Griechenland

Die Aufgaben der Linken nach dem Sieg von SYRIZA

Am 27. Januar gab DEA die nachfolgende Erklärung heraus, in der die Vereinbarung mit den „Unabhängigen Griechen“ und die Fragen kommentiert werden, vor denen SYRIZA nun steht.

Diethnistiki Ergatiki Aristera (DEA)

1.
Die Niederlage der Koalitionsregierung von Antonis Samaras und Evangelos Venizelos in den Wahlen vom 25. Januar ist vor allem ein historischer politischer Sieg für die Kräfte des sozialen Widerstands. Die ArbeiterInnenklasse und die Volksmassen haben seit dem Ausbruch der Krise und der Verabschiedung der Memoranden unaufhörlich Kämpfe gegen die Vereinbarungen geführt, die die griechische herrschende Klasse mit der Troika und den internationalen Gläubigern getroffen hat und mit denen eine brutale Austeritätspolitik durchgesetzt worden ist. Der Wahlsieg ist nicht zuletzt das Ergebnis der Generalstreiks, der Massendemonstrationen, der „Bewegung der Plätze“ und vieler wichtiger lokaler und bereichsspezifischer Kämpfe, die weitergegangen sind, nachdem die große Welle des Widerstands der Jahre 2010 bis 2012 zurückgegangen ist.

In dieser Zeit haben die Menschen, die an diesen Kämpfen an der Basis teilnahmen, jene Forderungen, Hoffnungen und Erwartungen zum Ausdruck gebracht, die bis heute lebendig geblieben sind. Im Zentrum aller Hoffnungen und Erwartungen steht die Forderung nach Abkehr und Rückgängigmachen der Austeritätspolitik. Trotz aller Verleumdungen seitens der Mainstream-Medien haben die Menschen weiter daran festgehalten und ihre Hoffnungen darauf gerichtet, dass die Linke das durchsetzt. Das ist die Grundlage für den Wahlsieg von SYRIZA, der deutlicher ausgefallen ist, als viele erwartet haben, und das ist auch die Grundlage dafür, dass die Zahl der Stimmen für die Griechische Kommunistische Partei (KKE) auf gleicher Höhe geblieben ist.

2.
Der massive Ruck nach links, der sich in den Ergebnissen vom 25. Januar zeigt, gibt SYRIZA einen stärkeren politischen Schwung, als es in den 149 Parlamentssitzen zum Ausdruck kommt – knapp unterhalb der 151 Sitze, die für eine absolute Mehrheit im Parlament erforderlich sind.

Trotz der skandalösen Unterstützung durch nationale und internationale konservative Kräfte sank die „Nea Demokratia“ von Antonis Samaras auf 27,8 Prozent der Stimmen ab – was einen neuen Tiefpunkt ihres Einflusses darstellt. „Nea Demokratia“ geht aus der Wahlauseinandersetzung politisch und strategisch zutiefst angeschlagen heraus. Die Differenzen zwischen dem rechten Populismus, mit seinem Schwerpunkt auf Rassismus und Nationalismus, und dem „sozialen Radikalismus“ der traditionellen rechten Mitte werden jetzt innerhalb von „Nea Demokratia“ unwiderruflich wieder hochkommen. Momentan ist unklar, ob es überhaupt eine gemeinsame politische Zukunft für die konservative Partei der Rechten gibt.

3.
Bei der Entscheidung der SYRIZA-Führung, eine Koalitionsregierung mit den „Unabhängigen Griechen“ unter der Führung von Panos Kammenos zu bilden, ist diese Dynamik unterschätzt worden. Dies war nicht die zwingend notwendige Antwort auf das Wahlergebnis und die damit entstandene Lage. Es gab in der Tat den Weg, das Parlament um ein „Tolerierungsvotum“ [bei dem Abgeordnete von anderen Parteien der Regierung Tsipras das Vertrauen ausgesprochen oder sich enthalten hätten] auf der Grundlage der Verpflichtungen von Thessaloniki [wo Tsipras am 14. September 2014 einen „Wiederaufbauplan“ vorstellte und sagte, dies würden die ersten Maßnahmen einer künftigen Linksregierung sein] und des Programms der Gründungskonferenz von SYRIZA zu bitten.

      
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Mit der Entscheidung des Parteitags von SYRIZA, der damit die SYRIZA-Gründungserklärung bekräftigt hat, ist die langjährige Ablehnung von politischen Bündnissen mit dem Mitte-Links-Lager wiederholt worden. Wir sind der Meinung, dass das auch (und noch weit mehr!) für Bündnisse mit Mitte-Rechts gilt.

Die „roten Linien“ von ANEL für die Bildung der Koalitionsregierung stehen im Widerspruch zur Stimmung eines großen Teils der SYRIZA-Mitglieder; auch werden sie als Transmissionsriemen wirken, über den das System Druck auf die Linksregierung ausüben wird. Unter diesen Bedingungen gefährdet die Koalitionsvereinbarung mit ANEL das politische Projekt für eine Linksregierung mit einer Politik und einer Strategie des Übergangs.

4.
Für die Mitglieder und UnterstützerInnen von Syriza, für die gesamte Linke, für AktivistInnen in den sozialen Bewegungen ist eine völlig neue Situation entstanden. Die Umsetzung der Ankündigungen von Thessaloniki wird die erste „Etappe“ der neuen Regierung sein. Anhebung des Mindestlohns auf Vorkrisenniveau; Wiedereinführung der zusätzlichen Rentenzahlung für Arme [mit Bezügen von 700 Euro und weniger], die durch die Memoranden abgeschafft wurde; Wiederherstellung der Tarifverträge; Wiedereinführung des Freibetrags von 12 000 Euro bei der Einkommenssteuer und Abschaffung der Immobiliensteuer ENFIA [einer ausgesprochen ungerechten Steuer auf Hausbesitz, selbst bei Leerstand, die von der Samaras- Regierung zunächst als Übergangsmaßnahme eingeführt, aber dann zur dauerhaften Regelung erklärt wurde] und Abschaffung der Sondersteuer auf Heizöl – all dies sollte eine erste starke Botschaft sein, dass die durch die Austerität verursachte Talfahrt beendet wird.

Mit der sozialen Bewegung an vorderster Front sollten wir den Weg zum Bruch mit der Austerität ein für alle Mal beschreiten. Damit alles eingefordert wird, was verloren gegangen ist! In diesem Sinn wird die Wiedereinstellung der entlassenen Beschäftigten der ERT [der öffentlichen Radio- und Fernsehstation, die von der Regierung Samaras im Juni 2013 auf autoritäre Art und Weise geschlossen wurde], die Wiedereinstellung der Putzfrauen im Finanzministerium [die einen langen Kampf geführt haben, nachdem sie entlassen wurden und ihre Jobs an Werkvertragsfirmen vergeben wurde] und der anderen entlassenen Beschäftigten und der [für ein Jahr] „zur Verfügung“ [und danach entlassenen] gestellten Staatsbediensteten eine ebenso wichtige Botschaft aussenden – sowohl an die arbeitenden Menschen auf unserer Seite und natürlich auch an die Gegenseite.

5.
Unter diesen neuen Umständen hat SYRIZA als politische Partei eine durch nichts zu ersetzende Rolle. Die Handlungsfähigkeit der Parteigliederungen und der Mitglieder in ihren Basiseinheiten, eine kollektive Arbeitsweise der gewählten Gremien, die innerparteiliche Demokratie sind keine netten Zugaben, sondern eine Vorbedingung für den endgültigen Sieg von SYRIZA und für den endgültigen Sieg der gesamten Linken und unseres Volks.

27. Januar 2015

Diethnistiki Ergatiki Aristera (DEA) ist eine revolutionär-sozialistische Gruppierung in Griechenland, die 2004 an der Gründung von SYRIZA beteiligt war und die jetzt eine herausragende Rolle in dem „Red Network“ und der Linken Plattform innerhalb von SYRIZA spielt.

Übersetzung aus dem Englischen: Paul Michel



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 2/2015 (März/April 2015). | Startseite | Impressum | Datenschutz