Frankreich

Gegen Valls und die Finanzmärkte!

Gingen Sarkozy und Ayrault die fälligen Reformen zugunsten des Kapitals noch zu zögerlich an, will die jetzige französische Regierung unter Valls diese „Versäumnisse“ ausmerzen.

François Sabado

Während Europa in der Rezession festsitzt oder gar eine Deflation droht, im Osten ein Krieg tobt und die Rechten und Rechtsextremen im Aufwind sind, durchläuft Frankreich eine harsche politische und institutionelle Krise, begleitet vom Aufstieg der faschistoiden extremen Rechten.

Diese politische Krise, die den Institutionen der V. Republik zusehends zu entgleiten droht, erlebt mit der Umbildung der erst seit vier Monaten amtierenden Regierung Valls eine neuerliche Zuspitzung. Und die einzige Antwort, die den Amtsinhabern darauf einfällt, besteht darin, den neoliberalen Kurs noch weiter voranzutreiben und auf autoritäre Lösungen zurückzugreifen. Symbolisiert wird diese beispiellose Austeritätspolitik durch die neoliberal gewirkte Zusammensetzung der neuen Regierungsmannschaft und namentlich durch die Nominierung eines Investmentbankers der Geschäftsbank Rothschild, Emmanuel Macron, für den „die klassische Linke ein toter Stern [ist]“ und die Wirtschaft zu „belastet mit Statuten“, die man einreißen muss, will heißen: Abbau der sozialen Errungenschaften und der Arbeitsschutzgesetze. Etliche Beobachter und sogar PS-Abgeordnete sehen in dieser Nominierung eine gezielte Provokation.


Eine neoliberale Regierung


Die Ernennung dieser Regierung ist nichts als eine Flucht nach vorn auf dem Weg einer „angebotsorientierten“ Politik im Dienste des Kapitals und seiner Profite. Während die Unternehmer noch mehr Subventionen erhalten, wird die Sparpolitik verschärft, wie der Haushaltsplan zeigt, der 40 Milliarden Euro Beihilfe für die Unternehmen vorsieht und auf der anderen Seite drastische Einschnitte bei den Sozialausgaben und den Investitionen in die öffentlichen Dienste. Mit diesen Maßnahmen unterwerfen sich Hollande und die sozialdemokratische Parteiführung endgültig dem Druck der Finanzmärkte und der Gläubiger, die bedient werden wollen. Beifall für seine Politik erhielt Valls sinnigerweise von den Unternehmern bei seiner Rede auf der Sommeruniversität des Unternehmerverbandes Medef, da sie sich im Rahmen des „Paktes der Verantwortung“ von dieser Regierung direkt vertreten sehen.

Die jetzige Austeritätspolitik ist insofern beispiellos, als im Unterschied zu den späten 70er und 80er Jahren der Neoliberalismus darauf zielt, sämtliche verbliebenen sozialen Errungenschaften aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, die damals im Rahmen der Résistance beschlossen worden waren, zu schleifen.

In dieser Zielsetzung, nämlich der Zerschlagung des „europäischen Sozialmodells“, deckt sich die französische Bourgeoisie mit den herrschenden Klassen in ganz Europa, die sich im weltweiten Konkurrenzkampf sehen, der zwischen Kerneuropa, den USA und den einstigen Schwellenländern wie China tobt. Dafür sollen bspw. die Löhne wie in Griechenland, Spanien oder Portugal um 20–30 % sinken, was mittels Lohnstopp und Lohnsenkungen oder aber durch verlängerte Arbeitszeiten erreicht werden soll. Der Banker im Ministeramt Macron hat bereits vor seiner offiziellen Ernennung in einem Interview mit Le Point erklärt, dass die 35-Stunden-Woche per Unternehmensvertrag auf den Prüfstand gestellt werden könnte. Weiter sieht die Agenda der Unternehmer vor, die Sozialversicherung abzubauen, die Tarifverträge auf Branchen- und Landesebene nach dem Vorbild des Schweizer Gesamtarbeitsvertrages umzubauen, das Arbeitsgesetz zugunsten betrieblicher Vereinbarungen zu kippen und die öffentlichen Dienste abzubauen.

Bisher wurden derlei „Reformen“ anders als in den Ländern Südeuropas durch die wirtschaftliche und soziale Realität des Landes, das immerhin die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt repräsentiert, abgefedert. Aber der Forderungskatalog der Unternehmer und die politische Agenda der Regierung machen deutlich, dass die Gangart verschärft werden soll.


Politik in der Krise


Die Politik steckt deswegen in der Krise, weil die jüngsten Regierungen einen historischen Schwenk vollzogen haben, indem sie die Arbeits- und Lebensbedingungen von Millionen Menschen brutal verschlechtert haben. Dies stößt auf breite Ablehnung und die Legitimationskrise gerät umso schärfer, als die Institutionen und herkömmlichen Parteien bloß noch als verlängerter Arm der Finanzmärkte und des supranationalen Kapitals fungieren.

Zwar ermöglichen die Institutionen der V. Republik François Hollande, noch weiter zu regieren, aber sie kaschieren nicht mehr die tatsächlichen Kräfteverhältnisse im Land. Die Politik von Hollande und Valls wird nur noch von einer Minderheit im Land getragen und ist auch innerhalb der Linken und selbst der PS diskreditiert. Dies wirft natürlich die Frage auf, wie lange die beiden durchhalten werden.

Immerhin hat Valls für seine Politik nur 5,63 % der Stimmen bei den PS-Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur im Oktober 2011 erhalten. Gemeinsam mit den Anhängern von Hollande mag er auf 15–20 % der Mitgliedschaft kommen. Im Parlament kann sich die Regierung mithilfe des Artikels 49,3 eine Mehrheit verschaffen, indem er die Vertrauensfrage damit verknüpft. Dies lässt sich freilich nicht beliebig oft ausreizen. Daher könnte die Regierung auch ihre parlamentarische Mehrheit verlieren. Dann gäbe es zwei Alternativen: entweder eine neuerliche sozialistische Regierung oder Auflösung des Parlaments. Die Aussicht auf die letztere Variante könnte die sozialdemokratischen Abgeordneten auf Regierungslinie bringen, da nach Lage der Dinge Neuwahlen höchstwahrscheinlich der Rechten und extremen Rechten eine breite Mehrheit und die PS an den Rand des Zerfalls brächten. Andererseits sind sich die sozialdemokratischen Abgeordneten dessen bewusst, dass Hollande und Valls sie in den Abgrund ziehen.


Die Rechte gespalten und unter Druck von rechts


Denn was gegenwärtig in Frankreich dräut, ist, dass ein Einbruch der Sozialdemokratie mit einem Durchbruch der Rechten und des Front National einhergehen wird und dass Rassismus und allerlei reaktionäres Gedankengut weiter an Boden gewinnen. Offen ist nur, wie hoch die Stimmengewinne für den Front National ausfallen werden, sei es bei vorgezogenen Wahlen, die ihnen unmittelbar zupasskommen würden, sei es bei den regulären Präsidentschaftswahlen 2017. Und von diesem Ergebnis wird die weitere Entwicklung im rechten Lager abhängen. Offen ist auch die weitere Entwicklung der UMP, die von zahlreichen Korruptionsaffären und einem Dauerkrieg an der Spitze gebeutelt wird.

Je nach Ausgang dieser Fragen sind Umstrukturierungen innerhalb der Rechten möglich, sei es, dass der Front National mit den rechtspopulistischen Hardlinern zusammengeht, oder dass sich das „Zentrum“ neu formiert, um unter der Ägide von EU und deutscher Regierungskoalition in Richtung auf eine Große Koalition unter Einschluss der Sozialdemokratie und der Grünen zuzusteuern. Aber noch ist es nicht so weit, zumal die Institutionen und das Wahlsystem in Frankreich die Bildung einer Großen Koalition unterbinden.

Momentan würde die PS den Umfragen zufolge der Rechten und extremen Rechten haushoch unterliegen und möglicherweise ein sozialdemokratischer Präsidentschaftskandidat nicht einmal in die Stichwahl gelangen, sofern nicht eine offene Spaltung der Rechten zupasskommt.


Die Sozialdemokratie vor der Existenzfrage


Der neoliberale Umbau der PS datiert nicht von heute. Seit etlichen Jahren schon ist sie dabei, sich in den oberen Etagen des Staates und des Finanzkapitals zu etablieren und den Rest ihres sozialdemokratischen Erbes abzulegen. Die Transformation in eine Demokratische Partei nach US-amerikanischem Vorbild ist schon weit gediehen und selbst Cambadélis, ihr Generalsekretär, gibt zu, dass „sich die Identität der PS im Alltag der Macht verbraucht hat“. Freilich gehen diese strukturellen Wandlungen in Zeiten einer historischen Systemkrise nicht ohne Weiteres vonstatten, sondern rufen Spannungen, Auseinandersetzungen und Spaltungen hervor.

Insofern ist selbst die nahe Zukunft der Partei ungewiss. Bisher schien eine Entwicklung, wie sie die bankrotte griechische PASOK genommen hat, ausgeschlossen, aber angesichts der gegenwärtigen Regierungspolitik ist ein Crash nicht mehr ausgeschlossen. Zwar haben 200 von 300 sozialdemokratischen Abgeordneten ihre Loyalität schriftlich bekundet, aber wie sich die anderen hundert verhalten werden, ist unklar. Gegenwärtig gibt es keine Anzeichen für das Entstehen dezidiert linker Strömungen. Sollte die gegenwärtige Regierung aber Schiffbruch erleiden, wäre eine mögliche Variante, dass sich der Parteiapparat bspw. um Martine Aubry herum, die ihre Opposition gegen die erst kürzlich erfolgte völlige Freigabe der Mietpreise bekundet hat, neu formiert. Auch andere „Linksoppositionelle“ kämen dafür infrage, aber bisher tragen alle die Sparpolitik mit. Außerdem haben diese „Frondeure“ (Aufsässigen) jeder Schattierung in der Vergangenheit die Regierung unterstützt oder mitgebildet, obwohl sie eine unternehmerfreundliche Politik, wie sie im Pakt der Verantwortung zum Ausdruck kommt, verfolgt. Einer von ihnen, Arnaud Montebourg, ehemaliger Minister für wirtschaftlichen Wiederaufbau, war sogar an vorderster Front in diese Politik involviert.

Auch wenn es verfrüht wäre, den Abgesang auf die PS anzustimmen, ist ein Punkt erreicht, wo das Fass überzulaufen beginnt. Nach Angaben von Cambadélis hat die Partei in den letzten beiden Jahren über 25 000 Mitglieder verloren. Dass die Partei schrumpft, ist also unbestritten; offen ist nur das Ausmaß der internen Zerwürfnisse und der daraus entstehenden organisatorischen Konsequenzen und inwieweit sich daraus in- und außerhalb der PS Ansatzpunkte ergeben, die Austeritätspolitik offen infrage zu stellen und aktiv dagegen vorzugehen.


Wo steht die „Linksfront“?


Die Regierungskrise droht auch, die Spannungen und Brüche innerhalb der „Linksfront“ zu verschärfen. Das Modell, mit dem sie einst angetreten ist, ist hinfällig geworden, umso mehr, seit die Führung der KP für die Kommunalwahlen im März 2014 beschlossen hatte, in den wichtigsten Städten mit der PS gemeinsam anzutreten. Obendrein gibt es Gespräche zwischen den beiden, auch bei den Senatswahlen im September 2014 gemeinsam zu kandidieren.

Die KP mag noch so sehr darauf abheben, dass der Regierung die eigene Gefolgschaft davonläuft. Sie selbst ist es, die mit der PS-Führung in Verhandlung steht, obwohl diese die Regierung Valls stützt. Und die vormalige Galionsfigur der Linkspartei, Jean Luc Mélenchon, hat erst den Parteivorsitz niedergelegt, um die Weichen für eine Bewegung für die VI. Republik zu stellen, die sich um seine Kandidatur bei den nächsten Präsidentschaftswahlen 2017 formieren soll.

Da muss man sich fragen, wie jemand für die Demokratie kämpfen kann und zugleich derlei bonapartistische Methoden pflegt, mit denen die Parteien übergangen und basisdemokratische Grundsätze infrage gestellt werden. Mag die politische Legitimationskrise für Überraschungen gut sein und mag Chávez noch so sehr unter den spezifischen historischen Umständen in Lateinamerika eine fortschrittliche Rolle im Kampf gegen den US-Imperialismus gespielt haben, so fragwürdig ist ein Aufguss des chavistischen Modells in Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts.


Antikapitalistische Alternativen


Wenn die politischen Realitäten und die sozialen Kräfteverhältnisse so weit auseinanderklaffen, werden sich die sozialen und politischen Spannungen zwangsläufig zuspitzen und irgendwann anhand irgendeines sozialen oder demokratischen Anliegens zur Explosion führen. Ebenso wenig dürfen die rassistischen und reaktionären Kundgebungen außer Acht gelassen werden. Wenn die herrschenden Klassen und die traditionellen Strukturen die brennenden Probleme unserer Zeit nicht mehr mit parlamentarischen Mitteln in den Griff kriegen, dann steht die Revolte der Jugend und der unteren Klassen auf der Tagesordnung.

Es kann dabei auch zu einer politischen und sozialen Zuspitzung zwischen einer Ultrarechten nach Art der US-amerikanischen Tea Party und einer radikalen sozialen Bewegungen kommen. Wie muss daher eine demokratische, radikale und antikapitalistische Strategie gegen die Krise beschaffen sein?

1. Im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung steht weiterhin die soziale Frage. Insofern muss die gesamte Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung bekämpft werden, zuvörderst der „Pakt der Verantwortung“ und die Haushaltspolitik, die Geschenke für die Unternehmer und Einschnitte bei den öffentlichen Diensten und der sozialen Sicherung vorsieht.

Angesichts rapide zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit, die gegenwärtig bei über 5 Millionen liegt, geht es nicht um kosmetische Maßnahmen und Augenwischerei, wie sie in dem Solidarpakt mit der Medef zum Ausdruck kommen, sondern um ein Sofortprogramm, das möglichst vielen Lohnabhängigen zugutekommt: Verbot von Entlassungen, Erhöhung der Löhne und des Mindestlohns, umfassende Neueinstellungen in den öffentlichen Diensten, Verteidigung der 35-Stunden-Woche und weitere Arbeitszeitverkürzung, Verteidigung der sozialen Sicherung, Verstaatlichung der wirtschaftlichen Schlüsselsektoren unter Kontrolle der Beschäftigten, Wirtschaftsplanung unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten, Annullierung der illegitimen Schulden, Ausstieg aus den EU-Verträgen.

Aufgrund der Schwere der Krise sind halbherzige Maßnahmen ungeeignet, um glaubwürdig und nachhaltig darauf zu reagieren. Angesichts der dreisten Forderungen der herrschenden Klassen lassen sich die elementaren sozialen Bedürfnisse nur befriedigen, indem man sich den Finanzmärkten, den Großunternehmern und ihren politischen Vertretern sowie der EU entgegenstellt und folglich das Wirtschaftssystem unter antikapitalistischen Vorzeichen ändert.

2. Die politische Krise erzwingt auch radikaldemokratische Antworten. Einmal mehr zeigt sich der undemokratische Charakter der Institutionen der V. Republik: Obwohl die Regierungspolitik kaum mehr Rückhalt in der Bevölkerung hat, vereinigen Hollande und die Regierung alle Macht auf sich und regieren durch. Um aber zu einer Lösung dieser politischen Krise zu gelangen, muss dem Volk das Wort erteilt werden. Jedoch geht es nicht darum, im Rahmen eben dieser Institutionen und dieser Austeritätspolitik, die gleichermaßen von der Rechten wie von der Sozialdemokratie betrieben wird, eine Mehrheit durch eine andere zu ersetzen. Insofern stellt sich auch die Frage, welchen Sinn die Forderung nach einer VI. Republik ergibt, wenn – wie von Mélenchon und der Führung der Linksfront gefordert – der Eckpfeiler der Institutionen der V. Republik, nämlich die Wahl des Staatspräsidenten durch allgemeines Wahlrecht, erhalten bleibt.

Stattdessen bedarf es einer grundlegenden Neuordnung mit der Abschaffung der Institutionen der V. Republik einschließlich der Wahl eines Staatspräsidenten und des gegenwärtigen Mehrheitswahlrechts in zwei Wahlgängen. Darüber hinaus erfordert die gegenwärtige Legitimationskrise die Eröffnung eines verfassungsgebenden Prozesses, in dessen Zentrum eine „wahre Demokratie“ steht, wo landesweit kommunale Vertretungen bei allgemeinem Wahlrecht gewählt werden, die über alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Belange entscheiden. Nicht mehr die kapitalistischen Märkte dürfen Vorrang vor der Demokratie haben und nicht die Bankiers und Industriekapitäne dürfen entscheiden, sondern das Volk und seine Vertreter!

Diese Positionen sollten wir als Antikapitalisten in einem solchen Prozess vertreten. In einer solchen neuen und wahren Demokratie sollten alle politischen Strömungen und Positionen proportional vertreten sein. Politik darf nicht mehr Angelegenheit von BerufspolitikerInnen sein und die Gehälter der gewählten VertreterInnen dürfen nicht über den landesweiten Durchschnittslöhnen liegen. Ämterhäufungen sind ausgeschlossen. Die BürgerInnen müssen regelmäßig per Vollversammlung oder Referendum befragt werden, und zwar auf der Ebene, auf der die Entscheidungen getroffen werden sollen. Kurzum – eine Volksdemokratie für und durch das Volk.

Aus der gegenwärtigen politischen Handlungsunfähigkeit folgt, dass die Lohnabhängigen und die einfache Bevölkerung sich der gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsebene bemächtigen. Natürlich setzt die Umsetzung unserer sozialen und demokratischen Forderungen andere politische und soziale Kräfteverhältnisse voraus, aber die Ereignisse können sich durchaus überschlagen. Wir dürfen es nicht parlamentarischen Winkelzügen oder der (extremen) Rechten überlassen, über die jetzige Politik zu richten, sondern müssen unseren Protest auf die Straße tragen.

      
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Dass bspw. in den Streiks bei der SNCF eine neue Generation zum Kampf angetreten ist, zeigt, dass die Lohnabhängigen, wenn sie entsprechend gefordert werden, Widerstand leisten gegen die Angriffe seitens der Regierung und Unternehmer, auch wenn Kampfbereitschaft und antikapitalistisches Bewusstsein noch bei weitem nicht im Gleichklang sind. Die Demonstrationen gegen den israelischen Angriffskrieg auf Gaza haben gezeigt, dass die Mobilisierungen auch in Teilen der einfachen Bevölkerungsschichten greifen. Am 12. April diesen Jahres sind Zehntausende dem gemeinsamen Aufruf einer Koalition von Gewerkschaften, Parteien und Bürgerinitiativen gefolgt und gegen die Austeritätspolitik auf die Straße gegangen. Bei diesen Mobilisierungen hat u.a. die NPA eine vorwärtstreibende Rolle gespielt. Nunmehr müssen wir unsere Anstrengungen in dieser Richtung verdoppeln und auf der Basis konkreter Ziele und Forderungen, wie dem Nein zum Regierungshaushalt, eine Einheitsfront all derjenigen herstellen, die sich von links gegen die Regierungspolitik stellen. Dabei ist jeder Schritt, der der Mobilisierung der Bevölkerung dient, zu unterstützen.

Dabei muss man sich davor hüten, wieder einmal mehr auf „linkere“ Varianten zu setzen, die dann letztlich doch im Rahmen der Austeritätspolitik und/oder der gegenwärtigen Institutionen verharren. Diese politische Krise, die die linken WählerInnen desorientiert und demoralisiert, erfordert eine gemeinsame Debatte und Aktion, allerdings nicht, um sich dann im Schlepptau abgehalfterter Minister wiederzufinden, die noch unlängst den „Pakt der Verantwortung“ mitgetragen haben. Um erfolgreich gegen Kapital und (extreme) Rechte zu bestehen, müssen wir jede Form von Sparpolitik ablehnen und unsere klare Unabhängigkeit von der Sozialdemokratie und ihren Steigbügelhaltern bewahren. Nur so kann eine antikapitalistische Alternative auf einheitlicher Grundlage erzielt werden.

30.8.2014
François Sabado ist Mitglied der NPA und des Exekutivbüros der IV. Internationale.
Übersetzung: MiWe



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 6/2014 (November/Dezember 2014). | Startseite | Impressum | Datenschutz