Jakob Moneta

Jakob Moneta – Inteview zum achtzigsten Geburtstag

 Jakob, du hast dich mit siebzehn Jahren dem Sozialistischen Jugendverband (SJV, Jugendorganisation der SAP) angeschlossen. Kannst du uns erzählen, was deine Beweggründe dafür waren?

Ich war damals Unterprimaner in Köln und die Massenarbeitslosigkeit, die es damals gab, sechs Millionen Arbeitslose, war sehr viel sichtbarer als das heute der Fall ist. Damals bekam man sein Arbeitslosengeld nicht nach Hause geschickt, sondern man sah die langen Schlangen vor den Arbeitsämtern. Wenn ich zur Schule ging in Köln über den Neumarkt, dann standen da überall diskutierende Gruppen, das Elend war wirklich sichtbarer als es heute ist, und das war wirklich beeindruckend. Ich glaube, daß das eins der wichtigen Momente war. Hinzu kam, daß wir damals auch gespürt haben, daß diese Trennung zwischen SPD und KPD einen wirklichen Widerstand gegen den aufstrebenden Nationalsozialismus verhindert hat.

Es gab einen Schüler, der mir Schriften von Trotzki in die Hand drückte: Wie wird der Faschismus geschlagen?, Was nun?, Über Deutschland und andere Broschüren, und das war außerordentlich eindrucksvoll. Ich muß sagen, daß nicht nur im SJV die Jugend das gelesen hat, sondern auch in der Roten Studentenschaft bis hinein in die obersten Kreise der KPD, die "Versöhnler". Heinz Brandt hat mir immer wieder gesagt, daß sie das damals gelesen haben, daß das für sie auch ein Stück ihres Widerstands gegen den Kurs der Partei damals war, sie konnten sich allerdings nicht durchsetzen. Und auch in der SPD; zum Beispiel in der SAJ und den ganzen Jugendverbänden hat das eine große Rolle gespielt.

 Du bis dann 1933 nach Palästina ausgewandert. Was war damals dort deine politische Orientierung?

Heute hat das einen völlig anderen Aspekt als damals. Deutschland hatte ja keine Kolonien. Die Kolonialfrage, also Imperialismus ganz konkret, stand sehr viel mehr in England zur Diskussion in der Arbeiterbewegung als in Deutschland. Wir hatten von den wirklichen Auswirkungen, die der Imperialismus in den Kolonien hatte – und damals war ja Palästina ein britisches Mandatsgebiet – wenig Ahnung. Hinzu kam, daß die antisemitischen Angriffe gegen Juden natürlich dazu führten, daß sehr viele sich identifizierten mit dieser Bewegung, aber auf der Linken waren. Und es gab eine ganze Reihe von Leuten, die gleichzeitig im Hashomer Hazair waren, einer linkszionistischen Bewegung, und im RKJ oder auch im SJV. Die Auseinandersetzung mit dem Zionismus und vor allen Dingen mit dem britischen Kolonialismus begann für mich erst in Palästina selbst. Als wir dann den ersten arabischen Aufstand 1936/39 erlebten und zu diskutieren begannen: Was ist die Funktion des Zionismus in Palästina?

 Sich in Palästina nicht als Zionist zu verstehen, war doch sicher ein besonderes Problem?

Ja, die Leute, die sich vom Zionismus trennten, die waren in der Gesellschaft geächtet. Man darf nicht vergessen, daß die KP dort jahrelang illegal war, daß die Engländer kommunistische Führer praktisch des Landes verwiesen haben – viele von ihnen sind in die Sowjetunion gegangen und dort später von Stalin umgebracht worden, das muß man auch wissen. Ein solcher Bruch mit dem Zionismus hat immer gleich Verdacht geweckt beim englischen Geheimdienst, und die haben eine ganze Gruppe, die aus meinem Kibbuz rausgingen – ein Kibbuz, in dem zu Anfang nur Deutsche waren – sofort unter Polizeiobservation genommen und einige wurden auch verhaftet.

 Du bist dann 1948 nach Deutschland zurückgekehrt und hast lange in der IG Metall gearbeitet. An welche Höhepunkte dort erinnerst du dich am liebsten?

Die Höhepunkte der IG Metall waren tatsächlich die Streikbewegungen. Ich erinnere mich sehr gut an den ersten Streik 1963. Ich kam aus Frankreich, dort war die Gewerkschaftsbewegung gespalten, und es kam immer wieder vor, daß Streiks ausgerufen wurden von der CGT (unter kommunistischem Einfluß) und dann Force Ouvrière und CFDT nicht mitmachten oder umgekehrt, daß die CFDT nachher die radikalere war. Oder aber es gab spontane Streiks, wie den großen Streik im Jahre 1952, in dem fast die Regierung Languelle gestürzt worden wäre oder später 1968, die ganz ungeheure Massen in Bewegung gesetzt haben und gleichzeitig fast bis zum politischen Streik, bis zum Sturz der Regierung gingen. Und was mir auffiel, war, daß eben der Streik 1963 ein ganz disziplinierter Streik war, der von oben organisiert wurde, aber gab keinen Streikbruch. Dasselbe war im Jahre 1979, wo auch die ersten Anstrengungen gemacht wurden, um zumindest einen Teil von Angestellten mit einzubeziehen in den Streik.

Und ich muß sagen, einer der aufregendsten Streiks war der von 1973, unter der Leitung übrigens von Steinkühler, wo es nicht nur um Lohn, sondern um Arbeitsinhalte ging, um das Arbeitstempo, um Bandgeschwindigkeiten, um Ruhepausen. Das war darum eindrucksvoll, weil es am Anfang keiner begriffen hat, auch von den Journalisten keiner, daß man für so etwas streiken kann. Sogar Willi Bleicher, der ein erprobter Streikführer war, hat Franz Steinkühler damals gewarnt: "Damit wirst du dir das Genick brechen, das geht nicht. Die Facharbeiter werden nicht bereit sein, für die Ungelernten zu streiken." Die Überraschung war, daß der Streik in dieser Beziehung tatsächlich gewonnen wurde, und da muß man auch das Verdienst von Steinkühler nennen, der es verstanden hat, auch Presse und Öffentlichkeit dafür zu gewinnen. Er hat sie eingeladen und ihnen einen Film gezeigt über eine Frau, die an der Maschine stand, mit Hand und Fuß arbeitete und gleichzeitig ein ungeheurer Lärm, daß man nach einer Viertelstunde glaubte, der Kopf platzt einem, und sagt dann: "Diese Frau muß das acht Stunden lang aushalten, verstehen sie jetzt, warum wir streiken?"

 Was sind deiner Ansicht nach heute die größten Schwächen der deutschen Gewerkschaften?

Die größte Schwäche ist, daß sie nicht begriffen hat, daß die historische Spaltung, die es immer gegeben hat – im Bewußtsein der Gewerkschaftsführung vor allem – daß Politik Sache der Parteien ist und daß nur Tarifpolitik Sache der Gewerkschaften ist, daß das heute nicht mehr gilt. Die Gewerkschaften müssen zu einer politischen Kraft werden, das ist die eine Schwäche. Die andere ist die, daß man glaubt, durch einen Diskurs, d.h. dadurch, daß Gewerkschaften, Arbeitgeber, Banken und politische Parteien zusammenkommen, eine gemeinsame Ebene zu finden in dieser schwierigen Situation heute des Umbruchs, auch des technologischen Umbruchs, der zu Arbeitslosigkeit führt, und zwar praktisch im Dienste einer gemeinsamen Verteidigung des Standort Deutschland. Und das wird sich als Irrtum herausstellen. Einfach darum, weil heute alle Angriffe, gerade auf sozialem Gebiet, von der Arbeitgeberseite ausgehen. Während früher die Gewerkschaften diejenigen waren, die für Reformen gekämpft haben, sind es heute die Arbeitgeber, die für Rückführung dieser Reformen kämpfen, um den Standort Deutschland zu verteidigen. Und diese beiden Dinge lassen sich nicht vereinbaren.

 Welche strategische Orientierung würdest du dann heute den deutschen Gewerkschaften empfehlen?
 

Jakob Moneta – geboren vor achtzig Jahren am 11.11.1914 in Blasow (Galizien, damals Österreich, heute Polen). Nach einem Judenpogrom zur "Feier" der Wiedervereinigung Galiziens mit Polen floh die Familie 1919 nach Köln. Mit siebzehn Jahren schloß er sich dem Jugendverband SJV der linkssozialistischen SAP an.

Nach dem Abitur verließ er im November 1933 Deutschland und ging nach Palästina, wo er fünf Jahre in einem Kibbuz lebte, in der Landwirtschaft und am Bau arbeitete und den Beruf des Orangenkistennaglers erlernte. Nachdem er einen erfolgreichen Streik für den 8-Stunden-Tag mitorganisiert hatte, kam er auf die Schwarze Liste und mußte seinen Beruf wechseln. 1939 brach er mit dem Zionismus, verließ den Kibbuz und wurde vom englischen CID über zwei Jahre ohne Gerichtsurteil interniert.

Nach 1948 arbeitete er zunächst in Deutschland, dann in Frankreich. 1953, drei Monate vor Stalins Tod, erscheint erstmals seine kritische Auseinandersetzung Aufstieg und Niedergang des Stalinismus. Auf Bitte von Otto Brenner, früherer Bezirksvorsitzender der SAP in Hannover und langjähriger IGM-Chef, wird er 1962 Chefredakteur von metall und Der Gewerkschafter.

Nach seiner Pensionierung bleibt er aktiv in gewerkschaftlichen Zusammenhängen, in der Vierten Internationale und der VSP. In der neu gewonnenen Zeit schreibt er Bücher (z.B.: Norbert Blüm – Herz-Jesu-Marxist oder kapitalistischer Propagandist?) und etliche Zeitungsartikel (u.a. in Inprekorr und Sozialistische Zeitung). Nach 1989 nutzt er die neuen Möglichkeiten und wird aktiv in der PDS, wo er heute Mitglied des Parteivorstands ist und die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit leitet. Statt einer langen Lobrede, die er sowieso nicht hören will, lassen wir ihn mit diesem Interview lieber selbst zu Wort kommen.

Herzlichen Glückwunsch, Jakob!

Die erwähnten Bücher sind, ebenso wie der Sammelband Mehr Macht für die Ohnmächtigen: Reden und Aufsätze, erhältlich beim ISP-Verlag.

Ich glaube erstmal, daß es ungeheuer wichtig ist, gemeinsam vorzugehen. Eigentlich das, was wir vorexerziert haben im Osten hier mit der Initiative der Betriebs- und Personalräte, daß wir gesagt haben, wir müssen uns gewerkschaftsübergreifend organisieren, wir müssen uns überregional organisieren, wir müssen uns ganz bestimmte politische Ziele setzen, z.B. auch gegen Arbeitslosigkeit als zentralen Punkt. Und es gibt heute eine große Diskussion darüber in den Gewerkschaften und einer der theoretischen Vordenker in der IG Metall, Helmut Schauer, der ein alter 68-er ist, meint sogar, daß heute die Zeit der Industriegewerkschaften vorbei ist, und zwar darum, weil die Macht der Industriegewerkschaften auf den Großbetrieben beruhte. Und die Großbetriebe werden heute gespalten, aufgelöst in GmbHs und AGs; auf diese Weise wird doch eine gemeinsame Vertretung kaputtgemacht. Und er sagt, der Schwerpunkt der Gewerkschaft kann nicht mehr allein der Betrieb sein, sondern muß auch in irgend einer Form das Wohnviertel sein. Und in dieser doppelten Organisation wäre das Wohnviertel dann auch der Ort, wo Verbindungen zu sozialen Bewegungen, insbesondere auch zu den Arbeitslosen möglich wären, um das gemeinsam zu bündeln für eine politische Bewegung gegen Arbeitslosigkeit und für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Wenn man das Problem ernsthaft aufgreift, muß man davon ausgehen, daß die Gewinne, die heute in der Industrie gemacht werden, nur zu kleinem Teil von der Arbeit kommen und ein großer Teil von der Spekulation. Man braucht nur das Beispiel Siemens anzuführen, 230.000 Beschäftige: 2/3 des Gewinns im letzten Jahr kamen aus Spekulation. Wenn man also dieses unproduktive Spekulationskapital nicht teilweise über Steuern konfisziert und verwandelt in produktive Investitionen, kann man das Problem der Arbeitslosigkeit nicht ernsthaft angehen.

 Was können wir als revolutionäre Sozialistinnen und Sozialisten zur Durchsetzung einer solchen Perspektive beitragen?

Ich habe folgende Erfahrung in der PDS gemacht. Erstens daß es heute eine Dummheit wäre, Parteizellen aufzubauen in den Gewerkschaften. Das geht heute nicht, sondern wir müssen uns mit allen Kräften verbünden, die aktiv sind und die versuchen, das durchzusetzen, wovon ich eben sprach, und das ist in der Diskussion heute durchaus schon vorhanden. Mit diesen Kräften müssen wir uns verbinden und denen vor allem versuchen, eine Basis in den Betrieben zu verschaffen, um da Druck auszuüben. Aber es geht nicht, das als Partei aufzubauen, sondern die Partei muß im Dienste von solchen Bewegungen stehen, die da sind, um sie zum Erfolg zu führen.

 Was willst du persönlich in der PDS erreichen, wofür machst du dich stark?

Wenn ich danach urteilen soll, was die Hans-Seidel-Stiftung über uns schreibt, dann muß die Gewerkschaftsarbeit von mir außerordentlich erfolgreich gewesen sein; die haben geradezu fantastische Vorstellungen davon, was die PDS heute in den Betrieben darstellt, das ist natürlich falsch. Was aber richtig ist: Wir waren 1990 aus den Betrieben völlig ausgegrenzt. Ich habe 1990 in Thüringen kandidiert, und da konnte man als "Rote Socke" keine Flugblätter verteilen. Das war auch die Wut der Arbeiter darüber, wie das zusammengebrochen ist und was vorher gewesen ist, all das spielte eine Rolle – das ist heute vorbei. Wir integrieren uns in all den Kämpfen, die da sind, überall sind PDS-Leute dabei, aber nicht als PDS, sondern einfach um den Kampf zu unterstützen, Widerstand zu unterstützen gegen Sozialabbau, gegen die Schließung von Betrieben usw. Und da die Menschen genau wissen, wer die sind, führt uns das weiter. Ich glaube, wir tun noch lange nicht genug, und die Partei hat noch nicht ganz begriffen, welchen Faktor gerade in diesen Bewegungen die Gewerkschaften darstellen, gerade weil die anderen Bewegungen, die Frauenbewegung, Ökologiebewegung, Friedensbewegung ziemlich ruhig sind und möglicherweise die Gewerkschaften gezwungen sind, in der nächsten Tarifrunde sehr aktiv zu werden.

 Du hast lange versucht, in der SPD die Linken zu stärken. Warum siehst du seit vielen Jahren darin keine Perspektive mehr?

Es gibt einen ganz grundlegenden Unterschied zwischen der PDS und der SPD in einem Punkt, den die meisten gar nicht wahrnehmen. In der SPD konnte jeder auf einem Parteitag sein Herz ausschütten, aber organisierte Opposition, wie sie in der PDS möglich ist, weil es dort statuarisch ein Fraktionsrecht gibt, gab es niemals; d.h., die Partei hatte niemals eine innerparteiliche Demokratie, das ist eine Legende. Heute in der PDS ist eine solche Diskussion möglich. Das zweite ist, daß die PDS über ihre Grenzen hinausgegangen ist mit der Möglichkeit der Aufstellung von Kandidaten, die in Massenbewegungen verankert sind, aber nicht der PDS angehören. Das ist genau das, was bei der letzten Wahl passiert ist mit Betriebsräten wie Jüttemann von Bischofferode, mit Müller von der HBV, mit dem Arbeiterpriester Willibald Jakob, mit Vertretern der Bauern, der Frauen usw. Und das halte ich für einen Versuch, sich zum ersten Mal in breiten gesellschaftlichen Bewegungen zu verankern, wobei ich nicht leugne, daß in dem Augenblick, wo sie im Parlament sind, ein bestimmter Druck da ist von der anderen Seite und der parlamentarische Kretinismus eben doch wieder auftauchen wird. Und da hängt es eben von der Partei selber ab, ob es ihr gelingt, diese Verbindungen aufrechtzuerhalten oder ob sie, wie bei den Grünen eben, gekappt werden.

 Und da siehst du für die SPD-Linke keinerlei Perspektive, sich einzumischen?

Ich glaube, daß gerade, was zuletzt passiert ist, interessant ist. Die SPD hat zwei Linien: Die eine ist die Linie Scharping, die glaubt, durch Ausgrenzung kann man die PDS totmachen. Die anderen, die Linken, wollen die PDS integrieren, d.h. sie wollen sie für sich vereinnahmen und das geht auch nicht, weil man die SPD nicht mehr von innen ändern kann; diese Versuche sind vierzig Jahre lang gemacht worden und sind nicht gelungen. Was heute notwendig ist, ist eine Einheitsfront, d.h. daß man gemeinsam z.B. eine CDU-Regierung stürzt, was nicht bedeutet, daß die PDS morgen in eine Regierung eintritt – aber alleine dieser Sturz ist verhindert worden in den letzten Wahlen, weil der Hauptkampf, statt gegen Kohl geführt zu werden, sowohl von den Grünen als auch von der SPD eher gegen die PDS geführt worden ist.

 Was verbindet dich mit der IV. Internationale?

Ich glaube unbedingt, daß die IV. Internationale hier aus dem Experiment mit der PDS lernen muß, und ich sehe auch die ersten Anzeichen dafür, daß z.B. in Dänemark ein Vertreter der IV. Internationale nicht ins Parlament gekommen ist als Vertreter seiner Gruppe, sondern daß das auch ein breiteres Bündnis war. Das zweite ist: Die Möglichkeit, Kraft zu sammeln, um international agieren zu können, dafür ist immer noch die Internationale, theoretisch und auch praktisch, ein außerordentlich wichtiges Moment – wenn sie sich nicht abkapselt, sondern sich für all solche Bewegungen offen hält.

 Welche programmatischen Grundpositionen sind dir dabei besonders wichtig?

Zunächst einmal muß man überall begreifen, wir sind heute in einer Verteidigungsposition. Aber wir dürfen das Ziel einer sozialistischen Demokratie nicht aus dem Auge lassen. Viele sagen: "Wir wissen nicht, wie Sozialismus aussieht." Nun hat auch Marx kein Konzept gehabt, wie die sozialistische Gesellschaft aussehen soll. Aber es gibt ja eine ganze Reihe von praktischen Erfahrungen, die man mit einbringen muß in die Diskussion; das hat die Internationale getan. Nehmen wir mal das jugoslawische Beispiel: die Selbstverwaltung der Betriebe einerseits, aber fehlende demokratische Kontrolle von oben, fehlende Parteidemokratie, fehlende Demokratie überhaupt andererseits, das hat zum Zusammenbruch geführt.

Ich glaube aber, wir sind hier in der Bundesrepublik in einer besseren Lage, wenn es zu einer solchen Umwälzung kommt eines Tages – und das wird ganz sicherlich mal der Fall sein – weil wir hier eine Arbeiterklasse haben mit einer jahrzehntelangen Erfahrung, so daß hier bestimmte Voraussetzungen vorhanden sind – wenn diese Klasse begreift, daß es noch eine Alternative gibt, was sie heute nicht glaubt. Heute glaubt sie, der Sozialismus ist tot oder sie zweifelt, ob es ihr dann unter dem Sozialismus besser gehen würde.

Die Fragen stellte Fritz Hermann.



Dieser Artikel erschien in Inprekorr Nr. 278 (Dezember 1994).