten Organismen sowie der geologische Speicherung von CO2 im Rahmen einer neuen Welle der Kohlenutzung. Sich diesen kapitalistischen Antworten in den Weg zu stellen, ist eine der Hauptaufgaben der Linken. Wir kritisieren sie als Symbole des unbegrenzten kapitalistischen Wachstums und als absurden Versuch des Systems, über seinen eigenen Schatten zu springen und um jeden Preis eine profitschaffende Akkumulation aufrecht zu erhalten. Auf allgemeinere Art und Weise bringt die Aufgabe des Klimaschutzes alle Umweltfragen zusammen. Die Antwort muss alle großen ökologischen Herausforderungen berücksichtigen, insbesondere:

a) Verteidigung der tropischen Regenwälder (CO2-Senken) bei Anerkennung der Rechte der indigenen Bevölkerung, die von ihren Ressourcen leben;

b) Verteidigung der Artenvielfalt;

c) ein rationales und öffentliches Management der Wasserressourcen;

d) Kampf gegen die Verschmutzung der Biosphäre mit Hunderttausenden von Molekülen aus der Petrochemie, die es in der Natur nicht gibt und die in einigen Fällen auch nicht natürlich abgebaut werden können;

e) Eliminierung der Gase, die das Ozon in der Stratosphäre zerstören, und ihre Ersetzung durch Mittel, die keine gefährlichen ökologischen Folgen haben;

f) Kampf gegen die Verschmutzung der Atmosphäre und deren Konsequenzen für die menschliche Gesundheit (Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und für die Ökosysteme (Versauerung, Ozon in der Troposphäre).

5.10. Die Kluft zwischen den kapitalistischen Plänen und den wissenschaftlichen Analysen der Situation kritisieren. Wir müssen Verbindungen zu den kritischen WissenschaftlerInnen aufbauen. Wir müssen die Frage des Eigentums an Wissen und der gesellschaftlichen Rolle der Forschung aufwerfen. Die Anmaßung der Regierungen, die die Leute glauben lassen wollen, ihre kapitalistische und neoliberale Klimapolitik sei „wissenschaftlich“ fundiert, muss energisch bekämpft werden. Dazu müssen wir die Kluft aufzeigen, die zwischen den Zielen der Regierungen und den Schlussfolgerungen liegt, die man nach dem Vorsorgeprinzip aus den IPCC-Berichten ziehen müsste. Die Anprangerung dieser Kluft bedeutet, dass wir die wesentlichen Aussagen der wissenschaftlichen ExpertInnen übernehmen, während wir gleichzeitig die dominierenden ideologischen und sozialen Annahmen kritisieren, die von der großen Mehrheit der SpezialistInnen vertreten werden. Die Linke muss Beziehungen zu WissenschaftlerInnen aufbauen und sie einladen, ihre Sachkenntnis in die sozialen Bewegungen einzubringen, sie auffordern, sich von ihren allgemeinen politischen Meinungen zu lösen, und sie drängen, sich zu den Widersprüchen zwischen den rationalen globalen Antworten, die der Kampf gegen die globale Erwärmung erfordert einerseits, und der übertriebenen Aufsplitterung des Wissens im Dienste der partiellen Rationalität des Kapitalismus andererseits zu erklären. Angesichts des Platzes, den die wissenschaftliche Expertise in der Entwicklung der Politik einnimmt, ist es von großer Wichtigkeit, Beziehungen zwischen den sozialen Bewegungen und kritischen, humanistischen Forschern aufzubauen. In diesem Rahmen entwickeln wir eine allgemeinere Sicht der Rolle von Wissenschaft und Forschung im Kampf für die Stabilisierung des Klimas bei sozialer Gerechtigkeit. Wir lehnen technologische Lösungen oder Begriffe wie „Entwicklung“ und „Fortschritt“ nicht per se ab. Nein, wir argumentieren, dass die wissenschaftliche und technologische Forschung vom Einfluss des Kapitals befreit werden muss, so dass ihr Potenzial schnell und massiv in den Dienst einer nachhaltigen Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen gestellt werden kann. Wir verlangen eine massive Erhöhung der öffentlichen Forschungsmittel, die Beendigung von Verträgen, die die Universitäten an die Industrie oder ans Finanzkapital binden, und eine demokratische Bestimmung der Forschungsprioritäten im Einklang mit dem Ziel des Übergangs zu einer Gesellschaft ohne fossile Brennstoffe bei Wahrung der sozialen Gerechtigkeit.

5.11. Individuellen Schuldzuweisungen entgegentreten, aber für eine nüchterne Energiedebatte nach Maßgabe des gesellschaftlich Möglichen eintreten. Die Sündenbock-Diskurse der Regierungen, die die Verantwortung für die Erwärmung dem individuellen Verhalten des Einzelnen zuschieben und die soziale Ungleichheit und die Verantwortung des Kapitalismus verstecken wollen, lenken die Aufmerksamkeit von den erforderlichen tiefgreifenden strukturellen Veränderungen ab und bereiten den Weg für ungerechte Maßnahmen wie die „CO2-Steuer“. Es wäre eine Illusion, zu glauben, dass das Klima durch eine Bewegung der „kulturellen Ansteckung“ gegen den Konsumwahn gerettet werden könnte, während die Hälfte der Menschheit in chronischer Unterkonsumtion lebt. Doch wäre es auch eine Illusion, auf einen hypothetischen revolutionären wissenschaftlichen Durchbruch zu setzen, um Überkonsumtion und daraus resultierende individuelle Verhaltensweisen nicht in Frage stellen zu müssen. Statt Aktionen in der Konsumsphäre gegen strukturelle Änderungen in der Produktionssphäre zu stellen, müssen die erstgenannten als Mittel begriffen werden, um Bewusstsein für die Notwendigkeit der letzteren zu schaffen. Alternative soziale Verhaltensweisen, demokratische Kampagnen und Mobilisierungen – auch von Minderheiten –, die die Produktivitäts- und Konsumlogik in Frage stellen, können eine positive Rolle bei der Herausbildung eines kollektiven Bewusstseins spielen, dass strukturelle Veränderungen auch in der Produktionssphäre nötig sind und dass diese Veränderungen von einer Steigerung der Lebensqualität begleitet sein können.

5.12. Eine Praxis gegenseitiger Hilfeleistung für den Katastrophenfall entwickeln. Der Klimawandel führt zu einer beträchtlichen Zunahme der Risiken von Katastrophen, die vor allem die Arbeitenden und die Armen treffen, insbesondere in Entwicklungsländern. Angesichts dieser Bedrohung müssen wir vorbereitet sein, mit den sozialen Bewegungen in zwei Bereichen zu intervenieren: Dem Bereich der Forderungen, bei dem die Staaten aufgefordert werden, ihre Verantwortung wahrzunehmen, und dem Bereich der direkten, solidarischen Hilfe für die einfache Bevölkerung, wie sie von den Menschen vor Ort und ihren Organisationen mit Unterstützung eines weltweiten Netzwerks von AktivistInnen übernommen werden kann. Die bei Naturkatastrophen gemachten Erfahrungen zeigen, dass diese Unterstützung aus der Bevölkerung schneller kommt, weniger kostet und direkter auf die Armen und die wirklichen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Außerdem begünstigt sie die Entwicklung einer alternativen Art von sozialen Beziehungen und stellt die etablierte Ordnung in Frage.

Beschlossen vom 16. Weltkongress der IV. Internationale im Februar 2010
Übersetzung: Björn Mertens



Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr (März 2010).