DÄNEMARK:

Streik abgewürgt

Zehn Tage waren es, die Dänemark (ein wenig) erschütterten. Dann griff die Regierung ein und verordnete einen Zwangskompromiß. Welche Kräfte hätten sich dagegenstellen können?

Von Søren Søndergaard

Nach 36stündiger Debatte beschloß das dänische Parlament (Folketing) am 7. Mai ein Gesetz, das den fast zwei Wochen dauernden Streik beenden sollte. Einige der Streikenden bekommen dabei mehr Urlaub, während andere gar nichts bekommen. Die Frage ist jetzt, welche Folgen der Streik haben wird, auch in bezug auf das Referendum zum Amsterdamer Vertrag am 28. Mai.

Als die vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Poul Nyrup Rasmussen geführte Minderheitsregierung die Einmischung des Parlaments in den Konflikt vorschlug, war die Begründung, es sei erforderlich, das Chaos zu beenden, das die dänische Gesellschaft bedrohe. Dies war nicht wahr. Die Streikenden hatten alle Notdienste organisiert, um die wesentlichen Funktionen aufrechtzuerhalten.

SCHWERER SCHLAG

Doch die Unternehmer waren vom Streik schwer getroffen. Sogar einige ausländische Gesellschaften, z.B. die schwedische Autofirma Saab, mußten die Produktion wegen des Streiks in Dänemark stoppen. Gleichzeitig gelang es den Streikenden zunehmend, Unterstützung bei der Bevölkerung für die Forderung nach sechs Wochen Urlaub zu erhalten. Die Unternehmer waren dabei zu verlieren - wirtschaftlich wie politisch.

Deshalb verhandelte die Regierung der Mitte (die Sozialdemokraten und eine kleine bürgerliche Partei) mit den großen bürgerlichen Parteien (den Liberalen und Konservativen), und sie fand eine Mehrheit im Parlament für ein Gesetz, das den Streik beenden sollte. Gegen dieses Gesetz stimmten die linkssozialdemokratische Sozialistische Volkspartei und die linkssozialistische Rot-Grüne Einheitsliste, die beide zusammen 10% der Stimmen bei den Wahlen am 11. März 1998 erhalten hatten.

Die Regierungsintervention respektierte den ökonomischen Rahmen, dem die Unternehmer zugestimmt hatten. Doch mit Hilfe von Steuersenkungen für die Unternehmer und einer Senkung der Beiträge für die Pensionen gelang es der Regierung in gewissem Ausmaß, der Forderung der Lohnabhängigen nach mehr Urlaub nachzukommen.

Generell erhalten alle am Streik Beteiligten zwei zusätzliche Feiertage pro Jahr, und Eltern mit Kindern unter 14 Jahren erhalten zusätzlich drei Familienurlaubstage im Jahr. Doch diese Urlaubstage sind abhängig von einer längerfristigen Beschäftigung beim selben Arbeitgeber. Das bedeutet, daß große Gruppen unter den Streikenden gar nichts bekommen, weil sie den Arbeitgeber öfter wechseln.

Unter den Streikenden traf die Intervention der Regierung auf großen Unmut. Eine Menge Leute sieht dies als einen prinzipiellen Angriff auf das Streikrecht. Und viele sind zornig über die Tendenz, die Bewegung zu spalten, was in dem Gesetz zum Ausdruck kommt, das der einheitlichen Forderung nach sechs Wochen für alle, entgegengesetzt ist. Diese Unzufriedenheit hat bisher zu einer Protestversammlung von mehr als 1000 Betriebsräten aus dem ganzen Land sowie zu Proteststreiks geführt, als die Leute nach dem Streik wieder an die Arbeit gingen.

SCHWÄCHE DER LINKEN

Doch es wird keinen einheitlichen Proteststreik gegen die Regierungsintervention geben. Zum Teil weil manche das Gefühl haben, daß sie wirklich etwas durch den Arbeitskampf erreicht haben. Aber vor allem weil es keine glaubwürdige Führung für einen vereinten Kampf für ein besseres Ergebnis gibt. Die Führer der Gewerkschaften haben sich gegen die Intervention gewandt, aber sie werden keinen außerparlamentarischen Kampf gegen ein Gesetz führen, das von einer sozialdemokratischen Regierung eingebracht wurde.

Seit den großen Streiks von 1985 wurde der linke Flügel der Gewerkschaften im Betrieb und unter den Betriebsräten geschwächt. Es ist mehr Kampferfahrung erforderlich, bevor das für die landesweite Organisierung von Betriebsräten nötige Verständnis vorhanden sein wird.

Obgleich es so aussieht, daß der Kampf erst einmal zu Ende ist, wird er für die Zukunft bedeutende Folgen haben. Die Forderung nach sechs Wochen Urlaub für alle ist sehr populär geworden und wird eine zentrale Rolle bei den nächsten Verhandlungen mit den öffentlichen Arbeitgebern im kommenden Jahr spielen. Auch sind neue Schichten in den Kampf und die gewerkschaftliche Arbeit einbezogen, was zu einer Stärkung der Linken in den Gewerkschaften führen kann.

Schließlich gibt es keinen Zweifel, daß sowohl die dänische als auch die europäische Bourgeoisie fürchtet, daß die Regierungsintervention das Referendum über den Amsterdamer Vertrag am 28. Mai beeinflussen wird.


Kopenhagen, 11. Mai 1998
Übers.: Sozialistische Zeitung

Der Autor ist Parlamentsabgeordneter für die Rot-Grüne Einheitsliste und Mitglied der SAP (Vierte Internationale).
Kontakt: Socialistisk Arbejderparti, Tel: 0045-31 39 79 48, Fax: 0045-35 37 32 17, E-Mail: <socinf@inet.uni2.dk>

Dieser Artikel erscheint in Inprekorr Nr. 320.

Ein weiterer Artikel berichtet über den Beginn des Streiks.